Nach Eskalation im Fall Kavala Türkische Lira sackt auf ein Rekordtief

Nach dem diplomatischen Eklat des Wochenendes gerät die türkische Währung immer stärker unter Druck. Analysten glauben, dass sich die wirtschaftlichen Probleme verschärfen, je mehr Staatschef Erdoğan Einfluss nimmt.
Die türkische Währung im Sinkflug (Archivbild)

Die türkische Währung im Sinkflug (Archivbild)

Foto: MURAD SEZER/ REUTERS

Zehn Botschafter hat der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan im Streit über den inhaftierten türkischen Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala zu »unerwünschten Personen« erklärt. Der Eklat wirkt sich nun auch auf die türkische Währung aus. Die Lira ist am Sonntagabend im frühen asiatischen Handel zum Dollar auf ein neues Rekordtief von 9,74 Lira abgesackt – nach 9,595 Dollar am Freitagabend.

Am Wochenende hatte Präsident Recep Tayyip Erdoğan den Konflikt mit westlichen Ländern um den Menschenrechtsaktivisten Osman Kavala eskalieren lassen und unter anderem die Botschafter aus Deutschland, den USA und Frankreich zu Personae non gratae erklärt. In der Regel folgt auf diese Einstufung in der internationalen Diplomatie die Ausweisung der Botschafter. Ob dieser Schritt nun anstehe, blieb zunächst offen. In der Vergangenheit hat Erdoğan Drohungen gegen ausländische Partner wiederholt nicht wahr gemacht. Oppositionspolitiker in der Türkei sagten am Wochenende, der Präsident wolle mit den Drohgebärden nur von den wirtschaftlichen Problemen der Türkei ablenken.

Kavala seit vier Jahren ohne Verurteilung im Gefängnis

Anfang der Woche hatten die Botschafter geschlossen die Freilassung Kavalas und eine »gerechte und rasche Regelung« der Causa gefordert. Kavala ist seit vier Jahren in der Türkei inhaftiert, ohne verurteilt worden zu sein. Zunächst war er mit der Begründung festgenommen worden, die regierungskritischen Gezi-Proteste im Jahr 2013 organisiert und finanziert zu haben. Jedoch sprach in ein Gericht im Februar 2020 von diesem Vorwurf frei. Nachdem er infolgedessen nach zweieinhalb Jahren aus der Haft entlassen wurde, folgte nur wenige Stunden später die erneute Festnahme, begründet durch Spionagevorwürfe sowie einem Zusammenhang mit dem Putschversuch gegen Erdoğan im Jahr 2016.

Insider sagten nun, nach der unerwartet kräftigen Zinssenkung der türkischen Zentralbank am Donnerstag würden am Montag auch die Staatsbanken die Kreditkosten kräftig kappen. Die drei großen öffentlichen Kreditgeber Ziraat, Vakıf und Halkbank würden die Zinssätze für Unternehmens-, Privat-, Hypotheken- und andere Kredite voraussichtlich um zwei volle Prozentpunkte senken, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters.

Die Notenbank hatte den Leitzins überraschend deutlich von 18 auf 16 Prozent gesenkt. Ökonomen hatten den Schritt auch mit Blick auf die zuletzt auf 19,6 Prozent gestiegene Inflationsrate in der Türkei kritisiert. »Die Zinssenkungspolitik der Zentralbank bei steigender Inflation und einer schwächelnden Währung wird beide Probleme wahrscheinlich noch verschärfen, indem sie die Kapitalflucht weiter antreibt und Investitionen abschreckt«, hatten etwa die Analysten von Stratfor erklärt. Eine der wichtigsten Fragen von Investoren dreht sich zudem um die Unabhängigkeit der Notenbank. Erdoğan ist ein erklärter Zinsgegner und hat bereits die letzten drei Notenbank-Gouverneure aufgrund von Differenzen bei der Geldpolitik vor die Tür gesetzt. Im März hatte er Notenbankchef Naci Ağbal entlassen und durch Şahap Kavcıoğlu ersetzt – einen ehemaligen Abgeordneten von Erdoğans Regierungspartei AKP.

tfb/Reuters
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