Schuldeneintreiber Verbraucherschützer prangern Inkasso-Abzocke an

Phantasiegebühren, Einschüchterung, horrende Forderungen: Die Inkassobranche gerät wegen Abzockermethoden ins Visier von Verbraucherschützern. Laut einer Studie blähen die Aufschläge der Schuldeneintreiber die fälligen Rechnungen um die Hälfte auf. Behörden bleiben meist untätig.
Brief eines Inkassobüros: Gebühren nach Gutsherrenart?

Brief eines Inkassobüros: Gebühren nach Gutsherrenart?

Foto: Jens Büttner/ picture alliance / dpa

Hamburg - Es ist ein Extremfall, aber er zeigt die Auswüchse einer umstrittenen Branche: Ein Kunde bekommt eine Rechnung über 20,84 Euro. Weil er diese nicht zahlt, wächst die Forderung bis auf 1200 Euro an. Der Grund: Phantasiegebühren, Aufschläge und Zinsen eines Inkassounternehmens, das vom Gläubiger beauftragt wurde, um die Forderung einzutreiben.

Dieser Fall - von Fachleuten "angeschwollene Bagatellforderung" genannt - taucht in einer Studie auf, die die Verbraucherzentralen am Donnerstag vorgestellt haben.  Diese haben 4000 Beschwerden gesammelt und ausgewertet, die bei ihnen allein zwischen Juli und September eingingen. Die Untersuchung ist nicht repräsentativ, zeigt aber, wie groß das Problem unseriöser Methoden in der Inkassobranche ist.

Die Kritik der Verbraucherschützer: Inkassounternehmen könnten "ihre Gebühren nach Gutsherrenart nahezu willkürlich festlegen". 99 Prozent der Beschwerden über unseriöse Praktiken seien berechtigt. Meist stünden unberechtigte Forderungen im Zusammenhang mit untergeschobenen Verträgen - zum Beispiel durch Abofallen im Internet, unerlaubte Telefon- oder Gewinnspielwerbung.

"Viele Betroffene zahlen aus Unkenntnis und Angst selbst unberechtigte Forderungen", sagt Olaf Weinel, Geschäftsführer der Verbraucherzentrale Niedersachsen. Rund ein Viertel der befragten Kunden fühlten sich bedroht und eingeschüchtert. Gedroht werde mit Hausbesuchen, einem Eintrag bei der Schufa oder der Pfändung von Lohn und Konten. Ein Inkassounternehmen habe Detektive beauftragt, "die Vermögens- und Arbeitsverhältnisse des Schuldners auszuspionieren - wegen einer Hauptforderung von 15,87 Euro".

80 Aufsichtsbehörden, kaum Konsequenzen

Die meisten Beschwerden entfielen der Untersuchung zufolge auf die Deutsche Zentral Inkasso GmbH. 40 Prozent der befragten Verbraucher beschwerten sich über das Unternehmen. Das Inkassounternehmen äußerte sich auf Nachfrage von SPIEGEL ONLINE zunächst nicht zu den Vorwürfen. Auf der Homepage ist lediglich eine kostenpflichtige 0900-Nummer angegeben, Anrufe blieben erfolglos, auch auf eine Anfrage per E-Mail gab es zunächst keine Reaktion.

Laut den Verbraucherzentralen betrifft jede siebte Beschwerde zudem nicht registrierte Unternehmen - solche also, die überhaupt keine Schulden eintreiben dürfen. Den Kunden stoße vor allem die mangelnde Transparenz der Kosten auf: Unterm Strich erhöhte sich die Summe der Hauptforderungen bei den 4000 Beschwerdefällen um 52 Prozent. Bei den Fällen aus der Schuldnerberatung wuchs die ursprüngliche Rechnung sogar um 266 Prozent an, heißt es in der Untersuchung.

Die Verbraucherschützer fordern nun von der Regierung, das Problem anzugehen: "Unseriöses Inkasso ist eine Plage", sagt Gerd Billen, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. "Abzocke und Einschüchterung müssen endlich gestoppt werden." Die Branche brauche Regeln, verlässliche Gebührenvorgaben und eine schlagkräftige Aufsicht. Zuständig sei das Bundesjustizministerium von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die FDP-Ministerin müsse stärker gegen unlautere Praktiken vorgehen, fordert Billen.

Denn derzeit seien rund 80 Aufsichtsbehörden für Inkassofirmen zuständig. Im vergangenen Jahr ergab eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein, dass bundesweit gerade mal zwei Unternehmen die Zulassung entzogen wurde, nachdem Schuldner sich beschwert hatten.

Billen kritisiert, die Unternehmen könnten derzeit weitgehend unkontrolliert agieren. Die Folgen seien verheerend: Es gebe in der Branche weder eine Gebührenordnung noch konkrete Informationspflichten. Das Fazit des Verbraucherschützers: "Ein Mangel an effektiven Kontrollen und Sanktionen ist geradezu eine Einladung für Betrüger."

cte
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