Warteschleife Fahrkarten kaufen - ein Kinderspiel

Familie am Bahnhof: Die Bahn liebt Kinder. Nur nicht online.
Foto: dapdWährend ich am Schalter Schlange stehe, kann ich innerbetriebliche Ausbildung bei der Deutschen Bahn aus nächster Nähe erleben. Ein graumelierter Bundesbahner erläutert zwei vielleicht 17-jährigen Azubis, wie man einen bestimmten Zusatztarif in das System einbucht. Ich verstehe nur Bahnhof, aber ich bin auch nicht vom Fach. Den beiden Mädchen in der viel zu weiten Eisenbahnerkluft scheint es jedoch ähnlich zu gehen: Sie schauen ihren Ausbilder an wie Rehkitze, die in die aufgeblendeten Scheinwerfer eines 40-Tonners geraten sind.
Immer wieder hört man, das Tarifsystem der Bahn sei ein klitzekleines bisschen undurchsichtig. Mir hat es bislang keinerlei Probleme bereitet. Ich buche meine Fahrkarten normalerweise online bei www.bahn.de, und stets spuckte der Computer irgendeinen Preis aus, den ich dann brav gezahlt habe.
Kinder verkomplizieren einfach alles
Neulich wollten wir über die Feiertage jedoch mit dem Nachwuchs die Verwandten besuchen. Außerdem will meine Schwägerin ihren präpubertierenden Sohn Boris für einige Tage nach Frankfurt zur Oma auslagern. Deshalb muss ich mich mit folgender Frage beschäftigen: Was kostet eigentlich eine Kinderfahrkarte?
Dazu konsultiere ich wie gewohnt die Webseite der Bahn. Zunächst die gute Nachricht: Die Bahn liebt Kinder!
"Nur einmal 10 Euro Bearbeitungsgebühr zahlen und ab 6 bis einschließlich 18 Jahren alle Vorteile der Jugend BahnCard 25 mitnehmen! Damit sparen junge Reisende immer 25% auf den Normalpreis und die Sparangebote des Fernverkehrs."
Ein super Angebot - kinderfreundlicher geht es kaum, oder?
Nun ja: Die Bahn könnte Kinder umsonst mitnehmen. Fairerweise muss man jedoch sagen, dass dies eine überzogene Anspruchshaltung wäre. Auch die Bahn muss ja schließlich Geld...
"Ob mit Papa, Mama, Opa oder Oma - in ihrer Begleitung fahren Kinder unter 15 Jahren kostenlos mit!"
Ach so. Aber wozu brauchen Kinder dann diese Jugend BahnCard mit 25 Prozent Rabatt? Wenn sie doch ohnehin für um...
"Für Kinder, die alleine reisen, ist eine separate Buchung notwendig."
Gut, dann machen die 25 Prozent Rabatt zumindest manchmal Sinn. Weil alleine reisende Kinder ansonsten ja den vollen Preis ...
"Und falls Ihre Kinder mal allein unterwegs sind, erhalten sie 50% Rabatt."
Marketing für Dreijährige
Ich bemerke einen Anflug von Migräne, deshalb bitte ganz langsam jetzt: Kinder fahren alleine für die Hälfte (wenn sie nicht mit der Familie umsonst fahren), zahlen also, wenn sie zusätzlich eine Jugend Bahncard 25 besitzen, äh, wieviel?
Das Twitter-Team der Bahn muss helfen :
@ DB_Bahn Tariffrage: Wieviel Prozent Ermäßigung auf den regulären Fahrpreis erhält ein Zwölfjähriger mit einer Jugendbahncard?
@ koenigistkunde: Mit der Jugend-BahnCard wird ein Rabatt i. H. v. 25 Prozent auf den Normal- bzw. Sparpreis gewährt.
Wenn meine Schwägerin ihren Boris alleine nach Frankfurt schickt, sollte sie ihm also keine Jugend Bahncard 25 kaufen - weil dann der Kinderrabatt von 50 Prozent auf 25 Prozent sinkt? Oder wie?
Ich schlucke eine Ibuprofen 400 und frage noch einmal nach:
@ DB_Bahn: Aber laut Ihrer Webseite bekommt der Jugendliche doch ohnehin 50 Prozent Rabatt auf den Normalpreis, oder? Geht das dann on top?
@ koenigistkunde: Genau. Von dem ermäßigten Kindertarif werden noch die 25 Prozent abgezogen.
Ach so! Aber warum offeriert die Bahn kleinen Konsumenten und deren Eltern ein Produkt, dass die meisten erst ab hrem 15. Geburtstag benötigen?* Aber egal. Zumindest kann ich nun im Internet schon einmal die Fahrkarte für Boris...
"Die Buchung eines Online-Tickets für Kinder ohne Begleitung ist nicht möglich."
Internetbuchung geht bei der Bahn erst ab 14. Um diese Erkenntnis reicher bin ich zum Bahnhof getigert und habe mich in die Schlange vor dem graumelierten Schalterbeamten eingereiht.
*Wenn Sie diesen Satz jetzt nicht verstanden haben, dann drucken Sie die Kolumne bitte aus, nehmen Sie sich einen Textmarker und arbeiten Sie die wesentlichen Elemente des Bahn-Tarifsystems heraus. Formulieren Sie das Ergebnis in einem zweiseitigen Essay. Ist ja nicht einzusehen, warum Sie es einfacher haben sollten als ich.
Hatten auch Sie ein besonderes Serviceerlebnis? Dann schreiben Sie an warteschleife@spiegel.de .