Young Money Blog Was Anleger aus dem Wirecard-Debakel lernen sollten

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Der Kurssturz der Wirecard-Aktie ist ohne Beispiel in der deutschen Börsengeschichte. Binnen 25 Stunden hat der Dax-Konzern mehr als 80 Prozent seines Börsenwerts verloren. Dabei galt das Unternehmen aus Aschheim bei München lange als größte Tech-Hoffnung Deutschlands.
Der gigantische Kurseinbruch dürfte deutsche Sparer nicht gerade dazu ermutigen, ihr Geld in Aktien anzulegen. Der eine oder andere wird sich zu Recht fragen, wie es um die Finanzbranche bestellt ist, wenn ein im Chaos versinkendes Unternehmen zu den 30 wichtigsten deutschen Börsengesellschaften gehört. "Die Causa Wirecard könnte das Misstrauen der Deutschen gegenüber dem Kapitalmarkt zementieren", schreiben meine Kollegen im aktuellen SPIEGEL-Leitartikel. Der Schaden, den Wirecard der Aktienkultur zufüge, sei bereits jetzt immens.
Tatsächlich ruft das Debakel jedem Aktionär eindrücklich in Erinnerung: Wer sein Geld in einzelne Unternehmen investiert, setzt sich einem enormen Risiko aus und kann binnen Stunden den Großteil seines Kapitals vernichten.
Zwar gab es an Wirecard schon lange massive Zweifel, weil der Konzern im Verdacht steht, seine Bilanzen zu frisieren sowie Deals und Geschäftspartner vorzutäuschen. Aber unvorhergesehene Kurseinbrüche kommen auch in gewisser Regelmäßigkeit bei traditionsreichen Firmen vor: Man denke nur an den Dieselskandal bei Volkswagen, den Absturz der Lufthansa-Aktie im Zuge der Coronakrise oder das jahrelange Missmanagement beim Stahlgiganten Thyssenkrupp.
Die Börse fasziniert Henning Jauernig, 28 Jahre alt, seit der Kindheit. Die erste eigene Aktie kaufte er, als er 20 war, ein paar Jahre später folgten die ersten Fondsanteile. Seine Finanzen regelt er seitdem selbst. Immer wieder löchern ihn seine Freunde mit Finanzfragen: Wie kann ich mein Geld richtig anlegen? Welche Versicherungen brauche ich? Und wie mache ich meine Steuer? Über Antworten auf all diese Fragen schreibt er im Young-Money-Blog .
Daraus zu schließen, dass Aktien generell nicht für die Altersvorsorge geeignet seien, ist aber falsch. Trotz aller zwischenzeitlichen Unternehmenskrisen bleibt es dabei: Wer in Zeiten von ultraniedrigen Zinsen noch eine Rendite auf sein Erspartes erzielen will, kommt an Aktien nicht vorbei. Die Erfahrung zeigt, dass es sich trotz aller Krisen in der Regel lohnt, dauerhaft auf Aktien zu setzen. Da sind sich so gut wie alle Ökonomen und Finanzexperten einig.
Katastrophe für den Ruf der deutschen Finanzbranche
Gleichwohl ist eine bittere Erkenntnis des Wirecard-Debakels, dass deutsche Anleger bei ihrer Anlagestrategie dem hiesigen Kapitalmarkt besondere Beachtung schenken. Verschiedene Studien zeigen, dass die Deutschen, sofern sie überhaupt in Aktien investieren, ihr Geld eher in Aktien aus ihrer Heimat investieren. "Home Bias" nennen Wissenschaftler dieses Phänomen, das auch in anderen Ländern vorkommt. Der Fall Wirecard zeigt nun erneut, dass das ein Fehler ist. Denn auch Anleger, die in den deutschen Leitindex Dax investiert haben, leiden unter dem Wirecard-Kurseinbruch.
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04.06.2023 10.49 Uhr
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Die oberste deutsche Börsenliga befindet sich aber nicht erst seit dem Skandal um Wirecard auf dem absteigenden Ast. Abgesehen vom Softwareunternehmen SAP besteht das wichtigste deutsche Börsenbarometer überwiegend aus schwächelnden Industriewerten und altbackenen Finanzunternehmen. Anleger, die den Dax als Basisanlage nutzen, lassen sich eine Menge Rendite entgehen. Schon seit Jahren hinkt das Barometer seinen Pendants aus den USA hinterher. Zwar gibt es auch spannende deutsche Firmen, nur sind diese oftmals nicht an der Börse notiert.
Das Geld am besten überall in der Welt verteilen
Wer hingegen auf den Weltaktienindex MSCI World setzt, der rund 1650 Aktien aus 23 Industrieländern umfasst, profitiert von der Entwicklung der Weltwirtschaft, und damit zum Beispiel auch vom enormen Kursanstieg der US-Techunternehmen. Der Index ist für Kleinsparer auch deshalb viel besser geeignet, weil er das investierte Geld breiter streut. Bei mehreren Hundert Aktien ist es nun mal nicht so schlimm, wenn eine oder zwei mal abstürzen. Wirecard zum Beispiel hatte am Mittwoch an diesem Index ein Gewicht von gerade einmal 0,03 Prozent.
Kritiker monieren, dass US-Aktien ein sehr großes Gewicht im MSCI-Index haben, entsprechend sei er riskanter, als gemeinhin behauptet. Als Alternative bietet sich deshalb der relativ neue FTSE All World an, der 3900 Positionen aus fast 50 Ländern umfasst. Einsteiger brauchen dabei nur sogenannte Indexfonds (ETFs) kaufen, die diese Aktienindizes zu günstigen Kosten originalgetreu nachbilden (Wie das geht, lesen Sie hier).
Komplett sicher sind solche ETFs natürlich nicht, Anleger tragen das sogenannte Marktrisiko. Im Zuge der Coronakrise sind auch ETFs auf den MSCI World zwischenzeitlich stark eingebrochen, bevor sich die Kurse wieder erholten. Die Kunst ist es, solche Krisen einfach auszusitzen: Zwischen 1975 und Ende 2019 haben ETFs, die diesen Weltaktienindex abbilden, eine durchschnittliche Rendite von 9,14 Prozent pro Jahr erzielt - dabei sind auch schwere Krisen wie der Lehman-Crash von 2008 berücksichtigt.
Wenn Anlageberater in Banken auf diese Zahlen angesprochen werden, entgegnen sie oft, dass menschliche Fondsmanager dafür aber Anleger vor Verlusten schützen könnten, weil sie in Abschwungphasen gezielt schlechte Aktien gegen gute austauschen oder die Anzahl der Wertpapiere im Fonds insgesamt reduzieren können, während ein großer Börsenindex Ausschläge nach oben und unten voll mitnimmt.
Doch der Fall Wirecard zeigt, dass diese Steuerung den Fondsmanagern meistens nicht gelingt. Union Investment, der Fondsdienstleister der Volks- und Raiffeisenbanken, und die Deutsche-Bank-Tochter DWS setzten in einigen ihrer Fonds, die millionenfach an deutsche Kleinsparer verkauft werden, lange Zeit stark auf die Wirecard-Aktie. Die Wette ging nach hinten los.