Lebenszufriedenheit Macht viel Geld doch glücklich?

Nicht nur die allgemeine Lebenszufriedenheit, sondern auch das tägliche emotionale Wohlempfinden stieg mit wachsendem Haushaltseinkommen
Foto: Jens Kalaene / DPA-ZentralbildWissenschaftler und Ökonomen auf der ganzen Welt waren sich lange einig, dass Geld allein nicht zufrieden macht – zumindest nicht mehr ab einer gewissen Schwelle. Die beiden Wirtschaftsnobelpreisträger Daniel Kahneman und Angus Deaton haben bereits 2010 ein jährliches Einkommen von 75.000 Dollar, also umgerechnet etwa 61.000 Euro, als diese Grenze identifiziert. Bis zu dieser Schwelle macht Geld ihnen zufolge glücklich.
Alles, was darüber hinausgeht, hat keine Steigerung des Wohlbefindens zur Folge. Die Forscher sahen den »abnehmenden Grenznutzen« als Ursache: Ab jener Schwelle sei es Menschen wahrscheinlich nicht mehr möglich, das zu tun, was für das emotionale Wohlbefinden am meisten zähle, wie etwa Zeit mit der Familie zu verbringen.
Doch eine neue Studie aus den USA im Fachjournal »PNAS« bringt diese Gesetzmäßigkeit nun zum Wanken. Der Psychologe Matthew Killingsworth von der University of Pennsylvania hat in seiner Studie mehr als 33.000 erwerbstätige Erwachsene in den USA an zufälligen Zeitpunkten des Tages über eine App gefragt: »Wie fühlen Sie sich gerade?«
Reiche Menschen haben das Gefühl, mehr Kontrolle über ihr Leben zu haben
Das Ergebnis der 1,7 Millionen Einzeldaten: Nicht nur die allgemeine Lebenszufriedenheit, sondern auch das tägliche emotionale Wohlempfinden stieg mit wachsendem Haushaltseinkommen, und das weit über eine Summe von 80.000 US-Dollar hinaus. Als einen der Gründe nennen die Wissenschaftler, dass reiche Menschen das Gefühl hätten, mehr Kontrolle über ihr Leben zu haben. Er gibt keinen oberen Grenzwert an.
Killingsworth sieht seine differenziertere Methodik als Grund für die abweichenden Resultate an: So seien die Probanden mithilfe des Smartphones quasi in Echtzeit befragt worden, anstatt in einer Umfrage rückblickend zu berichten. Zudem wurden deren Emotionen mit einer breiten Skala und nicht nur dichotom (ja oder nein) abgefragt.
Jan Delhey, Glücksforscher und Soziologe von der Universität Magdeburg, lobt darüber hinaus in einer unabhängigen Einordnung der Studie deren detaillierte Einkommensmessung. »Die insgesamt bessere Methode könnte tatsächlich zu dem neuen Ergebnis geführt haben.« Wahrscheinlich bedeute dies, dass der abnehmende Grenznutzen später einsetze als bislang angenommen – eine Einschätzung, zu der auch Studienleiter Killingsworth kommt. Er schreibt: »Es mag zwar einen Punkt geben, jenseits dessen Geld seine Kraft zur Verbesserung des Wohlbefindens verliert, aber die aktuellen Ergebnisse legen nahe, dass dieser Punkt höher liegen könnte als bisher angenommen.«
In Deutschland würden die Ergebnisse wohl abweichen
Delhey ist indes vorsichtig, die Befunde auf Deutschland zu übertragen. So sei die Gesellschaft in den USA wesentlich wettbewerbsorientierter und materialistischer, der Erfolg eines Menschen würde stärker über seinen ökonomischen Status bewertet. Zudem habe sich die Arbeit, unabhängig von kulturellen Unterschieden, auf Erwerbstätige fokussiert, bei denen das Materielle grundsätzlich eine größere Rolle spiele.
Für Delhey werden ökonomische Variablen bei Fragen der Lebenszufriedenheit oft unterschätzt: »Studien, die den tatsächlichen Lebensstandard sowie das Vermögen und den Besitz miteinbeziehen, kommen auf einen stärkeren Einfluss materieller Faktoren.«
Das passt zu einer Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) von 2020, der zufolge Millionärinnen und Millionäre in Deutschland die größte allgemeine Lebenszufriedenheit haben. Demnach hätten sie aber weniger Spaß in ihrem Leben: Sie sind nicht zufriedener mit ihrer Freizeit als die meisten und sogar weniger zufrieden als Menschen, die wohlhabend sind.
Studien zum Zusammenhang zwischen Geld und Glück sind aber ohnehin meist nur statistische Daumenregeln. »Im Einzelfall finden wir kreuzunglückliche Hocheinkommensbezieher genauso wie Menschen mit geringerem Einkommen und hohem Wohlbefinden«, sagt Delhey.