Transparenz bei Fleischkonsum Umweltverbände fordern EU-weites Tierwohllabel

Ein staatliches Tierwohl-Gütesiegel ist in Deutschland vorerst gescheitert. Nun fordern Umweltschützer ein einheitliches Label für die ganze EU – und verweisen auf erfolgreiche Beispiele.
Zuchtsau in einem Schweinemastbetrieb

Zuchtsau in einem Schweinemastbetrieb

Foto: Axel Heimken/ dpa

Umweltschützerinnen und Umweltschützer drängen auf eine einheitliche Tierwohl-Kennzeichnung in der EU, um Kaufentscheidungen zu erleichtern. Ein solcher Schritt ermögliche mehr Transparenz für Kunden und bessere Vermarktungsmöglichkeiten für Anbieter, heißt es im aktuellen »Fleischatlas«, den unter anderem der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND) und die Heinrich-Böll-Stiftung vorgestellt haben.

Viel lernen könne man von der EU-weiten Kennzeichnung für Eier nach Haltungsform, schreiben die Autoren. Dieses Label habe bereits gezeigt, dass entsprechende Zeichen das Verbraucherverhalten in vielen Ländern beeinflussen können, betonen die Verfasser.

Bisher gibt es in der Europäischen Union (EU) einen Flickenteppich an Tierwohllogos: In den Niederlanden gibt es etwa das »Beter Leven«-Zeichen, das Fleisch mit bis zu drei Sternen auszeichnet. In Frankreich wird etwa das freiwillige »Label Rouge« für Geflügel aus tierfreundlichen Betrieben vergeben.

Supermarktkunden in Deutschland müssen weiter auf ein staatliches Logo für Fleisch und Wurst aus besserer Tierhaltung warten. Das Label war unter anderem an der Frage gescheitert, ob es verpflichtend hätte sein sollen oder nicht.

Große Supermarktketten waren 2019 vorgeprescht und hatten eine eigene einheitliche Kennzeichnung für Fleisch eingeführt. Das Logo mit der Aufschrift »Haltungsform« hat vier Stufen, die mit dem gesetzlichen Mindeststandard beginnen.

Mehr Fleisch trotz Klimaschutzplänen

Dem »Fleischatlas« zufolge wird die Fleischerzeugung bis 2029 nach Schätzungen um etwa 40 Millionen auf 366 Millionen Tonnen weltweit steigen. Das habe auch Auswirkungen auf das Klima. Den Angaben zufolge ist der Lebensmittelsektor bereits heutzutage für mindestens 21 Prozent des weltweiten Ausstoßes von Treibhausgasen verantwortlich – Tendenz steigend. Dabei will Europa bis 2050 klimaneutral werden.

Die EU-Staaten hatten sich im Herbst vergangenen Jahres für eine gesündere und nachhaltige Produktion von Lebensmitteln ausgesprochen. Dazu verabschiedeten die Landwirtschaftsminister die sogenannte Vom-Hof-auf-den-Teller-Strategie. Sie soll auch dazu beitragen, dass die EU bis 2050 klimaneutral wird.

Schon damals kritisierten die Friends of the Earth, zu denen auch der BUND gehört, die nichtbindende Strategie scharf. Auch im aktuellen »Fleischatlas« heißt es, dass weder Vom-Hof-auf-den-Teller noch die EU-Agrarpolitik konsequente Maßnahmen beinhalteten, um den kommenden Herausforderungen zu begegnen.

Für die Zukunft fordern die Umweltschützerinnen, dass Risiken und Schäden entlang der Wertschöpfungskette besser identifiziert werden sollen. Insgesamt sei es wichtig, nachhaltiges Wirtschaften zu unterstützen. So soll es etwa einen Übergangsfonds für Arbeitnehmer in der Fleischindustrie geben, damit diese einen Job in einem nachhaltigeren Wirtschaftszweig ergreifen können.

Proteste in Berlin gegen »Megaställe«

Unterdessen haben Vertreterinnen und Vertreter von Bauernverbänden sowie von Verbraucher- und Umweltorganisationen an diesem Dienstag in Berlin vor dem Bundestag gegen den Neubau »nicht tiergerechter Megaställe« protestiert. Der Betrieb solcher »Tierfabriken« widerspreche den Zielen im Tierschutz, im Klimaschutz und einer klimagerechten Ernährung, kritisierte das Aktionsbündnis »Wir haben es satt!«. Die nächste Bundesregierung müsse eine Reduktion der Tierzahlen voranbringen und gleichzeitig die Bauernhöfe erhalten.

»In Deutschland sind 50 neue Megamastanlagen mit mehr als 2,5 Millionen Tierplätzen geplant«, kritisierte Reinhild Benning von der Deutschen Umwelthilfe. Die nächste Bundesregierung müsse »noch in den ersten 100 Tagen gesetzliche Regeln für Tierschutz und Luftreinhaltung definieren, damit Bäuerinnen und Bauern in den Umbau und die Abstockung der Tierzahlen investieren können«. Um den Umbau zu finanzieren, forderten die Aktivisten auch eine Abgabe auf Fleischprodukte aus Massentierhaltung.

Der Protest richtete sich auch gegen mangelhafte Brandschutzvorrichtungen in Betrieben. So seien in der laufenden Legislaturperiode bundesweit bei 27 Bränden in Großstallanlagen über 240.000 Tiere gestorben.

Auch vonseiten der Landwirte gab es Unterstützung für die Demonstration. »Tiere gehören auf die Weide und an die frische Luft, nicht in Megaställe«, erklärte Biolandwirt Heinz-Günther Klass aus Brandenburg. »Wir brauchen jetzt einen klaren Fahrplan und finanzielle Unterstützung beim Umbau der Tierhaltung«, forderte er.

hej/dpa/AFP

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