Absage an Beschäftigte
Arbeitgeber stellen sich in Lohnstreit stur
Deutschlands Wirtschaft boomt, doch die Beschäftigten haben davon bislang wenig. Und das soll laut führenden Arbeitgebervertretern auch so bleiben. Es gebe "keinen Spielraum für Lohnerhöhungen", sagen sie. Wirtschaftsminister Brüderle dagegen pocht auf einen spürbaren Aufschlag.
Arbeiter bei einem Autoteile-Zulieferer: Arbeitgeber warnen vor Konjunkturrisiken
Foto: Oliver Killig/ picture alliance / dpa
Berlin - Die Arbeitgeber stehen unter Druck. Nicht nur die Gewerkschaften, auch Wirtschaftsminister und Kanzlerin fordern im Aufschwung deutlich Lohnerhöhungen. Dabei denken Rainer Brüderle und Angela Merkel nicht nur an zufriedenere Wähler, auch der Konsum soll mit höheren Gehältern gestärkt werden.
Die Unternehmervertreter befürchten nun horrende Forderungen in den kommenden Tarifverhandlungen. Daher warnen sie schon jetzt, quasi vorbeugend. In der "Bild"-Zeitung erklärten gleich mehrere Arbeitgebervertreter, warum sie Lohnaufschläge ablehnen - obwohl die Wirtschaft
in diesem Jahr voraussichtlich um 3,5 Prozent wächst.
So sagt etwa der Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB), Karl Robl, es gebe "keinen Spielraum für Lohnerhöhungen". Im Bauhauptgewerbe sei "der Aufschwung noch nicht angekommen". Erhöhe man zu früh die Löhne, drohten sogar Entlassungen: "Betriebe müssen höhere Löhne erst mal verdienen. Können sie das nicht, müssen Arbeitsplätze abgebaut werden."
Ähnlich äußert sich der Präsident des Arbeitgeberverbands Gesamtmetall, Martin Kannegiesser. Er sagte der Zeitung: "Der Aufschwung hat noch längst nicht alle Sparten und Betriebe der Metall- und Elektroindustrie erfasst." Nach der bislang schwersten Rezession müssten sich die Betriebe erst einmal wieder erholen. "Weder Dividenden noch Lohnsteigerungen stehen jetzt im Vordergrund."
Der Verband der Familienunternehmer bezeichnete die Lohnforderungen von Gewerkschaften und Regierung als "Risiko für den Aufschwung". Ihr Präsident Patrick Adenauer sagte der "Bild"-Zeitung: "Viele Unternehmen schaffen es gerade erst, die Kurzarbeit zu beenden und wieder Weihnachtsgeld zu zahlen."
Brüderle plädiert erneut für höhere Löhne
Doch nicht nur die Privatwirtschaft, auch der Öffentliche Dienst reagiert allergisch auf das Thema Lohnerhöhungen. Der Verhandlungsführer der Länder, Niedersachsens Finanzminister Hartmut Möllring (CDU), sagte, der Haushalt biete "keinen Spielraum für Lohnerhöhungen". Im Öffentlichen Dienst bestehe zudem kein Nachholbedarf. "Das Lohnniveau bei den Ländern ist in den vergangenen Jahren gestiegen, während es in der freien Wirtschaft gefallen ist", erklärte Möllring.
Wirtschaftsminister Brüderle plädierte dennoch erneut für höhere Löhne: Er hoffe, dass der gegenwärtige Aufschwung bei den Arbeitnehmern ankomme, sagte er der "Bild"-Zeitung: "Den fleißigen Menschen in unserem Land gehört der Wirtschaftsaufschwung."
Zwar würden über die Lohnerhöhungen die Tarifpartner entscheiden. Gleichzeitig gelte aber auch: "Leistung muss sich lohnen. Das gehört zur Sozialen Marktwirtschaft. Und das darf sich in guten Zeiten auch in den Tarifabschlüssen niederschlagen."
Die Erwartung von Experten, Deutschland brauche
wegen des Mangels an Fachkräften bald eine 45-Stunden-Woche, wies Brüderle zurück. Es gebe andere Rezepte gegen den Fachkräftemangel: "Wir müssen auch älteren Arbeitnehmern neue berufliche Perspektiven eröffnen und Frauen noch besser in das Erwerbsleben einbinden." Die Zuwanderung müsse "nach unseren nationalen Interessen" gestaltet werden.