Sinkende Netzrenditen, fallende EEG-Umlage So stark werden Verbraucher beim Strompreis entlastet

Die Ökostromumlage sinkt – und bald werden auch die Renditen gekürzt, die Firmen für das Geschäft mit den Strom- und Gasnetzen erhalten. Verbraucher dürfen daher auf Entspannung beim Strompreis hoffen.
Umspannwerk bei Schwerin

Umspannwerk bei Schwerin

Foto: Jens Büttner/ dpa

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Eine Entscheidung der Bundesnetzagentur dürfte dem Schub bei den Strompreisen zusätzlich entgegenwirken: Nach dem Willen von Deutschlands oberster Regulierungsbehörde für den Strom- und Gasmarkt sollen die Eigenkapitalzinssätze, die rund 900 Unternehmen ab 2023 für das Geschäft mit den Stromnetzen und ab 2024 für die Gasnetze erhalten, etwas sinken.

Die Renditen bei Neuanlagen sollen von derzeit 6,91 auf dann 5,07 Prozent fallen, bei Altanlagen ist ein Rückgang von 5,12 auf 3,51 Prozent vorgesehen. Das dürfte zu ein wenig Entlastung bei den sogenannten Netzentgelten führen, die Verbraucherinnen und Verbraucher über ihre Stromrechnung zahlen und in die die Renditen als ein Kostenfaktor mit einfließen.

Die Netzentgelte machen aktuell rund ein Viertel des Endkundenpreises für Privathaushalte aus. Beim Strom zahlten Verbraucherinnen und Verbraucher 2020 durchschnittlich 7,50 Cent pro Kilowattstunde, beim Gas 1,56 Cent.

Im Jahr 2022, in dem noch die höheren Renditen gelten, sollen die Netzgebühren deutlich steigen. Nach Berechnungen des Verbraucherportals Verivox dürften sie im bundesweiten Durchschnitt um rund 3,7 Prozent zulegen. Ein durchschnittlicher Dreipersonenhaushalt mit einem Verbrauch von jährlich 4000 Kilowattstunden müsste dann netto rund 303 Euro zahlen, rund elf Euro mehr als im laufenden Jahr.

Die steigenden Netzkosten sind bisher ein Faktor, der die Strompreise zusätzlich in die Höhe treibt. Wegen des Anstiegs der Einkaufspreise im Großhandel um bis zu 140 Prozent haben ohnehin viele Versorger saftige Tarifanhebungen angekündigt. Bei manchen steigen die Arbeitspreise pro Kilowattstunde um mehr als 60 Prozent.

Entlastung an mehreren Stellen gleichzeitig

Die Bundesregierung versucht bereits, über die Senkung der sogenannten Ökostromumlage, Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten. Die Umlage, die ihnen ebenfalls auf die Stromrechnung draufgeschlagen wird, fällt im kommenden Jahr von 6,5 auf 3,7 Cent pro Kilowattstunde. Für einen Durchschnittshaushalt entspricht das einer Erleichterung um 112 Euro. SPD, Grüne und FDP, die wahrscheinlich die nächste Regierung stellen werden, wollen die Umlage in den kommenden Jahren zudem noch weiter absenken.

Die gleichzeitige Beschneidung der Netzrenditen könnte Verbraucherinnen und Verbraucher ab 2023 zusätzlich entlasten. Laut Brancheninsidern bekommen Netzbetreiber durch die geplante Absenkung der Eigenkapitalzinssätze in fünf Jahren knapp zwei Milliarden Euro weniger. Unterm Strich dürfte sich die zusätzliche Ersparnis pro Verbraucher auf 2,40 Euro pro Jahr belaufen. Nicht viel, aber immerhin.

Wäre für Verbraucher noch mehr drin gewesen?

Es gibt Kritik, dass die Entlastung für die Endkunden nicht groß genug ausfällt. Denn die Bundesnetzagentur hatte ursprünglich noch ambitioniertere Pläne für die Kürzung der Eigenkapitalzinssätze. So wollte sie den Zinssatz für Neuanlagen zunächst statt auf 5,07 sogar auf 4,59 Prozent verringern und den Satz für Altanlagen statt auf 3,51 auf 3,03 Prozent.

Laut einem Gutachten  des Energieexperten Thomas Wein von der Universität Lüneburg im Auftrag des Ökostromversorgers Lichtblick wäre sogar eine Senkung auf 3,79 Prozent bei Neuanlagen und auf 2,23 Prozent bei Altanlagen möglich gewesen.

»Die Bundesnetzagentur verteilt ohne Not Milliardengeschenke an Konzerne und Stadtwerke«, sagt Markus Adam, Rechtsexperte bei Lichtblick. »Offenbar ist die Behörde vor dem Druck aus Politik und Netzlobby eingeknickt.«

»Völlig falsches Signal«

Der Energiedachverband BDEW und der Kommunalverband VKU kritisieren die Abschmelzung der Renditen dagegen heftig. Die Netzagentur sende »ein völlig falsches Signal«, schreiben sie in einem gemeinsamen Statement.

Die Netze seien »das Rückgrat der Energiewende«. Es sei »Konsens, dass sie für das Erreichen der Klimaziele deutlich aus- und umgebaut werden müssen«. Der sinkende Eigenkapitalzins setze zu wenige Anreize für Investoren. »Zukunft kann man nicht herbeisparen.«

Die Netzagentur selbst bezeichnete die geplante Absenkung als genau richtig. »Die gesunkenen Zinssätze spiegeln das geringere Zinsniveau an den Kapitalmärkten wider«, sagte Netzagentur-Chef Jochen Homann. Investitionen in die Netze blieben also auch weiter attraktiv. Gleichzeitig würden Verbraucher, Industrie und Gewerbe nicht länger »unnötig belastet«.

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