Anlegemanöver Affe schlägt Index

Aktienhändler: Tipps der Profis führen oft schlechteren Ergebnissen als eine Zufallsauswahl
Foto: Boris Roessler/ dpaVielleicht kennen auch Sie die Geschichte von dem Affen, der mit dem Werfen von Dartpfeilen auf den Kursteil des "Wall Street Journal" besser abgeschnitten haben soll als Anlageprofis. Die klingt gut und hat auch einen akademischen Hintergrund: Verfechter der Theorie effizienter Märkte wie der US-Finanzprofessor Burton Malkiel behaupten schon seit den siebziger Jahren, selbst mit verbundenen Augen könnten Affen besser Portfolios zusammenbauen als die Profis an der Börse.
Die ursprüngliche Geschichte hat nur, wie so manche urbane Legende, einen kleinen Haken: Sie stimmt nicht. Statt Affen warfen die Redakteure des "Wall Street Journals" ab dem Jahr 1988 regelmäßig Dartpfeile auf ihren Kursteil - ein Affe schien, ob mit verbundenen Augen oder nicht, zu gefährlich. Und von den ersten 100 Vergleichen zwischen pfeilwerfenden Redakteuren und Investmentprofis hatten die Profis 61-mal die Nase vorne, Bruder Zufall hingegen nur 39-mal.
Was aber würde passieren, wenn man nicht einen Affen oder einen Redakteur, sondern, um statistisch auf sicherem Terrain zu sein, ein Heer von 10 Millionen Affen (oder beliebigen anderen Tieren) jedes Jahr zufällig US-Aktien auswählen lassen würde? Dieser Frage gingen die Forscher der Cass Business School in London nach.
Ihre jetzt veröffentlichten Ergebnisse sind eine Blamage für gut bezahlte Aktienfondsmanager. Der Hirnschmalz der Profis führt zu schlechteren Ergebnissen als eine blanke Zufallsauswahl. Interessant ist aber noch ein anderer Aspekt: Die Zufallsauswahl schlägt auch Indexfonds, in denen die Auswahl der Aktien ausschließlich der Statistik überlassen wird.
Für ihre Studie haben sich die britischen Forscher die je 1000 größten US-Aktien ab 1968 angesehen. Aus ihnen bildeten sie einen Aktienindex, der sich - wie der DAX auch - an der Marktkapitalisierung der einzelnen Werte orientiert. Sprich: je höher der Börsenwert, desto größer auch das Gewicht im Index. Zwischen 1968 und 2011 brachte dieser Index eine Rendite von im Schnitt 9,4 Prozent pro Jahr ein, aus einem anfänglichen Investment von 1000 US-Dollar wären im Schnitt rund 48.000 US-Dollar geworden.
Affen hätten unter dem Strich fast immer besser abgeschnitten als der Index
Nun simulierten die Forscher, wie Affen abgeschnitten hätten: Sie unterstellten dazu, dass zehn Millionen Affen in jedem Jahr ab 1968 mit jeweils 1000 Würfen ein Portfolio aus den größten US-Aktien ermittelt hätten und untersuchten die Renditen, die jeder Affe langfristig erzielt hätte.
Die virtuelle Affenhorde, also die Zufallsauswahl, war unter dem Strich fast immer besser als der Index - in den meisten Fällen sogar viel besser. Statt auf rund 48.000 Dollar wie mit dem Index, kam mehr als die Hälfte der zehn Millionen Affen auf 87.000 Dollar oder mehr. Ein Viertel der Affen erwirtschaftete sogar mehr als 91.000 Dollar, zehn Prozent sogar mehr 95.000 Dollar.
Wie passt das zusammen? Für das Ergebnis des allerersten Experiments des "Wall Street Journals" gibt es eine einfache Erklärung: Die Tipps der Anlageprofis fanden seinerzeit - anders als die Zufallsauswahl der Redaktion - Nachahmer unter den Lesern, die die Titel nachkauften, deren Kurse trieben und so den Vergleich verzerrten.
Doch wieso ist der blanke Zufall den meist hochbezahlten Fondsmanagern ebenso überlegen wie einem nach statistischen Kriterien zusammengestellten Indexfonds? Dafür gibt es zwei Gründe:
Der erste: Die Gebühren. Nur wenige Aktienfondsmanager erwirtschaften jene ein bis zwei Prozent pro Jahr, die sie für ihre Tätigkeit verlangen, als Mehrrendite gegenüber einem Vergleichsindex. Das liegt auch daran, dass sie mit ihrer eigenen häufig recht nah am Index liegen.
Der zweite hängt mit dem Herdentrieb zusammen: Die Gewichtung der meisten Aktienindizes folgt der Logik, dass Aktien umso höher gewichtet werden, je besser sie gelaufen sind - derzeit sind im DAX etwa Titel wie SAP , BASF und Bayer die Schwergewichte mit je acht bis zehn Prozent Indexgewicht. Damit sind sie für den DAX drei bis viermal bedeutsamer als die einstigen Riesen E.on, RWE oder der Münchener Rück.
Wer dem DAX eins zu eins (wie ein Indexfonds) oder sehr eng (wie die meisten aktiven Manager) folgt, kauft somit stets anteilig mehr von besonders gut gelaufenen Titeln und wenig von schlecht gelaufenen - im Unterschied zu den Affen, die sich vollständig auf den Zufall verlassen. Die Erfolgsaussichten einer derartigen prozyklischen Strategie sind unter Experten umstritten. Die Riege der Skeptiker wird durch das Experiment der Cass Business School bestärkt.
Sind Indexfonds also schlecht? Mitnichten. Anleger sollten sich nicht irritieren lassen: Ein affenartiges, also vollkommen zufällig gewürfeltes Aktienportfolio ist für die meisten weder praktisch noch nervlich darstellbar. Halten sich Anleger an Indexfonds großer und bekannter Börsenindizes, ist die Wahrscheinlichkeit zwar hoch, imaginären Affen unterlegen zu sein. Aber immerhin gibt es trotzdem gute Chancen, besser Abzuschneiden als das Gros der Investmentprofis.