
EZB-Ankündigung Was die Zinswende für Verbraucher bedeutet


EZB-Tower in Frankfurt am Main: Die Inflation ist den Sparzinsen deutlich enteilt
Foto:Andreas Arnold / dpa
Viele Sparerinnen und Sparer haben auf die Zinswende gehofft. Jetzt hat die Europäische Zentralbank (EZB) sie angekündigt: Ab Ende Juli kommen die Zinsen zurück. Trotzdem wird das Ganze eine Enttäuschung werden.
Der Ärger war groß in den vergangenen drei Jahren: Immer mehr Banken hatten von Ihren Anlegern Strafzinsen verlangt. Einige schon ab 25.000 Euro Anlagesumme. In Gesprächen räumten Bankchefs ganz offen ein, sie wollten kein zusätzliches Geld der Kunden.
Jetzt also kommt endlich die Zinswende und trotzdem ist für Sparerinnen und Sparer nichts gut. Kein einziges seriöses Zinsprodukt wird den Sparerinnen und Sparern Freude machen: Denn die Inflation ist den Sparzinsen deutlich enteilt. Für das aktuelle Jahr rechnet die Bundesregierung mit 6,1 Prozent Inflation, die EZB für den Euroraum sogar mit 6,8 Prozent.
Man muss kein Mathematiker sein, um zu erkennen, dass 0,5 Prozent Negativzinsen bei einer Inflation von 1,5 Prozent besser sind als 1 Prozent Zinsen bei 6 Prozent Inflation. Im ersten Fall verliert das Geld pro Jahr 2 Prozent an Wert, im zweiten Fall 5 Prozent.
Hier also ein Überblick über die wichtigsten verzinsten Produkte:
Tagesgeld: Aufs Tagesgeldkonto gehört die eiserne Reserve. Und es ist schön, wenn auch für die eiserne Reserve noch Zinsen gezahlt werden. Aber letztlich ist die eiserne Reserve dafür da, dass ich als Kunde nicht in den Dispo rutsche, wenn ich ungeplante Ausgaben habe. Suchen Sie ein Konto mit wenigstens kleinen Zinsen .
Festgeld: Diese Anlageform garantiert Ihnen für eine absehbare Zeit den konkreten Zins. Beim Festgeld zahlen einige Banken in der Spitze schon wieder fast 1,5 Prozent Zinsen im Jahr, wenn man sein Geld drei Jahre fest anlegt. Das ist ein Prozentpunkt mehr als noch im vergangenen Jahr. Wer abwarten kann, bekommt in einigen Wochen vielleicht noch ein halbes Prozent mehr. Aber auch 1,5 oder 2 Prozent Zinsen sind kein Geschäft, wenn die Inflation bei sechs Prozent liegt.Einfache Rechnung. Aus 30.000 Euro werden bei 1,5 Prozent Zinsen in drei Jahren 31.370 Euro. Gleichzeitig schrumpft die Kaufkraft bei einer Inflation von 6 Prozent beträchtlich. Die 31.370 Euro Erspartes sind dann nach heutigen Maßstäben nur noch rund 26.300 Euro wert .
Kapitallebensversicherung: Noch schlimmer sieht die Rechnung für viele Lebensversicherungskunden aus. Lange Jahre habe ich gesagt, neue Verträge sollten Sie nicht abschließen, alte Verträge nicht kündigen. Bei 1 bis 2 Prozent Inflation waren 3,25 oder gar 4 Prozent Garantieverzinsung auf den Sparanteil ein ordentliches Geschäft für risikoscheue Anleger . Bei 6 Prozent Inflation sind 3,25 Prozent auf den Sparanteil aber ein schlechtes Geschäft. Das Geld im Versicherungsvertrag wird immer weniger wert.
Doch wo sind die Alternativen für Lebensversicherungskunden? Natürlich können Sie die Lebensversicherung kündigen oder besser noch verkaufen, weil Sie dann das Geld wieder zur Verfügung haben und auf die Inflation reagieren können . Aber erstens verzichten Sie dann auf mögliche Schlussüberschüsse, die das Ende des Lebensversicherungsvertrags oft versüßt haben. Und zweitens ist viel Bargeld natürlich nur vernünftig, wenn ich anschließend eine bessere Anlageidee habe. Bessere Festzinsen als 3,25 oder 4 Prozent – wie bei der alten Lebensversicherung – gibt es aktuell nicht. Eine Kündigung wäre nur dann hilfreich, wenn Sie das Geld etwa in einen Aktien-ETF mit Risiko investieren wollen oder konkret in andere Anlagen: sei es die große Fotovoltaikanlage auf dem eigenen Dach , die energetische Sanierung der Immobilie oder den altersgerechten Umbau derselben. Ohne Investmentidee ist die Kündigung einer alten Lebensversicherung eine Schnapsidee.
Rentenversicherungen: All die Überlegungen zur Lebensversicherung gelten natürlich auch für klassische Rentenversicherungen, die man sich auszahlen lassen kann.
Staatsanleihen: Sichere Staatsanleihen haben in den vergangenen Jahren auch keine hohen Renditen gebracht. Jetzt wird die Situation für Anleger hier noch schwieriger, weil zu den niedrigen Zinsen auch noch Kursverluste drohen. Der Grund dafür: Wenn Sie heute eine etwas ältere Anleihe eines EU-Mitgliedslandes besitzen mit einem Zinscoupon von 2 Prozent und dieser Staat zahlt aktuell 3 Prozent für seine frischen Anleihen mit ähnlicher Laufzeit, führt das zu Kursverlusten. Denn niemand dürfte die alten Anleihen kaufen wollen. Beträgt die Laufzeit noch 10 Jahre, liegt der Kursverlust dadurch bei 8,5 Prozent.
Rentenfonds: Was für die Staatsanleihen gilt, gilt auch für Rentenfonds, die im Wesentlichen in solche Anleihen investieren und bei denen jetzt mit jedem Zinsschritt auch Kursverluste drohen. Da ist dann ein Festgeld für die kommenden zwei bis drei Jahre oft die bessere und sicherere Idee.
Mischfonds mit einem hohen Anteil an Rentenfonds kämpfen mit demselben Kursverlustrisiko und sind deshalb meist auch keine gute Anlage. Außerdem haben viele Banken diese Produkte mit teuren Nebenkosten verkauft. Schon in den vergangenen zehn Jahren haben viele Anleger mit solchen Mischfonds weniger Rendite als versprochen erzielt. Deutlicher noch: Eine Kombination aus einem kurzfristigen Festgeld und einem Aktienindexfonds hat bei den Renditen die allermeisten Mischfonds deutlich hinter sich gelassen. Wenn Sie über einen digitalen Anlagehelfer (Robo-Advisor ) investiert haben, werden Sie die Kursschwäche der Anleihen auch spüren. Solange die Sache aber noch zu Ihrer langfristigen Anlagestrategie passt, bleiben Sie dabei.
Bleiben noch zwei oben schon angedeutete Alternativen:
Gehen Sie ein höheres Anlagerisiko ein. Legen Sie Ihr Kapital in Aktienindexfonds an. Das hat in den vergangenen Jahrzehnten auf die lange Frist regelmäßig deutlich höhere Renditen gebracht. Nach 15 Jahren haben marktbreite internationale Aktienfonds wie ein ETF auf den MSCI World im schlechteren Fall keine Verluste gemacht – und im Durchschnitt schöne Renditen von 7 bis 9 Prozent im Jahr erzielt.
Sie können sogar in ETF-Fonds investieren, die die ökologische Herausforderung ernster nehmen als die klassischen ETFs und die dabei – jedenfalls in der Vergangenheit – die gleiche Rendite abgeworfen haben.
Wer eine Immobilie besitzt, hat noch eine weitere, unter Umständen sehr attraktive Alternative, Inflation und niedrige Zinsen zu umgehen: Investieren Sie Ihr Geld einfach in Ihr Eigenheim. Wenn Sie Geld in eine bessere Heizung stecken oder Wärmedämmung, sparen Sie jede Menge Heizkosten. Die aktuelle Kostenentwicklung bei Gas und Öl bietet schon Anreiz genug, das schnell zu tun. Ganz abgesehen von Putins Krieg in der Ukraine.
In den kommenden zehn Jahren werden Wohnungen und Häuser hierzulande so oder so massiv nachgerüstet werden müssen. Wie beim Auto der Verbrenner als Modell ausläuft, ist auch die klassische Verbrenner-Heizung ein Auslaufmodell. Der Gesetzgeber verlangt es aufgrund des Klimaschutzes so oder so.
Gehören Sie zu den Babyboomern, dann müssen Sie sich eh langsam auf die Rente einstellen. Dann ist Ihre Wohnung vermutlich noch für Familie und junge Hüpfer gestaltet, weniger für das Rentnerpaar mit dem gemächlichen Gang und der einen oder anderen gesundheitlichen Herausforderung. Hier den notwendigen Umbau anzugehen , ist ein schönes Projekt. Je schneller Sie das tun, desto mehr drehen Sie der Inflation eine Nase.