Walter Riester, Erfinder der privaten Altersvorsorge: Modell enttäuscht
Foto: FABRIZIO BENSCH/ REUTERSHamburg - Die staatlich geförderte private Altersvorsorge soll den Bundesbürgern helfen, zusätzliches Vermögen für den Lebensabend anzusparen. Deshalb vertrauen Millionen Deutsche der Riester-Rente. Doch zehn Jahre nach deren Einführung üben die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) und das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) nach SPIEGEL-Informationen harsche Kritik an dem Konzept.
"Riester-Sparer werden in vielen Fällen nur so viel Rendite erzielen, als hätten sie ihr Kapital im Sparstrumpf gesammelt", sagt DIW-Wissenschaftlerin Kornelia Hagen. Zum Jubiläum der privaten Altersvorsorge mit staatlichen Zuschüssen haben die Stiftung und das DIW in enger Kooperation Bilanz gezogen - in zwei Analysen, die kommende Woche veröffentlicht werden.
Dafür hat der Versicherungsmathematiker und Chef des Bundes der Versicherten, Axel Kleinlein, verschiedene Modellfälle berechnet. Die Ergebnisse sind ernüchternd.
Eine 35-jährige Frau etwa, die zwei Kinder hat und 2011 einen Riester-Vertrag abschließt, muss den Kalkulationen zufolge erst einmal 85 oder älter werden, bis sie das eingesetzte Kapital mit halbwegs vernünftigen 2,5 Prozent Zinsen heraushat. Und das ist noch ein optimistisches Szenario, es setzt gleichbleibende Versicherungsleistungen inklusive Überschusszahlungen voraus. Sollten die Assekuranzen in die Krise geraten und nur noch die über den Garantiezins gesicherten Mindestzahlungen leisten, müsste die Frau mindestens 109 werden.
Der Grund laut Kleinlein: Unter anderem sorgten neue Berechnungsmethoden zur Sterbewahrscheinlichkeit dafür, dass die Kosten für die Versicherten stiegen. Schon die gängigen Statistiken unterstellen heute 50-Jährigen eine Lebensdauer von bis zu 95 Jahren. Manche Unternehmen gehen sogar von bis zu 103 Jahren für eine 50-Jährige aus, wie Kleinlein berechnet hat.
Hinzu kommt, dass viele Riester-Sparer Geld verschenken, weil sie die staatliche Förderung nicht beantragen. Wie der aktuelle Vorsorgeatlas zeigt, der jüngst veröffentlicht wurde, lassen sich vor allem Ostdeutsche und junge Arbeitnehmer die Förderung entgehen.
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Monatliche Rentenlücke für gesetzlich Pflichtversicherte in Euro: Wer sich nur auf die gesetzliche Rente verlässt, dem fehlt im Alter viel Geld - im Durchschnitt 663,51 Euro. Am kleinsten ist die Rentenlücke für die Ostdeutschen, allerdings haben sie im Durchschnitt auch ein geringeres Einkommen als die Erwerbstätigen in den wirtschaftlich starken Regionen des Westens. Dort fehlen im Alter oft mehr als 700 Euro, um den Lebensstandard halten zu können.
Die Beträge beziehen sich auf diejenigen Erwerbstätigen, die Pflichtmitglieder in der gesetzlichen Rentenversicherung sind, ohne zusätzlich einen Riester-Vertrag abgeschlossen zu haben.
Monatliche Lücke mit zusätzlicher Riester-Rente in Euro: Riester-Sparern fehlt durchschnittlich mit monatlich 250 Euro erheblich weniger. Auch bei ihnen ist die Rentenlücke für die Ostdeutschen am kleinsten.
Rentenlücke für gesetzlich Pflichtversicherte in Prozent: Auch die prozentuale Darstellung belegt, dass die Rentenlücke für die Arbeitnehmer in den wirtschaftlichen Spitzenregionen am größten ist.
Die Angaben beziehen sich auf diejenigen Erwerbstätigen, die Pflichtmitglieder in der gesetzlichen Rentenversicherung sind, ohne zusätzlich einen Riester-Vertrag abgeschlossen zu haben.
Monatliche Lücke mit zusätzlicher Riester-Rente in Prozent: Riester-Sparer können ihre Rentenlücke um etwa ein Drittel verringern. In Süddeutschland zeigt sich dieser Effekt besonders stark.
Verschenktes Geld: Jedes Jahr entgeht den Riester-Sparern mehr Geld - im Jahr 2008 verzichteten sie allein deshalb auf 853,1 Millionen Euro, weil sie gar keinen Antrag einreichten.
Insgesamt verschenkten die Riester-Sparer im Jahr 2008 1,3 Milliarden Euro - denn viele zahlten selbst nicht genug ein, um die maximal mögliche Förderung zu bekommen.
Quote der gestellten Förderanträge: Vor allem Ostdeutsche versäumen es, die staatlichen Zulagen zu beantragen. In weiten Teilen sind es dort nur zwei Drittel oder weniger der Riester-Sparer.
Die Angaben beziehen sich nur auf die Kunden von Union Investment, sind aber in Bezug auf die regionale Verteilung repräsentativ. Im Bundesschnitt sind die Beantragungsquoten jedoch etwas geringer.
Quote der gestellten Förderanträge bei den 25- bis 34-Jährigen: Bei den jungen Riester-Sparern ist die Quote der Antragsteller am niedrigsten - weil die Rente noch zu weit entfernt erscheint?
Die Angaben beziehen sich nur auf die Kunden von Union Investment, sind aber in Bezug auf die regionale Verteilung repräsentativ. Im Bundesschnitt sind die Beantragungsquoten jedoch etwas geringer.
Quote der gestellten Förderanträge bei den 55- bis 64-Jährigen: Riester-Sparer kurz vor der Rente beantragen die staatlichen Zulagen wesentlich gewissenhafter als die Jungen.
Die Angaben beziehen sich nur auf die Kunden von Union Investment, sind aber in Bezug auf die regionale Verteilung repräsentativ. Im Bundesschnitt sind die Beantragungsquoten jedoch etwas geringer.
Volle Zulagen: In Bayern ist der Anteil der Riester-Verträge, für die es die maximale Förderung gibt, am höchsten. In weiten Teilen Ostdeutschlands zahlen die Versicherten selbst nicht genug ein, um die vollen Zulagen zu erhalten.
Ausschöpfungsquote: Auch bei denen, die nicht die maximale Förderung erhielten, liegen die Bayern bei der effektiv erreichten Quote der möglichen Zulagen vorne.
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