Umstrittenes Enzym
Industrie muss auf Klebefleisch verzichten
Essen aus der Ekelküche: Wer Fleischreste mit einem Schweineblut-Enzym versetzt, kann sogenannten Klebeschinken herstellen. Die EU wollte das Verfahren zulassen, doch das Europaparlament durchkreuzt die Pläne der Lebensmittelindustrie - es legte mit denkbar knapper Mehrheit sein Veto ein.
Schinkenstückchen, als Lachsschinken deklarierte Scheibe: Mehrheit gegen Klebefleisch
Foto: Julian Stratenschulte/ dpa
Straßburg - "Unappetitlich, gesundheitlich nicht unbedenklich, eine klare Täuschung der Verbraucher": Die SPD-Europaabgeordnete Dagmar Roth-Behrendt wird beim Thema Klebefleisch deutlich. Ihr Groll und der vieler Kollegen richtet sich gegen ein aus Schweineblut gewonnenes Enzym - Thrombin.
Dieses kann zum Zusammenkleben kleiner Fleisch- und Schinkenteile verwendet werden und sollte ursprünglich bald für die Fleischproduktion freigegeben werden. Jetzt hat das Europaparlament seine Zulassung gestoppt - wegen möglicher Irreführung der Verbraucher. Ein aus Fleischresten zusammengeklebter Schinken soll nicht als hochwertiger Vollschinken verkauft werden dürfen, Thrombin darf nicht als Lebensmittelzusatzstoff eingesetzt werden.
Mit knapper Mehrheit kippten vor allem Sozialdemokraten und Grüne den Antrag der EU-Kommission, Thrombin als Lebensmittelzusatzstoff zuzulassen. Für das Veto waren 369 Ja-Stimmen nötig, die Fleischkleber-Gegner bekamen 370 zusammen. Die Kommission muss nun einen neuen Entwurf vorlegen.
EU-Gesundheitskommissar John Dalli hatte noch vor der Abstimmung für eine Zustimmung der Parlamentarier geworben. Es sei gesundheitlich unbedenklich, sagte er.
Die europäischen Konservativen und Liberalen wollten lediglich eine Kennzeichnungspflicht für Fleischkleber. "Metzger stellen mit den gleichen Zutaten seit Jahrhunderten Blut- und Leberwurst her", sagte Holger Krahmer, der umweltpolitische Sprecher der FDP. Beim Klebeschicken gehe es um Geschmacksfragen, "die nicht von Politikern, sondern an der Ladentheke entschieden werden" sollten.
Foodwatch sieht noch andere Methoden
Eine Expertin des Gesundheitsausschusses bestätigte, dass Thrombin und ähnliche Stoffe bereits bei der Herstellung von Lebensmitteln, etwa Wurstwaren, eingesetzt werden - allerdings als technische Hilfsmittel, nicht als Lebensmittelzusatzstoffe. Der Stoff wird auch in Deutschland in Wurstwaren als Hilfsmittel verwendet. Es ist hierzulande aber verboten, zusammengeklebte kleine Fleischreste als vollwertigen Schinken zu bezeichnen.
Die sozialistische Fraktion will nach Angaben einer Sprecherin nun erreichen, dass die EU-Kommission auch die technischen Hilfsmittel der Lebensmittelindustrie prüft. Derzeit gebe es da einige "rechtliche Lücken", die noch zu schließen seien. Die Verbraucherorganisation Foodwatch befürchtet, dass Klebefleisch trotz des Parlamentsvetos nicht vom Tisch ist. "Andere Substanzen machen diese Praxis weiter möglich", sagte Vizegeschäftsführer Matthias Wolfschmidt. Er forderte von Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU), sich für ein EU-weites Verbot von Imitatschinken einzusetzen.
Der Deutsche Bauernverband appellierte an die Schinkenhersteller, sich zum Original zu bekennen und von den Imitatprodukten zu lassen.