Betrug, Bestechung, Partys in Las Vegas Milliardenskandal erschüttert Goldman Sachs

Britney Spears sprang für ihn einst im Bikini aus der Torte, inzwischen ist der mysteriöse Finanzier Jho Low flüchtig. Im Strudel des Milliardenbetrugs: die US-Bank Goldman Sachs - und ein deutscher Manager.
Flüchtiger Finanzier Mr Jho Low (Archivbild)

Flüchtiger Finanzier Mr Jho Low (Archivbild)

Foto: Dimitrios Kambouris

In der Party-Hauptstadt Las Vegas war es die Party des Jahrzehnts. Kim Kardashian und Kanye West waren da. Leonardo DiCaprio und Jamie Foxx ebenfalls, außerdem Bradley Cooper, der in der Nähe gerade "Hangover 3" drehte. An der Bar standen Models, Pharrell, Ludacris und Usher sorgten für Livemusik.

Dutzende Prominente feierten im November 2012 den 31. Geburtstag ihres Gastgebers. Der bekam einen 2,5-Millionen-Dollar-Bugatti geschenkt und ein Ständchen: Britney Spears sprang im Goldbikini aus einer Torte und sang "Happy Birthday".

Sechs Jahre später ist der Gastgeber, ein mysteriöser Malaysier namens Jho Low, auf der Flucht. Die meisten Gäste jener Nacht wollen ihn plötzlich nicht mehr kennen, andere sind wegen Milliardenbetrugs vor Gericht gelandet. Darunter ist ein deutscher Ex-Banker, der seinen damaligen Arbeitgeber jetzt als Mitwisser beschuldigt hat - das renommierte US-Investmenthaus Goldman Sachs.

Flüchtiger Beschuldigter Jho Low

Flüchtiger Beschuldigter Jho Low

Foto: Stuart Ramson/ AP

Was als amüsanter Klatsch begann, ist zum weltumspannenden Krimi geworden. Der Ministerpräsident von Malaysia stürzte bereits über die Affäre, nun gerät auch noch die größte Wall-Street-Bank mit in den Strudel. Die US-Staatsanwaltschaft hat sich eingeschaltet - und seither befindet sich die Goldman-Aktie im Sturzflug.

Dem Konzern droht der saftigste Skandal seiner Geschichte. Es geht um einen malaysischen Staatsfonds, der von Goldman Sachs mitgemanagt wurde - doch der US-Justiz zufolge nichts anderes war als eine milliardenschwere Spesenkasse für Low und seine Goldman-Komplizen. Goldmans früherer Südostasien-Chef, der Deutsche Tim Leissner, hat sich bereits wegen Betrugs, Bestechung, Geldwäsche und Veruntreuung schuldig bekannt. Leissners Vize, der Malaysier Roger Ng, wurde jetzt in New York angeklagt. Ein dritter Goldman-Manager ist beurlaubt.

"Verwerfliche Aktionen Einzelner"

Wie Low ist auch der 2016 gefeuerte Leissner eine schillernde Figur. Er studierte in Siegen und Connecticut und heuerte 1998 bei Goldman an, wo er schnell aufstieg und als skrupellos galt. 2013 heiratete er Reality-Star Kimora Lee Simmons, die Ex-Frau des bekannten Hip-Hop-Produzenten Russell Simmons.

Er sei "persönlich schockiert", beteuerte Goldman-Chef David Solomon diese Woche zwar in einer Voicemail an alle Mitarbeiter. Er griff dabei zum üblichen Schadensbegrenzungsvokabular: Es handele sich um die "verwerflichen" Aktionen vereinzelter, längst geschasster Übeltäter. Doch der Ruf ist schnell ruiniert: "Das ist ein Desaster für Goldman", resümiert der Wall-Street-Analyst Chris Kotowski.

Der ehemalige Goldman-Vorstandschef Lloyd Blankfein, bis heute Boss des Verwaltungsrats der Bank, soll sich mindestens einmal mit Low getroffen haben. Leissner wiederum erklärte bei seinem Schuldgeständnis vor einem New Yorker Gericht, mehrere Topmanager Goldmans seien eingeweiht gewesen - "im Einklang" mit der Konzernkultur.

Der Mann im Mittelpunkt bleibt unterdessen verschwunden. Low, 37, der sich in Las Vegas als spendabler Milliardär bejubeln ließ, ist untergetaucht, sein Vermögen beschlagnahmt: Diamantenkolliers, Privatjets, Picasso-Gemälde und die 92 Meter lange und 250 Millionen Dollar teure Jacht "Equanimity" (Gleichmut), die im Hafen Port Klang bei Kuala Lumpur auf ihre staatliche Versteigerung wartet.

Jacht "Equanimity"

Jacht "Equanimity"

Foto: Ambros Boli Berani/ AP

Wer Jho Low wirklich ist, weiß keiner so genau. Wie Donald Trump studierte der angebliche Finanzier einst an der Wharton School in Pennsylvania, soll schüchtern sein und schnell schwitzen. Auf Fotos wirkt er wie ein harmloses, pausbäckiges Kind.

In Wahrheit habe Low eines der größten Finanzverbrechen in der Geschichte inszeniert, schreiben die Reporter Tom Wright und Bradley Hope vom "Wall Street Journal" in ihrem neuen Buch "Billon Dollar Whale" über den Fall. Die Affäre offenbart, wie sich Betrüger nach der Finanzkrise von den USA abwendeten und ihr Glück stattdessen im unregulierteren Asien-Markt suchten.

Millionen für Kunst, Klunker und DiCaprio

Die US-Anklage stützt sich auf jahrelange Ermittlungen. Demnach veruntreute Low, assistiert von Leissner, Ng und anderen, von 2009 bis 2014 fast drei Milliarden Dollar aus dem malaysischen Staatsfonds 1MDB. Dazu hätten sie auch Politiker bestochen, allen voran den Ministerpräsidenten Malaysias Najib Razak. Goldman Sachs wiederum habe an 1MDB rund 600 Millionen Dollar Gebühren verdient.

Um das gestohlene Geld zu waschen, habe Low es in den USA ausgegeben, für Villen, Juwelen, Kunst. Etwa für ein Gemälde von Jean-Michel Basquiat, das 2013 bei Christie's für den Rekordpreis von 48,8 Millionen Dollar versteigert wurde. Auch habe Low den Film "The Wolf of Wall Street" mitfinanziert. Der handelt ironischerweise von einem Wall-Street-Schwindler - gespielt von Leonardo DiCaprio.

Proteste gegen Ministerpräsident Najib in Malaysia

Proteste gegen Ministerpräsident Najib in Malaysia

Foto: MOHD RASFAN/ AFP

Der Skandal kostete Ministerpräsident Najib das Amt. Nachfolger Mahathir Mohamad ließ ihn anklagen, die Polizei konfiszierte in seinem Haushalt Preziosen im Wert von 275 Millionen Dollar, darunter 1400 Ketten, 567 Handtaschen, 423 Armbanduhren, 2200 Ringe, 1600 Broschen und 14 Tiaras. Die neue Regierung fordert von Goldman die Rückerstattung besagter 600 Millionen Dollar Gebühren.

Low bleibt verschwunden. Er hat jedoch über eine amerikanische PR-Agentur eine Website zu seiner Verteidigung eingerichtet. "Ich bin unschuldig", schreibt er da. Die Rechte an seiner Geschichte wurden unterdessen an Hollywood verkauft, doch ob DiCaprio diesmal mitspielt, ist unbekannt.

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