Seitenwechsel à la Gabriel Staatsdiener mit neuen Herren














Genosse Kapital: Sigmar Gabriel wird in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank berufen. Dass ein ehemaliger Vorsitzender der SPD sich von einer Bank anheuern lässt, ist höchst ungewöhnlich; dass Politiker nach ihrer Laufbahn in die Privatwirtschaft wechseln, kommt dagegen öfter vor. Die Kontakte der Ex-Politiker sind den Unternehmen viel wert, andererseits steht bei solchen Wechseln oft die Frage im Raum, ob die Betreffenden nicht schon vorher Politik im Sinne ihrer späteren Arbeitgeber gemacht haben.
Das Phänomen exisitiert über Parteigrenzen hinweg. So hat im vergangenen Sommer etwa die Energielobby BDEW mit der Grünenpolitikerin Kerstin Andreae eine neue Chefin gefunden. Das BDEW-Präsidium hatte Andreae als neue Vorsitzende der Hauptgeschäftsführung vorgeschlagen, nachdem der niedersächsische Umweltminister Olaf Lies (SPD) abgesagt hatte.
Vielleicht am wenigsten Fingerspitzengefühl bewies Gerhard Schröder - und damit schon einmal ein früherer SPD-Vorsitzender. Schon einige Monate nach seiner Abwahl, nämlich im März 2006, gab Schröder seinen Wechsel zur Nord Stream AG bekannt. Das hatte es noch nie gegeben: Ein Altkanzler, der in die Wirtschaft wechselt; noch dazu zu einem Unternehmen, in dem der russische Staat eine wesentliche Rolle spielt. Und nicht zuletzt: Für die deutsch-russische Gaspipeline von Nord Stream hatte sich Schröder bereits während seiner Amtszeit als Kanzler stark eingesetzt.
Bemerkenswert ist auch der Weg von Roland Koch (CDU). Seinen Seitenwechsel hatte man kaum kommen sehen. Mehr als elf Jahre lang war Koch Ministerpräsident in Hessen - und er gab das Amt im August 2010 aus freien Stücken auf. Ab 2011 führte er stattdessen den Baukonzern Bilfinger, musste diesen Posten allerdings im August 2014 mangels Erfolg wieder abgeben. Seit 2017 ist er Professor an der Frankfurt School of Finance & Management.
Weniger überraschend sind Wechsel bei einer Partei, die sich immer wirtschaftsnah gibt: der FDP. Dennoch war Dirk Niebel ein besonderer Fall. Bis zum Dezember 2013 hatte Niebel als Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung eigentlich zivile Lösungen für internationale Konflikte als Aufgabengebiet. Seit dem 1. Januar 2015 ist er jedoch Waffenlobbyist beim Rüstungskonzern Rheinmetall.
Erinnert sich noch jemand an Daniel Bahr? Zweieinhalb Jahre war der FDP-Mann Gesundheitsminister und in diesem Amt auch für die Regulierung der privaten Krankenversicherungen zuständig. Danach wechselte er in das Topmanagement der Allianz-Krankenversicherungstochter, 2017 wurde er Vorstand.
Der grüne Vorzeige-Realo Rezzo Schlauch wäre 1996 beinahe Oberbürgermeister von Stuttgart geworden. Nach seinem Ausstieg aus der Politik im Jahr 2005 beriet Schlauch den Energiekonzern und Kernkraftwerksbetreiber EnBW - auch ein ungewöhnliches Aufgabenfeld für einen Grünen. Er arbeitet unter anderem für die Anwaltskanzlei Mayer und Kambli und berät Unternehmen.
Ronald Pofalla (CDU) auf einem Foto mit Kanzlerin Angela Merkel vom September 2009. Die Aufregung war groß, als Anfang 2014 der geplante Wechsel des Ex-Kanzleramtsministers zur Deutschen Bahn bekannt wurde. Inzwischen soll Pofalla als konzernübergreifender Krisenmanager die vielen Probleme der Bahn - von Verspätungen bis technischen Mängeln - in den Griff kriegen.
Gerade die Wechsel zur Bahn, die ja in Staatsbesitz ist, haben Tradition. Ex-Bahn-Vorstand Otto Wiesheu war zwölf Jahre CSU-Verkehrsminister in Bayern, dann dreieinhalb Jahre im Spitzengremium der Bahn.
Passendes Arbeitsgebiet oder doch ein Geschmäckle? Diese Standardfrage bei Seitenwechseln illustriert auch das Beispiel von Matthias Berninger (Grüne). Von 2001 bis 2005 war Berninger Parlamentarischer Staatssekretär im Verbraucherschutzministerium. In dieser Funktion verschrieb er sich vor allem der Lebensmittelsicherheit und dem Kampf gegen Übergewicht von Kindern. 2007 wechselte Berninger zum Mars-Konzern, zu dem unter anderem auch die Schokoriegel-Marken Snickers, Twix und Bounty gehören. Seit Anfang 2019 ist er Cheflobbyist beim Pharmariesen Bayer.
Hildegard Müller (CDU) war von 2005 bis 2008 Staatsministerin im Bundeskanzleramt. Danach bekleidete sie diverse Posten in der Wirtschaft. Zuerst ging sie zum Energieverband BDEW, 2016 wechselte sie als Bereichsvorstand zum Energiekonzern RWE. Ab Februar 2020 wird sie für den Verband der Automobilindustrie (VDA) Lobbyarbeit machen.
Stefan Mappus (CDU) war von 2010 bis 2011 baden-württembergischer Ministerpräsident und anschließend verantwortlich für das historisch schlechteste Abschneiden seiner Partei im Ländle. Noch im selben Jahr ging er zum Pharmakonzern Merck, wo er aber schon 2012 wieder entlassen wurde. Inzwischen ist er Vorstand beim IT-Beratungsunternehmen pmOne.
Noch ein Ministerpräsident, anderes Unternehmen: Nachdem Torsten Albig 2017 die Staatskanzlei in Kiel räumen musste, wurde er Repräsentant der Deutschen Post in Brüssel.
Thomas Steg war jahrelang eine Stütze der SPD: Pressesprecher im niedersächsischen Sozialministerium, dann für seine Partei in Niedersachsen, dann stellvertretender Leiter des Bundeskanzleramtes unter Schröder und bis 2009 stellvertretender Regierungssprecher. Danach machte er sich als Kommunikationsberater selbstständig. Seit 2012 ist er bei der Volkswagen AG für die Regierungsbeziehungen zuständig und berichtet inzwischen direkt an Konzern-CEO Herbert Diess.
SPIEGEL+-Zugang wird gerade auf einem anderen Gerät genutzt
SPIEGEL+ kann nur auf einem Gerät zur selben Zeit genutzt werden.
Klicken Sie auf den Button, spielen wir den Hinweis auf dem anderen Gerät aus und Sie können SPIEGEL+ weiter nutzen.
Genosse Kapital: Sigmar Gabriel wird in den Aufsichtsrat der Deutschen Bank berufen. Dass ein ehemaliger Vorsitzender der SPD sich von einer Bank anheuern lässt, ist höchst ungewöhnlich; dass Politiker nach ihrer Laufbahn in die Privatwirtschaft wechseln, kommt dagegen öfter vor. Die Kontakte der Ex-Politiker sind den Unternehmen viel wert, andererseits steht bei solchen Wechseln oft die Frage im Raum, ob die Betreffenden nicht schon vorher Politik im Sinne ihrer späteren Arbeitgeber gemacht haben.
Foto: Thomas Koehler/photothek/ imago imagesHildegard Müller (CDU) war von 2005 bis 2008 Staatsministerin im Bundeskanzleramt. Danach bekleidete sie diverse Posten in der Wirtschaft. Zuerst ging sie zum Energieverband BDEW, 2016 wechselte sie als Bereichsvorstand zum Energiekonzern RWE. Ab Februar 2020 wird sie für den Verband der Automobilindustrie (VDA) Lobbyarbeit machen.
Foto: Goetz SchleserStefan Mappus (CDU) war von 2010 bis 2011 baden-württembergischer Ministerpräsident und anschließend verantwortlich für das historisch schlechteste Abschneiden seiner Partei im Ländle. Noch im selben Jahr ging er zum Pharmakonzern Merck, wo er aber schon 2012 wieder entlassen wurde. Inzwischen ist er Vorstand beim IT-Beratungsunternehmen pmOne.
Foto: Marijan Murat/ dpaThomas Steg war jahrelang eine Stütze der SPD: Pressesprecher im niedersächsischen Sozialministerium, dann für seine Partei in Niedersachsen, dann stellvertretender Leiter des Bundeskanzleramtes unter Schröder und bis 2009 stellvertretender Regierungssprecher. Danach machte er sich als Kommunikationsberater selbstständig. Seit 2012 ist er bei der Volkswagen AG für die Regierungsbeziehungen zuständig und berichtet inzwischen direkt an Konzern-CEO Herbert Diess.
Foto: Christian ThielMelden Sie sich an und diskutieren Sie mit
Anmelden