Bausparkasse Wüstenrot verliert Streit um Hochzins-Vertrag

Im Streit um hoch verzinste Bausparverträge hat Wüstenrot eine Niederlage vor Gericht eingesteckt: Die Bausparkasse durfte einen Vertrag aus dem Jahr 1978 nicht kündigen.
Firmenlogo von Wüstenrot

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Foto: Daniel Bockwoldt/ dpa

Viele Deutsche nutzen seit Jahrzehnten ihren Bausparvertrag als gut verzinste garantierte Geldanlage - selbst wenn sie nie eine Immobilie kaufen. In Zeiten von Nullzinsen belasten solche Verträge die Bausparkassen. Einige wollen diese Kunden durch einseitige Kündigungen loswerden.

In einer Prozesswelle um solche Kündigung hat nun das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart als erstes Berufungsgericht zugunsten des Verbrauchers entschieden . Die Bausparkasse Wüstenrot habe kein Recht, den Vertrag zu kündigen, sagte Richter Thomas Wetzel. Wüstenrot, Deutschlands zweitgrößte Bausparkasse, hatte einer Kundin ihren mit drei Prozent verzinsten Vertrag aus dem Jahr 1978 gekündigt.

Das Urteil im Berufungsverfahren war eine Überraschung, weil Wüstenrot in erster Instanz recht bekommen hatte. Auch andere OLG - etwa in Koblenz, Celle, Hamm und München - hatten zuvor zugunsten der Bausparkassen entschieden.

Seit vergangenem Jahr beschäftigen sich mehrere Gerichte mit einer Klagewelle gegen die Kündigung von Bausparverträgen. Von den etwa 200 Urteilen an Amts- und Landgerichten gingen laut dem Verband der Privaten Bausparkassen etwa 90 Prozent zu Gunsten der Geldinstitute aus. Die Vergleiche, in denen die Bausparkassen den Kunden weit entgegenkommen, sind hierin aber nicht inbegriffen.

Wüstenrot prüft Revision vor BGH

Der strittige Bausparvertrag war seit 1993 zuteilungsreif, die Sparerin hätte also das Darlehen ausgezahlt bekommen können - tat dies aber nicht. Knackpunkt in dem Streit ist eine Art Sonderkündigungsrecht, bei dem ein Darlehensnehmer zehn Jahre nach Empfang der vollständigen Leistung einen Vertrag kündigen kann. In der Sparphase eines Bausparvertrags sehen sich die Finanzinstitute als Darlehensnehmer, die Geld vom Kunden bekommen.

Wüstenrot hatte argumentiert, der Vertrag sei mehr als zehn Jahre nach der sogenannten Zuteilungsreife kündbar. Diese Auffassung teilte das Gericht nicht: Die Bausparerin müsse auch weiterhin die Möglichkeit haben, das Darlehen in Anspruch zu nehmen, auch wenn sich das bei dem derzeitigen Zins nicht rechne. Die Zehnjahresfrist greife erst, sobald das Darlehen vollständig zugeteilt sei.

Auch das gesetzliche Kündigungsrecht, auf das sich Wüstenrot berief, gelte nicht. Das wäre nur der Fall gewesen, wenn die Bausparkasse die Sparerin aufgefordert hätte, weiter Beiträge zu zahlen, und diese der Forderung nicht nachgekommen wäre. Wüstenrot will nun eine Revision gegen das Urteil vor dem Bundesgerichtshof (BGH) prüfen.

Aktenzeichen: 9 U 171/15

kpa/Reuters/dpa
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