Siemens-Affäre Dubiose Zahlungen über 420 Millionen Euro gefunden
München - Finanzvorstand Joe Kaeser sagte heute während einer Pressekonferenz: "Das heißt nicht, dass das alles schwarze Kassen sind." Bei den Summen gehe es um Zahlungen an Berater in den vergangenen sieben Jahren, die Siemens im Zuge der staatsanwaltlichen Ermittlungen nun überprüfe.
Wegen der Zahlungen müsse die Konzernbilanz für das abgelaufene Geschäftsjahr nachträglich nach unten korrigiert werden. Aufsichtsratschef Heinrich von Pierer sagte, die Konzernspitze sei entschlossen, "diesem Spuk der Korruption bei uns wirklich ein Ende zu machen".
Die Münchner Staatsanwaltschaft hatte den Schaden für Siemens bisher mit 200 Millionen Euro beziffert. Kaeser sagte, bei internen Prüfungen habe Siemens dubiose Transaktionen in Höhe von 420 Millionen Euro entdeckt. Dieses Geld sei nicht in schwarze Kassen geflossen und auch "nicht unbedingt Schmiergeld". Das meiste seien Zahlungen für Beraterverträge, "wo zweifelhaft ist, ob sie steuerlich absetzbar sind". Deshalb zahle Siemens jetzt 168 Millionen Euro Steuern nach.
"Ich will diese Untreue - und Korruptionsgeschichte nicht herunterspielen", sagte Pierer. "Eine Gruppe von Mitarbeitern hat sich zusammengeschlossen, um alle Sicherungen außer Kraft zu setzen." In der Com-Sparte hätten sich der kaufmännische Leiter, der Vertriebschef, der Leiter des Rechnungswesens und der Leiter der Revision ihre Position und die dezentrale Organisation des Konzerns zunutze gemacht. Einen Rücktritt als Aufsichtsratschef lehnte Pierer, der von 1992 bis 2005 an der Spitze des Konzerns gestanden hatte, ab. Er tue alles, um "für Aufklärung und Abhilfe zu sorgen".
Vorstandschef Klaus Kleinfeld sagte, die US-Anwaltskanzlei Debevoise werde prüfen, "ob in anderen Bereichen und Regionen ähnliche Vorgänge passiert sind". Er gehe zwar nicht davon aus, aber die Kontrollmechanismen bei Siemens hätten offenbar nicht gereicht.
Stuttgarter Staatsanwalt wird Chefkontrolleur
Zum neuen Chef seines Anti-Korruptions-Büros berief Siemens den Stuttgarter Staatsanwalt Daniel Noa. Er verfüge über langjährige Erfahrungen in der Ermittlung von Wirtschaftskriminalität und werde seine neues Amt im Januar antreten, sagte Pierer.
Zumindest im Fall eines griechischen Siemens-Managers gebe es Hinweise darauf, dass er sich auch selbst bereichert habe. "Bei solchen Projekten fällt immer mal wieder etwas vom Fahrzeug herunter, das man dann selbst behält", sagte Kleinfeld. Siemens hat den Exmanager inzwischen auf Rückzahlung einer Millionensumme verklagt. Auch die Münchner Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Untreue. Fünf Beschuldigte sitzen in Untersuchungshaft, andere sind nach umfangreichen Aussagen unter Auflagen auf freiem Fuß.
Pierer sagte, als Vorstandschef habe er alle Mitarbeitern immer wieder mit Nachdruck zur Einhaltung der Anti-Korruptions-Regeln ermahnt und über 20.000 leitende Angestellten diese Verpflichtung unterschreiben lassen. Für Zahlungen seien immer mindestens zwei Manager erforderlich gewesen. Kaeser sagte: "Die Belege sehen aus, als wären sie in Ordnung." Die Umsatzzahlen ab 1999 seien nicht korrigiert worden. Alle Transaktionen seien durch die Bücher gegangen. Wegen Zweifeln an einigen Geldempfängern würden für 2004 bis 2006 Steuern nachgezahlt und der Gewinn 2006 um zwei Prozentpunkte auf 3,087 Milliarden Euro nach unten korrigiert. Für die Jahre 1999 bis 2003 werde das Eigenkapital niedriger bilanziert.
Die Berufung der US-Anwaltskanzlei Debevoise und des Transpareny-International-Gründers Michael Hershman als externe Prüfer entspreche auch amerikanischen Wünschen, sagte Kleinfeld. Siemens habe nach den Durchsuchungen Mitte November sofort Kontakt mit den US-Justizbehörden und der US-Börsenaufsicht SEC aufgenommen. Das Zahlungssystem werde zentralisiert werden.
tim/AP/Reuters/dpa