Hermann-Josef Tenhagen

Freibetrag bei Aktienfonds Wie Anleger mit einem Trick richtig viel Steuern sparen

Hermann-Josef Tenhagen
Eine Kolumne von Hermann-Josef Tenhagen
Wer Geld in Aktienfonds anlegt, kann seine Steuerlast deutlich verringern – durch geschickte Nutzung des Sparerfreibetrags. Und so geht's.
Foto: eggeeggjiew / Getty Images

Ab 2023 will die Ampelkoalition den Sparerfreibetrag  von 801 auf 1000 Euro pro Person und Jahr erhöhen. Für Ehepaare das Doppelte. Das heißt für Sie: Sie können noch mehr Geld sparen, wenn Sie es richtig anstellen.

Da auf Festgeld und Tagesgeld-Guthaben kaum noch Zinsen gezahlt werden, ist es aktuell vernünftig, seinen Sparerfreibetrag aufs Depot zu konzentrieren.

Aber wie macht man das?

Tatsächlich lässt sich beim Anlegen über die Zeit eine ordentliche Summe sparen, wenn Sie Erträge in jedem Jahr versteuern und dafür den Freibetrag nutzen. Über 15 Jahre lassen sich so beim aktuellen Freibetrag von 800 Euro mindestens 12.000 Euro Rendite erwirtschaften, ohne darauf Steuern zahlen zu müssen.

Fällt die Rendite nicht in Form von Zinsen an, sondern als Dividende  oder als Kursgewinn auf bestimmte Investmentfonds und ETFs, ist sogar noch mehr drin, denn für die gibt es eine steuerliche Sonderregelung. Bei Aktienfonds werden nur 70 Prozent der Erträge steuerlich angerechnet. Mit den 801 Euro Freibetrag können Sie also jedes Jahr 1144 Euro an Dividenden und Kursgewinnen steuerfrei einstreichen. Ehepaare wie immer das Doppelte.

Ich habe mal zwei Beispiele gewählt, um das zu veranschaulichen:

Beispiel eins: Die Anlegerin hat 10.000 Euro auf dem Depot eingezahlt und überweist dann jeden Monat mit einem Sparplan noch mal 200 Euro. Wir nehmen mal an, das Depot ist kostenlos (leicht möglich ) und die Ausführung des Sparplans kostet auch nichts. Das ist zwar nicht ganz so leicht, aber auch bei geringen Kosten macht das kaum einen Unterschied. Nach 15 Jahren hat die Frau 36.000 Euro an Raten eingezahlt, mit den 10.000 Euro zu Beginn also insgesamt 46.000 Euro.

Ein Depot mit einem ETF auf den MSCI World  hat in den vergangenen Jahrzehnten im Schnitt sieben Prozent Rendite pro Jahr erzielt. Nach 15 Jahren kämen so rund 90.000 Euro heraus . Wenn sie dann alles verkauft, müsste sie jede Menge Steuern zahlen. Das rechnet sich so:

Depotstand: 90.000 Euro

  • minus 10.000 Euro Einzahlung zu Beginn

  • minus 36.000 Euro in Raten

macht 44.000 Euro.

Ein paar Euro Pauschalversteuerung hat sie womöglich schon zuvor zahlen müssen. Diese Pauschalbesteuerung auf die sogenannte Vorabpauschale  gibt es seit 2018. Sie soll eigentlich einen Teil der Fondserträge schon vorab versteuern, orientiert sich aber an einem von der Bundesbank jedes Jahr neu vorgegebenen Zinssatz. Der ist in der aktuellen Niedrigzinsphase super klein und jetzt schon im zweiten Jahr sogar bei null Prozent. Die Pauschale macht also praktisch Pause. Deswegen rechne ich hier ohne weiter.

Bei unserer Modellrechnung bleiben der Anlegerin also 44.000 Euro Gewinn. Bei einem ETF wird Abgeltungsteuer  für Fonds fällig von 25 Prozent, dazu hier immer der Solidaritätszuschlag, insgesamt mindestens also 26,4 Prozent Steuern. Allerdings rechnet das Finanzamt bei solchen Fonds die Steuern ja nur auf 70 Prozent des Verkaufsgewinns an. Im Ergebnis werden deshalb ungefähr 8120 Euro Steuern fällig.

Hätte die Dame nun ihren gesamten Sparerfreibetrag jedes Jahr fürs Depot einsetzen wollen, dann hätte sie im Dezember immer so viele Anteile verkauft, dass der Gewinn gerade dem Freibetrag entspricht. Anschließend hätte sie die Anteile wieder neu einkaufen müssen. So könnte sie dafür sorgen, dass insgesamt rund 17.160 Euro Gewinn steuerfrei wären, 15 mal 1144 Euro. Statt 44.000 Euro sind dann nur noch knapp 26.840 Euro zu versteuern, die Steuerlast fällt auf knapp 5000 Euro. Steuerersparnis über 3100 Euro.

Steigt der Sparerfreibetrag künftig auf 1000 Euro, können mit dem gleichen Modell sogar 1429 Euro Dividenden und Kursgewinne pro Jahr steuerfrei vereinnahmt und dann gleich wieder angelegt werden – ein Viertel mehr. Entsprechend verringert sich die Steuerlast mit dieser Methode sogar um fast 4000 Euro.

Schnell nachkaufen

In der Praxis gibt es aber eine kleine Herausforderung für die Anlegerin: Wie finde ich heraus, wann ich mit einem Verkauf 1144 Euro oder künftig 1429 Euro an Erträgen gemacht habe? Schließlich nimmt das Finanzamt bei jedem Verkauf an, dass ich die ältesten Anteile im Depot, das heißt, die mit dem höchsten Gewinnanteil verkaufe und versteuere. Fifo heißt das im Fachjargon: First in, first out.

Antwort: So genau muss ich gar nicht sein. Auch wenn ich dafür etwas zu viel Anteile verkauft und wieder gekauft habe, bleibt der Vorteil gleich groß. Entscheidend sind zwei andere Dinge, erstens, dass ich gleich wieder anlege. Denn wenn ich den Wiedereinstieg auf die lange Bank schiebe und gar auf die Idee komme, »günstigere Kurse« abwarten zu wollen, kann mir die Börse den Plan durchkreuzen. Lieber zügig investieren und gedanklich abhaken.

Und zweitens, dass ich die Unterlagen aufhebe, weil ich im Zweifel dem Finanzamt beweisen muss, dass ich zwischendurch verkauft und so schon versteuert habe.

Das zweite Beispiel: Unsere Anlegerin hat 30.000 Euro geerbt und legt diese im ETF an. Der rentiert wie im Beispiel oben jedes Jahr mit sieben Prozent, davon rund zwei Prozent Dividende und fünf Prozent Kursgewinne. Im ersten Jahr also 600 Euro Dividende (110 Euro Steuern) und 1500 Euro Buchgewinn durch die Kurssteigerung. Davon realisiert sie 544 Euro, indem sie vor dem Jahresende Anteile im aktuellen Wert von 11.420 Euro verkauft und direkt wieder kauft, und bleibt so insgesamt im Rahmen ihres Sparerpauschbetrags. Über die nächsten Jahre verschiebt sich allmählich die Nutzung ihres Pauschbetrags, weil die Dividenden mit steigendem Depotwert einen größeren Anteil einnehmen. Im 14. Jahr füllen die Dividendenerträge den Sparerpauschbetrag sogar komplett. Entsprechend kann sie ihre Beträge für Teilverkauf und Rückkauf reduzieren, um auf die 1144 Euro Ertrag zu kommen.

Wenn Sie einen Teil des Geldes verbrauchen will, macht Sie das einfach und zahlt nur den Rest der Entnahme wieder auf dem Depot ein. Der Steuerspar-Mechanismus bleibt.

Wenn der Sparerfreibetrag nun ab 2023 auf 1000 Euro steigt, kann die Anlegerin im Prinzip jedes Jahr 1429 Euro an Erträgen aus dem Depot steuerfrei kassieren. Das heißt, sie sollte im ersten Jahr Anteile für rund 17.500 Euro verkaufen, die Erträge steuerfrei kassieren und die Anteile wieder kaufen. Im zweiten Jahr würden die ältesten noch verbliebenen 12.500 Euro im Depot schon fast 1300 Euro an Rendite abwerfen, also werden die verkauft, der Gewinn steuerfrei mitgenommen und wieder angelegt. Das Gleiche funktioniert noch mal im Jahr drei. Ab dem Jahr vier müsste die Anlegerin schauen, wie viel Rendite schon in den ältesten Wertpapieranteilen steckt und kann die Verkaufssumme und Kaufsumme entsprechend verringern.

Warum Sie vielleicht nicht die ganze Ersparnis ausschöpfen

Drei wichtige Variablen gibt es noch zu bedenken. Einmal die Transaktionskosten für Kauf und Rückkauf. Bei Neobrokern wird hier gar nichts oder nur ein symbolischer Euro fällig. Bei Direktbanken ist bei einem Verkaufsvolumen von 5000 Euro dagegen mit Gebühren in der Größenordnung von 10 bis 20 Euro zu rechnen.

Zweitens die Pauschalversteuerung, die ich oben erwähnt habe. Im Augenblick ist die bei null, aber die kann natürlich wieder ansteigen. Und wenn die Pauschalbesteuerung sich auswirkt, muss die Anlegerin entsprechend weniger verkaufen und zurückkaufen.

Auch andere Veränderungen des Steuerrechts in den nächsten 15 Jahren könnten die Rechnung beeinflussen.

Und drittens die Entwicklung der Aktien. Die sieben Prozent Jahresrendite sind natürlich nur ein Durchschnittswert. Manchmal steigen die Aktienkurse übers Jahr gesehen stärker, manche Jahre wird es aber auch Kursverluste geben. Wenn unsere Anlegerin gleich zu Anfang mit Kursrückgängen konfrontiert ist und sich das erst in den späteren Jahren wieder ausgleicht, kann sie natürlich nicht mehr ganz so viel Gewinn steuerfrei realisieren. Denn die Freibeträge der ersten Jahre können ja nicht eingesetzt werden .

In beiden Modellen lässt sich bei optimalem Verkaufen und Zurückkaufen aktuell eine Steuerersparnis von 210 Euro im Jahr erreichen (Ehepaare das Doppelte). Künftig sind es gut 260 Euro. Wenn die Routine einmal funktioniert, ist das eine nützliche Übung mit einem hohen Stundenlohn.

Probieren Sie es aus!

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren
Mehrfachnutzung erkannt
Bitte beachten Sie: Die zeitgleiche Nutzung von SPIEGEL+-Inhalten ist auf ein Gerät beschränkt. Wir behalten uns vor, die Mehrfachnutzung zukünftig technisch zu unterbinden.
Sie möchten SPIEGEL+ auf mehreren Geräten zeitgleich nutzen? Zu unseren Angeboten