
Vorsorge-Atlas Riester-Sparer schenken dem Staat 1,3 Milliarden Euro
Hamburg - Millionen Deutsche vertrauen der Riester-Rente. Allein im dritten Quartal dieses Jahres stieg die Anzahl der Verträge um rund 200.000 auf fast 15 Millionen. Mit der privaten Vorsorge sollen Arbeitnehmer die Einbußen ausgleichen, die langfristig durch die Absenkung des Niveaus der gesetzlichen Rente entstehen.
Allerdings verschenken noch immer viele Riester-Sparer Geld, weil sie die staatliche Förderung nicht beantragen. Für das Jahr 2008 traf das auf mehr als 23 Prozent der Verträge zu. Weitere 15 Prozent der Berechtigten erhielten nicht die maximale Förderung, weil sie selbst nicht genug in ihren Vertrag einzahlten. Nur wer mindestens vier Prozent seines Bruttoeinkommens beisteuert, bekommt den maximalen staatlichen Anteil. Insgesamt verzichteten die Deutschen auf 1,3 Milliarden Euro an potentiellen Zulagen.
Diese Zahlen gehen aus dem aktuellen Vorsorgeatlas hervor, den die Forscher Bernd Raffelhüschen und Jörg Schoder im Auftrag von Union Investment erstellt haben. Dafür wurden unter anderem Daten der Riester-Kunden der Investmentgesellschaft ausgewertet. Diese zeigen auch: Besonders häufig versäumen Ostdeutsche, Männer und junge Versicherte, ihren Antrag zu stellen. (Weitere Ergebnisse siehe Fotostrecke oben. Den kompletten Vorsorgeatlas finden Sie hier im PDF-Format.)
60 Prozent seines letzten Brutto sollte ein Rentner erreichen
In der Regel machen Arbeitnehmer nichts falsch, wenn sie einen Riester-Vertrag abschließen. Schließlich sind die staatlichen Zulagen hoch. Allerdings löst die Zusatzversorgung nur einen Teil des größeren Problems. Vielen Menschen wird im Alter Geld fehlen, um es sich mindestens weiter so gut gehen zu lassen wie im Arbeitsleben. Um seinen Lebensstandard als Rentner zu halten, benötigt ein Erwerbstätiger nach Ansicht der Forscher mindestens 60 Prozent seines letzten Bruttoeinkommens. Mit anderen Worten: Wer zuletzt 4000 Euro pro Monat verdient hat, sollte 2400 Euro monatlich haben.
Um auf diesen hohen Betrag zu kommen, gibt es drei sogenannte Vorsorgewege:
- die gesetzliche Rente,
- die kapitalgedeckte Zusatzversorgung (z.B. Riester-Rente, betriebliche Altersvorsorge) und
- sonstige Ersparnisse (u.a. Investmentfonds, private Rentenversicherung, Spareinlagen)
Historisch betrachtet konnte ein Rentner, der immer den Durchschnittsverdienst aller Arbeitnehmer erzielt hat, rund 50 Prozent seines letzten Bruttogehalts über die gesetzliche Rente abdecken. Allerdings wird dieses Niveau durch diverse Reformen in den kommenden 20 Jahren auf rund 45 Prozent abgesenkt. Die so entstehende Rentenlücke soll eigentlich durch die Riester-Rente geschlossen werden.
Raffelhüschen warnt jedoch: Seine Berechnungen zeigten, dass gerade jene Deutsche, die Pflichtmitglieder in der gesetzlichen Rentenversicherung sind, durch diese durchschnittlich nur rund 35 Prozent ihres letzten Bruttoeinkommens abdecken könnten - also deutlich weniger, als von der Politik vorhergesagt werde. Um auf die besagten 50 Prozent zu kommen, müssten Arbeitnehmer folglich stolze 15 Prozent über die kapitalgedeckte Zusatzversorgung auffangen.
Auch Riester-Sparer decken nur ein Drittel ihrer Rentenlücke ab
Dafür ist die Riester-Rente allerdings nicht gemacht. Zwar stellen die Autoren des Vorsorgeatlas fest, dass die Riester-Rente ein bisschen hilft - mit der Kombination aus gesetzlicher Rente und ihr kommt man im Durchschnitt 40 Prozent des letzten Bruttoeinkommens. Bedenkt man jedoch, dass 60 Prozent nötig sind, um den Lebensstandard zu halten, ist auch mit einem Riester-Vertrag die Rentenlücke noch groß.
Allerdings haben die Autoren nur jene Erwerbstätige für ihre Berechnung berücksichtigt, die eine Riester-Rente abschließen können. Das sind vor allem die Pflichtmitglieder in der gesetzlichen Rentenversicherung. Wer etwa als Selbständiger freiwillig in der gesetzlichen Rentenversicherung ist, hat keinen Anspruch auf die staatlich geförderte Riester-Rente - und floss also in die Berechnung gar nicht ein. Berücksichtigt man auch diesen Personenkreis, ergibt sich laut Raffelhüschen statt einer durchschnittlichen Rentenlücke von 41 nur noch eine von 35 Prozent.
Dass viele Deutsche überschätzen, wie viel Geld sie im Alter zur Verfügung haben, ist offensichtlich - unabhängig von der Methodik der Forscher. Zumindest der Auftraggeber der Studie dürfte sich über die neue Art der Berechnung freuen. Union Investment bezeichnet sich selbst als "Marktführer" bei den Riester-Verträgen. Und je dramatischer die Warnungen vor der Versorgungslücke in der Zukunft ausfallen, desto besser könnte das für das Geschäft in der Gegenwart sein.