
Solarenergie: Jeder ein kleiner Sonnenkönig
Solarenergie Jeder ein kleiner Sonnenkönig
Das Palace-Hotel in Downtown San Francisco ist ein ehrwürdiger Ort, mehr als hundert Jahre alt, dicke Teppiche, Kronleuchter. Darunter sitzt Hans Raffauf, Jeans, Holzfällerhemd, zerstrubbelte Haare und Mitgründer der Start-up-Firma Changers. Anfang vergangenen Jahres wurde das Solarunternehmen in Berlin gegründet; aber der Öffentlichkeit erstmals vorgestellt hat Raffauf es zuerst hier.
Nicht in Berlin, wo sich seit einigen Jahren eine rege Gründer-Community entwickelt; nicht in Deutschland, auf dessen Atomausstieg und Energiewende die Welt gebannt schaut. Sondern in Kalifornien, where it never rains, und auch jetzt, im Herbst, die Sonne kräftig vom Himmel strahlt.
Sonne ist nicht ganz unwichtig für Changers. Die Firma vertreibt ein handliches, etwa DIN-A4-großes Solarmodul namens "Maroshi", das pro Stunde vier Watt an Strom erzeugt. Der wird gespeichert in einer Batterie namens "Kalhuohfummi", mit der sich vom iPad über Android-Handys bis hin zur Playstation rund tausend Smartphones und Tablets aufladen lassen. "Jeder soll selbst Energie produzieren können und so ein ganz anderes Bewusstsein für den eigenen Verbrauch entwickeln", sagt Raffauf.
So weit, so tekkie. Klar, Modul und Batterie lassen sich wunderbar auf Outdoor-Trips nutzen, aber von den 4000 Kilowatt-Stunden, die ein durchschnittlicher Vier-Personen-Haushalt im Jahr an Strom verbraucht, machen Handys und Tablets deutlich weniger als ein Prozent aus.
Nur: Bei Changers, das vom Solartechnik-Unternehmen Centrotherm unterstützt wird, geht es nicht in erster Linie um Technik, noch nicht einmal um Energie. Die vier Gründer - neben Raffauf noch Markus Schulz, Daniela Schiffer und Dirk Gamboa Tuesta - planen eine Art grünes soziales System. "Um wirklich etwas gegen die Erderwärmung zu tun, muss man beim Endkunden beginnen", sagt Schulz, ein Werbefachmann, der vor Changers für diverse Solarfirmen PR machte.
Jeder sein eigener Sonnenkönig
Eines Abends im Januar vergangenen Jahres saß er mit Schiffer und Gamboa Tuesta in seinem Wohnzimmer. Das Gespräch kreiste um die großen Erfindungen - Telefon, Computer - und wie sie immer kleiner wurden, ein immer selbstverständlicherer Teil des Alltags. "Lass uns mal Aldi denken", sagte Schulz. Die Solarwelt müsste sich demokratisieren, Solarmodule ein Konsumentenprodukt werden, massentauglich. Jeder sein eigener Sonnenkönig.
Der Aldi-Teil von Changers steckt in der Kalhuohfummi-Batterie. Sie misst, wie viel Energie erzeugt wurde und lädt die Daten auf die Plattform der Firma. Dort kann jeder Nutzer sehen, wie viel Energie er durch die Sonnenkraft gespart und wie viel CO2 er vermieden hat. Für die Einsparungen gibt es Bonuspunkte, die man dann wieder bei Partnerfirmen einlösen kann, etwa bei einem Unternehmen, das Produkte aus recycelten Materialien verkauft.
Den meisten Nutzern aber dürfte eine andere Sache wichtiger sein: Sie können ihre Zahlen via Facebook oder Twitter mit den Ergebnissen von Freunden vergleichen, von Nachbarn, der Stadt, dem ganzen Land. "Die Menschen mögen Wettbewerb, und hier können sie für etwas Nachhaltiges konkurrieren", sagt Kushtrim Xhakli, der den Bereich "Digitale Medien" im Unternehmen verantwortet.
Stromsparen soll raus aus der wollsockigen Ecke und rein in die hippe Social-Media-Arena. Ein spielerischer Wettkampf, wie gemacht für die grün-lackierten Altbauviertel in Berlin-Prenzlauer Berg und Hamburg-Eimsbüttel. Gesellschaftlicher Druck? Aber bitte gerne! "Wie viel Kilowatt man eingespart hat, sollte im sozialen Netzwerk bald genauso wichtig sein wie die Zahl der Follower auf Twitter", sagt Xhakli.
Das ist der zweite, vielleicht wichtigere Grund, warum Changers an der Westküste, direkt am Silicon Valley, vorgestellt wurde: Hier sind die sogenannten early adopters alle an einem Platz, also die Kunden, die bei neuen Produkten früh zugreifen. Das Faible für spielerische Gadgets und Öko-Technik ist groß, die Menschen aus Prinzip begeistert von Neuem. Als erste Kundin für das 149 Dollar teure Starter-Kit konnten die Deutschen gleich Netz-Expertin Mary Meeker von einer einflussreichen Venture-Capital-Firma gewinnen.
"Sonnenwärme nicht die rentabelste erneuerbare Energie"
Im Frühjahr will Changers offiziell in Deutschland starten; innerhalb der nächsten zwei Jahre will das Unternehmen, das derzeit 25 Mitarbeiter hat, profitabel werden. Auch wenn wenige Tage nach dem US-Start noch keine Zahlen über Nutzer und Umsätze vorliegen - das Ziel ist ehrgeizig. "Sonnenwärme ist längst nicht die rentabelste Form erneuerbarer Energien und der Markt ist stark unter Druck", sagt Jürgen Scheurer vom Energie-Verbraucherportal Verivox. "Das größte Potential liegt immer noch in der Energieeffizienz, wo jeder Einzelne viel einsparen kann."
Um Erfolg am Markt zu haben, ist Changers darauf angewiesen, dass möglichst schnell möglichst viele Energiesparen tatsächlich als sozialen Wettbewerb begreifen - und auch mögen. 149 Dollar für eine Changers-Ausstattung ist dafür allerdings keine geringe Hürde - es gilt eine ganze Menge Handys aufzuladen, um den Preis wieder hereinzukriegen. Auch ist die Produktion von Modul und Batterie noch nicht CO2-neutral. "Wir arbeiten daran", sagt Raffauf. Irgendwann soll es vielleicht auch möglich sein, andere Geräte wie Fernseher oder Klimaanlagen über die Solarbatterie aufzuladen.
In einer Sache jedoch ist Changers-Gründer Schulz jeder Konkurrenz weit voraus: Lange suchte der Werber nach dem passenden Namen für sein Produkt. Nun sind "Maroshi" und "Kalhuohfummi" zwar nicht gerade ein Muster an Eingängigkeit, doch sie erzählen eine Geschichte: Maroshi ist der Name einer Malediven-Insel. Im Unabhängigkeitskrieg gegen Portugal befand sich hier ein wichtiger Hafen für das Schiff "Kalhuohfummi", das in den Kämpfen eine entscheidende Rolle spielte.
Heute sind die Malediven erneut bedroht, nicht von den Portugiesen, aber von Erderwärmung und steigendem Meeresspiegel. "Maroshi" und "Kalhuohfummi" müssen wieder an die Front. Marketing-Mann Schulz scheint sein Handwerk zu verstehen.