Preis für Edelmetall Vorsicht vor den Goldbullen

Wenn es um Gold geht, verlieren Investoren jede Gelassenheit. Sie kritisieren die Edelmetall-Pessimisten, stricken an Verschwörungstheorien. Aber haben sie auch recht? Eine Warnung an übertriebene Erwartungen.
Von Christian Kirchner
Goldbarren: Keine schlechte Anlage, aber es gibt bessere

Goldbarren: Keine schlechte Anlage, aber es gibt bessere

Foto: Andreas Gebert/ dpa

Der 11. August 2011 war der Tag, an dem man hätte ahnen können, dass es mit dem Goldpreis bald abwärts geht. In London tobten Krawalle, die Aktienmärkte taumelten, die Euro-Krise eskalierte. Einzig der Goldpreis stieg und stieg. Wie seit zehn Jahren schon.

An jenem Augusttag kam Gold auf der Titelseite von Deutschlands größter Tageszeitung "Bild" an. Und zwar auf der kompletten, von oben bis unten: Goldbarren, von denen das Blatt 100 verloste, denn Gold sei "krisensicher" und "besser als Bargeld".

Da war er - der Titelseitenindikator. Dieses Marktphänomen besagt, dass ein Trend sich seinem Ende nähert, wenn er auf den Titelseiten von Massenmedien bejubelt wird. Er funktionierte Ende der siebziger Jahre, als Anleger schon einmal Gold und Silber stürmten. Er funktionierte im Jahr 2000, als die Aktieneuphorie keine Grenzen kannte.

Und er sollte auch 2011 wieder funktionieren: Gerade einmal elf Tage nach der vergoldeten Titelseite erreichte der Goldpreis im September 2011 sein bisheriges Rekordhoch. Seitdem fiel der Preis um knapp ein Fünftel auf zuletzt 1575 Dollar je Feinunze.

Wie geht es nun weiter? Um diese Frage zu beantworten, muss man zunächst das Grundrauschen ausblenden, das bei Gold eher ein Grunddröhnen ist. Denn die Methode vieler Optimisten besteht ja darin, Gold mythisch zu überhöhen, ständige Knappheit zu suggerieren und sich an Krisen aller Art zu laben. Zu gerne beschimpfen Goldbullen auch goldkritische Analysten und verbreiten tollkühne Thesen - wie zum Beispiel diese: Notenbanken, Geschäftsbanken und Mainstream-Medien seien Teil einer Goldverschwörung, in der der Goldpreis bewusst gedrückt werde, damit keine Verunsicherung entstehe.

Nun haben die Optimisten die Kursentwicklung der vergangenen Jahre auf ihrer Seite - wie auch die Intuition vieler Anleger, dass die Gelddruck-Orgien der Notenbanken nicht folgenlos bleiben werden. Doch dreht man dieses Grunddröhnen herunter, verstummt so manches Argument - und zwar sowohl von Goldoptimisten als auch Goldpessimisten, die der Goldpreisrallye verärgert hinterher sehen. Ein kurzer, nüchterner Faktencheck:

  • "Gold ist ein guter Inflationsschutz": Stimmt.

  • "Ufert die Inflation aus, locken bei Gold hohe Gewinne": Falsch. Gold erhält bei einer sehr hohen Inflation und bei Währungsschnitten das Vermögen - mehr aber auch nicht. In Zeiten hoher Inflation betrug die reale (also inflationsbereinigte) Verzinsung von Gold in den vergangenen 120 Jahren sogar etwas weniger als null Prozent pro Jahr - und zwar über alle großen Währungsräume hinweg. Die höchsten realen Erträge erzielte Gold hingegen in Phasen einer schlimmen Deflation, also bei stark sinkenden Preisen.

  • "Gold bringt keine Zinsen": Stimmt.

  • "Gold ist kein Rohstoff, sondern eine Vertrauenswährung": Falsch. Gold ist ein Rohstoff wie jeder andere, dessen Preisbildung den Regeln von Angebot und Nachfrage folgt. Das Argument mit dem Währungsersatz kommt dennoch gut an bei Optimisten, weil die industrielle Nachfrage nach Gold seit Jahren stark sinkt. An Stelle der Industrie sind Notenbanken und Privatanleger getreten, die die sinkende Nachfrage derzeit mehr als wettmachen.
  • "Alles je geförderte Gold der Welt passt in einen Würfel von nur 20 Meter Kantenlänge": Ein verblüffendes Bild, das stimmt - und nahe legt, dass sich bei einer echten Spekulationswelle viele Menschen um sehr wenig Gold schlagen können. Was indes Optimisten gerne verschweigen: Jedes Jahr kommen weitere knapp 3000 Tonnen Gold aus der Erde. Höhere Preise machen zudem auch immer mehr Lagerstätten attraktiv.

Was heißt all dies nun für die kurzfristige Entwicklung? Der jüngste Fall des Goldpreises seit Herbst ist jedenfalls leicht zu erklären: Über weite Strecken der vergangenen Jahre lag die Verzinsung von als sicher geltenden Staatsanleihen unterhalb der Teuerungsrate. In diesem Fall ist Gold, wie die "Bild" 2011 schrieb, tatsächlich besser als Bargeld - und auch besser als Staatsanleihen, denn Gold verspricht ja zumindest einen realen Erhalt der Kaufkraft.

Nun aber bröckelt der Goldpreis ab - und zugleich geht die Teuerung zurück: Zuletzt blieb sie in den USA wie Deutschland klar unter zwei Prozent bei zugleich sogar leicht steigenden Anleihenrenditen. Von der Höhe der Realzinsen für solche sicheren Anleihen dürfte die kurzfristig Goldpreisentwicklung abhängen - steigen sie, fällt Gold und umgekehrt.

Und langfristig? Brauchen Goldoptimisten gute Nerven. Denn auf sehr lange Sicht betrachtet beträgt der reale Ertrag von Gold rund ein Prozent pro Jahr - unter sehr starken zwischenzeitlichen Schwankungen. Mal galoppiert der Goldpreis dieser Marke davon, mal bleibt er jahrzehntelang hinter ihr zurück. Derzeit ist er davongaloppiert und hat einen deutlichen Anstieg der Inflation bereits eingepreist.

So beträgt der inflationsbereinigte Ertrag mit einer Goldanlage über die letzten 40 Jahre rund 3,5 Prozent pro Jahr, über die letzten 30 Jahre rund 1,5 Prozent pro Jahr, über die letzten 20 Jahre rund 6,0 Prozent und über die letzten zehn Jahre sogar 14 Prozent pro Jahr.

Das spricht nicht gegen eine Beimischung von Gold im Depot. Es spricht aber für gedämpfte Erwartungen - und etwas mehr Sachlichkeit im Grunddröhnen der Goldbullen.

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