Gas-Engpässe Wirtschaftslobby verlangt Versorgungsstopp erst bei Bürgern, dann bei der Industrie

Gasherd
Foto: Marijan Murat / dpaDie chemische Industrie zieht den Vorrang privater Haushalte bei der Zuteilung von Gas im Notfall in Zweifel. Auf die Frage, ob Firmen gegenüber Privathaushalten bevorzugt werden müssten, antwortete der Chef des Chemieindustrieverbands VCI so: Die Sicherung der Arbeitsplätze und damit des Einkommens sei für die Familien wichtig und »steht für die Gesellschaft höher als die vollständige Sicherstellung der privaten Gasversorgung«, so Christian Kullmann im Gespräch mit der »Süddeutschen Zeitung« . »Was nützt es, wenn die Haushalte zwar weiter Gas bekämen, es aber nicht mehr bezahlen könnten?«
Die Bundesregierung hat wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine den Notfallplan Gas aktiviert und mittlerweile die Alarmstufe ausgerufen. Im Fall einer Mangellage entscheidet sie darüber, wer noch wie viel Gas bekommt. Privathaushalte sind dabei eigentlich besonders geschützt. Sie sollen weiter versorgt werden, im Falle von Engpässen müsste zunächst bei den Firmen gekürzt werden. Immer wieder kommen aus der Wirtschaft Forderungen, die Priorisierung zu ändern.
Lob für Habeck, Ärger über Söder
Kullmann, Chef des Verbandes der chemischen Industrie (VCI), warnte in der »Süddeutschen« vor einer tiefen Wirtschaftskrise: »Für den Fall eines vollständigen Gasembargos befürchte ich den Herzinfarkt der deutschen Wirtschaft, auch unserer Branche.« Ohne Chemie stehe Deutschland still, denn chemische Produkte würden für 90 Prozent aller Produktionsprozesse benötigt. Die Folgen für die Beschäftigten wären gravierend, es drohe »eine schlimme Krise, auch gesellschaftlich und sozial«. Ausdrücklich lobte der VCI-Chef das Krisenmanagement von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Die Grünen). »Robert Habeck ist ein guter Wirtschaftsminister, ich bin beeindruckt«, sagte Kullmann der Zeitung. Er sei »kein Schwadroneur und Ankündigungsweltmeister«.
Harte Kritik übt Kullmann dagegen an Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Es reiche nicht, nur Bäume zu umarmen, Bayern müsse auch Windräder bauen. Kullmann sagte zur Energiewende: »Wir müssen jetzt schnell Einspruchsrechte von Bürgern gegen solche Projekte mit der Axt einkürzen. Sonst wird es uns nicht gelingen, die regenerativen Energien wie geplant schnell auszubauen.«