
Nachteile beim Wechsel des Stromanbieters Die Schufa will wissen, wie treu Sie sind


Diese Woche stand die Schufa im Rampenlicht, weil sie an einer Extra-Datenbank für Stromanbieter arbeitet. Einige von denen suchen nämlich nach Möglichkeiten, wie sie Kunden erkennen können, die den Neukundenbonus mitnehmen und nach einem Jahr wieder den Anbieter wechseln wollen.
Haben Sie beim letzten Wechsel Ihres Stromanbieters einer Schufa-Auskunft zustimmen müssen? Nicht? Ich auch nicht. Tatsächlich ist die Schufa bei den Stromanbietern nicht gerade groß im Geschäft. Wäre sie aber gern.
Doch was steht im Weg? Schon bislang könnten die Stromanbieter ja einen Vertrag mit einer Auskunftei machen. Dann müsste der Kunde, der einen besonders preiswerten Stromtarif will, einer Bonitätsauskunft zum Beispiel bei der Schufa zustimmen. Passiert bei Konzernen wie Vattenfall oder EnbW im Kleingedruckten der allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Und schwups, wüsste der Stromanbieter, ob der potenzielle Kunde in der Regel seine Rechnungen bezahlt.
Diese Info holen viele Stromanbieter aber nicht ein.
Zum einen, weil die Auskünfte bei der Schufa natürlich Geld kosten.
Zum zweiten, weil eine Schufa-Auskunft vor dem Stromvertrag den Abschluss neuer Verträge bremst. Sonst ist der Stromanbieterwechsel innerhalb von zehn Minuten für den Kunden in spe erledigt.
Drittens haben vor allem die großen Stromkonzerne eigene Datenschätze, um das Risiko zu bewerten, dass der Kunde nicht zahlt.
Und viertens geht es den Stromanbietern in gewisser Hinsicht besser als anderen Dienstleistern: Die Kunden zahlen in der Regel sehr zuverlässig, und wenn sie dafür die letzten Cents zusammenkratzen. Niemand möchte, dass ihm der Strom abgestellt wird.
Auf meine Anfragen schrieb mir nur der Anbieter Eprimo, dass er auch Schufa-Auskünfte einholt. E.on und Innogy schreiben, dass sie die Datenpool-Idee mit der Schufa geprüft hätten, aber diese nicht einsetzen würden. EnBW, die Stadtwerke München und Lichtblick, dass sie solche Datenpools explizit ablehnen würden. In den AGB behalten sich Konzerne aber grundsätzlich das Recht auf eine Auskunft vor.
Seit Jahren denkt das private Unternehmen Schufa darüber nach, wie es den Strommarkt mit seinen nunmehr knapp 5 Millionen Wechslern im Jahr knacken könnte. So wie die Datensammler bereits prächtig am Bankenmarkt verdienen und inzwischen auch am Markt für Mietwohnungen.
Eprimo zum Beispiel teilte mit, die Gedanken zum Thema Datenpool bei Strom- und Gaskunden gebe es seit zehn Jahren. Man habe sich früher auch dafür interessiert. Der Landesdatenschutzbeauftragte in Hessen berichtet von Versuchen für eine Schufa-Energie-Datenbank seit 2016.
Das Problem sind die Locktarife
Seither hat sich einiges getan, vor allem haben sich einzelne Stromanbieter auf die regelmäßigen Wechsler unter ihren Kunden eingeschossen. Kunden, die im ersten Jahr einen Wechselbonus und einen Sofortbonus mitnehmen, dann aber den Stromvertrag kündigen, um im kommenden Jahr beim nächsten Stromkonzern die Boni mitzunehmen, mögen Stromkonzerne nicht - sie verdienen an diesen Kunden nichts oder wenig. Daher will man sie erkennen und ihnen schlicht keinen günstigen Vertrag mehr anbieten.
Ist ja aus Konzernsicht auch verständlich. Noch einfacher aber wäre es, im Strom- und Gasmarkt mit seinen fast 5 Millionen Wechslern im Jahr auf solche Locktarife zu verzichten und einfach dauerhaft faire und günstige Preise anzubieten . Die Locktarife können wirtschaftlich für den Stromanbieter ohnehin nur funktionieren, wenn er es schafft, erst die Kunden mit Billigpreisen anzulocken und ihnen das Geld für die Boni in den Folgejahren wieder aus der Tasche zu ziehen. Der Gesetzgeber hilft bei dem Spiel "Erst angelockt, dann abgezockt" - durch Untätigkeit.
Denn die Stromanbieter haben ein Schlupfloch im Gesetz entdeckt. Der Wegfall des Bonus ist rein rechtlich keine Preiserhöhung - der Kunde muss darüber noch nicht einmal gesondert informiert werden. Der Wegfall des unschlagbaren Tiefstpreises inklusive Bonus bewirkt damit auch nicht das übliche Sonderkündigungsrecht wie bei einer Preiserhöhung.
Wenn Stromhändler, aber auch Konzerne das Anlockmodell beibehalten wollen, wäre es für sie natürlich schön, wenn sie mithilfe der Schufa noch besser herausfinden könnten, wer denn die abgebrühten Kunden sind, die sich gern anlocken lassen, dann aber einfach weiterziehen und sich nicht abzocken lassen. Und wer ein bisschen treudoof ist, den Bonus mitnimmt und anschließend mit überhöhten Preisen zurückzahlt.
Treue Kunden, harte Knochen
So direkt funktioniert das natürlich nicht, sonst würde die Schufa das natürlich auch gar nicht anbieten. Es war von ihrer Seite nicht vorgesehen, beinharte Wechselkunden identifizierbar zu machen, beteuerte die Schufa. Vorgesehen waren in der Datenbank neben der Frage "Hat der Kunde bislang seine Energierechnungen immer pünktlich und ordentlich bezahlt?" auch die Information zur Laufzeit eines Energievertrages. Die braucht man zwar nicht, um herauszufinden, ob der Kunde zuverlässig zahlt - aber spannend wären solche Daten schon für die Stromanbieter. Arbeitshypothese: Besteht der Vertrag länger, ist der Kunde treu gewesen, bei kurzen Laufzeiten könnte ein harter Knochen dahinterstecken.
Und so zeigen sich auch Stromanbieter, die zuletzt hohe Boni zahlen, interessiert an einem solchen Datenbankmodell. Der besondere Charme: Die Energiekonzerne könnten die Daten anschließend mit ihren eigenen Algorithmen kombinieren, um das Anlocken-und-Abzocken-Spiel weiterzuverfolgen. Stromkonzerne mit Millionen Kunden haben schließlich ordentlich eigene Datenschätze, mit denen ihnen ein Abgleich möglich ist. Schon heute lehnen manche Lieferanten Kunden ab, die sie aus der Vergangenheit kennen oder als wechselwillig einstufen. Algorithmen ermitteln das etwa anhand des Alters, Wohnorts, der E-Mail-Adresse und des Stromverbrauchs.
Künftig hätten die Stromanbieter mit der Schufa dann einen hinreißenden Sündenbock für abgelehnte Kunden. Das Spiel funktioniert schon bei den Banken und ihren Krediten ganz ausgezeichnet. Da ist halt immer die Schufa schuld und nie die Bank, wenn es den Kredit doch nicht gibt. Sündenbock ist auch Dienstleistung der Schufa, eine sehr lukrative Dienstleistung.
Fazit:
Wenn es der Schufa gelingt, eine solche Datenbank bereitzustellen, mag das dem einen oder anderen Strom- oder Gaskunden tatsächlich nutzen, der aktuell wegen der klassischen Datenbanken von Schufa oder Bürgel keinen Vertrag bekommt, als treuer Stromkunde aber wieder vertragsfähig wäre. Das betrifft jedoch nur wenige.
Vor allem verschiebt der Datenpool die Machtverhältnisse zwischen schlauen Kunden und hart gesottenen Managern - zugunsten der Manager. Die könnten sich Bonushopper vom Leib halten und noch unverfrorener das Bonus-Spiel des "Angelockt und Abgezockt" betreiben.
Solange es den Datenpool nicht gibt, können Sie als wechselwilliger Kunde Ihre Spuren verwischen. Verlangen Sie von Ihrem alten Anbieter, dass er Ihre personenbezogenen Daten löscht, soweit dies möglich ist .
Das eigentliche Problem des Strommarktes wird mit einem solchen Datenpool weder angegangen noch gelöst: Immer noch viel zu viele Kunden sind in der Grundversorgung und zahlen viel zu viel für ihren Strom. Oder, um das Kartellamt zu zitieren : "Der Anteil der Haushaltskunden in der teureren Grundversorgung ist weiterhin zu hoch." Der Wechsel muss normaler werden.