Weltkrise privat Merkel 2.0 oder Windows 7?

Dieser Tage gehen zwei neue Betriebssysteme an den Start - Merkel 2.0 und Microsofts Windows 7. Der Vergleich zeigt: Wer Weinköniginnen am Geschmack erkennen kann, ist prädestiniert für das Weiter-so-Gewurschtel, Systemabstürze inklusive.
Die Bundeskanzlerin auf der Cebit 2009: Welches System ist effizienter?

Die Bundeskanzlerin auf der Cebit 2009: Welches System ist effizienter?

Foto: Peter Steffen/ picture-alliance/ dpa

Hamburg - Vergangene Woche wurde Windows 7 veröffentlicht, dieser Tage geht die schwarz-gelbe Bundesregierung an den Start. Zwei neue Betriebssysteme in so kurzer Zeit - das kann kein Zufall sein. Bei beiden ist die Rettung der Welt nicht Programm, sondern wird allenfalls billigend in Kauf genommen. Beide sehen bereits in der Basisversion keine Systemabstürze mehr vor, kombinieren aber nach Meinung von Fachleuten Altbewährtes mit überraschenden Gimmicks und sind mit den teils erfolglosen Vorläufern voll kompatibel. Und bei beiden wurde schon im Stadium der Entwicklung definiert: Ein Weiter-so reicht nicht mehr.

Die Koalitionsspitzen haben deshalb frühzeitig ein Viel-weiter-so 2.0 vorbereiten lassen. Schon weil das moderner klingt. Karl-Theodor zu Guttenberg verfügt nach wie vor über die User-freundlichste Benutzeroberfläche. Als neuer Verteidigungsminister ist er aufs Akzentesetzen programmiert. Er kann ohne zusätzliche Downloads die Bundeswehr privatisieren und Afghanistan einer geordneten Insolvenz zuführen. Das schafft Windows 7 nicht mal mit kostspieligen Upgrades.

Textbausteine von Aristoteles bis Frank Zappa

Obendrein führt Guttenberg künftig automatisch einen Pressekonferenz-Checkup täglich durch, wahlweise zur Situation in der CSU, im Hinterland von Kunduz oder auf dem Kampfpanzermarkt - was letztlich alles aufs Gleiche rausläuft und von ihm mit Textbausteinen von Aristoteles bis Frank Zappa dekoriert wird. Die Systemunterschiede zeigen sich in den Unterprogrammen, die bei Windows 7 nicht weiter auffallen.

Anders verhält es sich mit der Installation der neuen Berliner Sub-Routine Rainer Brüderle. Kaum hat das 64-jährige FDP-Jungtalent ein paar Jahrzehnte gewartet, ist es Bundeswirtschaftsminister. Seine Gegner sagen, er war einfach mal dran. Seine Freunde sagen, er war einfach mal dran. Die Brüderle-Application (kurz: Bapp) kann alle pfälzischen Weinlagen und -königinnen am Geschmack erkennen. Im Fall der Quelle-Pleite darf Bapp noch einige Wochen traurig grunzen, dass die ja von der Vorgängerregierung verbockt wurde. Bapp muss überdies schnell eine eigene Meinung zu Opel entwickeln. Ansonsten hat Brüderle mit seinem kleinen Arbeitsspeicher keinerlei Nutzen, macht aber auch nichts kaputt.

Regierung wie Wähler hoffen, dass er zur Abwechslung einfach mal versucht, in Würde zu altern.

Profi-Paket Merkel 2.01

Apropos: Pflege, Gesundheit und Kabinettsoptik dirigiert im Profi-Paket Merkel 2.01 Philipp Rösler, eine vergleichsweise junge FDP-Innovation, die sich bisher wie andere neue und alte System-Bestandteile (Schavan, Jung, Pofalla etc.) nie im Volllastbetrieb beweisen musste. Systemrelevanz hat nur Wolfgang Schäuble, dem nun allerdings das gesamte Back Office inklusive Schuldenverwaltung aufgebürdet wurde. Möglich, dass er deshalb noch auf Standards aus seiner Zeit als Innenminister zurückgreift und versucht, die Bundeswehr im Frankfurter Finanzviertel einmarschieren oder vermeintliche Trojaner im Kabinett erschießen zu lassen. Aber das sind Kinderkrankheiten.

Familienministerin bleibt Ursula von der Leyen, weil sie die einzige ist, deren Vornamen man zu "Zensursula" verballhornen kann. Diesen Sprachwitz finden jüngere online-affine Menschen angeblich sehr lustig.

Fazit im Systemvergleich: Der Koalitionsvertrag ist mit 124 Seiten deutlich schlanker als das Windows-7-Handbuch. Dafür hat sich Microsoft bei der Programmierung wirklich etwas gedacht und macht Neustarts jederzeit möglich.

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