EU-Verordnung Kampf um die Saat

Die EU-Kommission will den Einsatz von Saatgut einheitlich regeln. Ein Gesetzentwurf stößt auf harsche Kritik bei Kleinzüchtern und Umweltschützern. Auch Hobbygärtner fürchteten die Brüsseler Offensive, doch nun sollen sie verschont werden.
Maisernte in Niedersachsen: EU-Kommission will Saatgutverordnung

Maisernte in Niedersachsen: EU-Kommission will Saatgutverordnung

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Holger Hollemann/ dpa

Hamburg - Kleingärtner gelten gemeinhin als Freunde von Beschaulichkeit und Ordnung, weniger als Kämpfer gegen die Obrigkeit. Doch mit der Ruhe war es in vielen Vereinen vor kurzem vorbei. Denn eine Nachricht machte die Runde: Auch Kleingärtner dürften künftig nur noch amtlich zugelassenes Saatgut verwenden, Privatleute selbst gezüchtetes Saatgut nicht einmal mehr verschenken. Die Aufregung war groß, in zahlreichen Vereinen wurden Unterschriften gegen die Pläne gesammelt.

Der Unmut der Kleingärtner richtete sich gegen die EU-Kommission. Sie will die Registrierung von Saatgut neu regeln. Ein Vorschlag aus dem Haus von Verbraucherkommissar Tonio Borg, der Ende 2012 bekannt wurde, las sich tatsächlich so, als würden selbst Hobbygärtner in Zukunft kein selbst erzeugtes Saatgut benutzen dürfen - sondern ausschließlich zertifizierte Produkte, die zum großen Teil von Konzernen wie Monsanto oder Bayer Crop Sciences angeboten werden. Die Anmeldung von Saatgut ist kompliziert und kostspielig - für Hobbygärtner keine Option. Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) warnte im "Handelsblatt": "Es darf nicht soweit kommen, dass Privatgärtner für ein paar Samenkörnchen eine amtliche Zulassung vorzulegen haben."

Am Montag hat Kommissar Borg nun den mit Spannung erwarteten endgültigen Entwurf vorgelegt (hier als PDF-Dokument, englisch ), und der Druck hat offenbar gewirkt: Einschränkungen für Hobbygärtner seien vom Tisch, betonte die Kommission. Auch kleine Zuchtbetriebe mit bis zu zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz bis zu zwei Millionen Euro müssten ihre Produkte demnach nicht mehr registrieren lassen.

Die EU-Kommission will die Hürden angeblich senken, nicht erhöhen

Dennoch trommeln Kleinzüchter, zahlreiche Umweltverbände und Initiativen wie Save our Seeds weiter gegen den Entwurf der EU-Kommission. Alte traditionelle Obst-, Gemüse- und Getreidesorten, ja die Artenvielfalt generell seien gefährdet, an ihre Stelle könnte das Einheitssaatgut der Großindustrie treten, warnen sie. Zudem sei unklar, ob Landwirte - wie bislang - weiterhin ihr eigenes Saatgut produzieren dürften oder nicht.

Schon bisher gilt: Damit Saatgut in Europa verkauft werden kann, muss es grundsätzlich registriert werden. Die Regelungen dazu hat die EU in zwölf Richtlinien festgelegt, diese müssen jeweils von den Mitgliedstaaten in nationales Recht gegossen werden. Zuständig für die Registrierung sind ebenfalls nationale Stellen, in Deutschland etwa das Bundessortenamt. Die Richtlinien wurden dabei je nach Land unterschiedlich ausgelegt. Erhielt eine Sorte jedoch in einem Land die Zulassung, galt diese für die gesamte EU - ein Umstand, der entscheidend bei der Rettung der beliebten Kartoffelsorte Linda half.

Doch die Regelungen sollten einfacher werden, sagte ein Sprecher der EU-Kommission - das sei der Hauptgrund für die geplante Verordnung. Im Gegensatz zu einer Richtlinie muss eine EU-Verordnung nämlich nicht in nationales Recht umgesetzt werden, sondern gilt unmittelbar und für die gesamte EU einheitlich. Für alte oder sogenannte Nischensorten - die zum Beispiel nur regional angebaut werden - soll es leichter werden: Eine gröbere Beschreibung sei bei ihnen möglich, Tests wären nicht mehr vorgeschrieben. Bisherige Auflagen, wonach Nischensorten nur in bestimmten Regionen und Mengen verkauft werden dürfen, fielen weg. "Wir schlagen nicht vor, die Hürden zu erhöhen, sondern sie zu senken", beteuerte Verbraucherkommissar Borg nun.

"Ein Schlag ins Gesicht"

Im deutschen Verbraucherministerium gibt man sich trotz dieses Versprechens skeptisch. "Das ist die von der Kommission selbst definierte Messlatte, an der wir die endgültige Verordnung bewerten werden", sagte ein Sprecher. Man werde den Entwurf nun genau prüfen und darauf achten, dass traditionelle Sorten und die Artenvielfalt geschützt würden.

Auch der Grünen-Europaabgeordnete Martin Häusling ist vom Kommissionsentwurf nicht überzeugt. Gerade kleine oder mittelständische innovative Saatgutbetriebe, die etwa den Bio-Markt beliefern, würden durch ihn benachteiligt. Für sie werde das EU-Zulassungsverfahren zu teuer, im Gegensatz zu den Großkonzernen. Die nützten das Saatgut zudem oft strategisch als Einstiegsprodukt: Oft böten sie speziell auf das Saatgut abgestimmte Biochemie, etwa Pestizide, an. Die Landwirte seien dann von der Produktpalette des Herstellers abhängig. Der Entwurf der EU-Kommission sei "ein Schlag ins Gesicht all jener Züchter, die sich seit Jahren um mehr Artenvielfalt im Acker-, Obst- und Gemüseanbau kümmern", sagt Häusling. Im EU-Parlament gebe es quer durch die Fraktionen und Staaten Bedenken gegen den Entwurf.

In der Tat hat das Gerangel um die EU-Saatgutverordnung gerade erst so richtig begonnen. Denn auch das Europaparlament muss noch zustimmen, ebenso eine qualifizierte Mehrheit der EU-Mitgliedsländer. Bis sich die drei Seiten einigen, können noch Jahre vergehen. "Nach der emotional geführten Debatte weiß die Kommission, dass sie diese Verordnung nicht übers Knie brechen kann", hieß es aus deutschen Regierungskreisen. Und Grünen-Abgeordneter Häusling stellt fest: "Kein Gesetz verlässt das Parlament so, wie es hineingekommen ist."

Mit Material von dpa und AFP
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