Verkehrsminister Dobrindt Deutschlands oberster Dieselfreund

Verkehrsminister Alexander Dobrindt
Foto: Maurizio Gambarini/ dpa"Ich hab's am Wochenende aus der Zeitung erfahren, wie alle anderen auch"
Mit diesen Worten reagiert Dobrindt am 23. September 2015 auf Fragen zur Dieselaffäre, die zu diesem Zeitpunkt noch eine VW-Affäre ist. Fünf Tage zuvor hat die US-Umweltbehörde EPA die Manipulationen bei Abgaswerten öffentlich gemacht. Die Grünen hatten schon im Sommer in Dobrindts Ministerium eine Anfrage zu dem Thema gestellt. Den Vorwurf, er habe frühzeitig vom Manipulationsverdacht gewusst, weist Dobrindt als "falsch und unanständig" zurück. Der "Bild"-Zeitung berichtet der Minister von einem "sehr konstruktiven" Gespräch mit VW-Chef Martin Winterkorn. Das Unternehmen habe "absolute Unterstützung zugesagt".
"Das war wohl in allen Fahrzeugen so der Fall"
So kommentiert Dobrindt am 15. Oktober 2015 Erkenntnisse, wonach allein in Deutschland rund 2,8 Millionen VW-Fahrzeuge mit aktiver Manipulationssoftware zugelassen sind. Nachdem zahlreiche neue Details zum Umfang der Affäre bekannt geworden sind, ruft das Dobrindt unterstehende Kraftfahrtbundesamt einen Großteil der Autos zurück.
"Der Diesel wird als hoch effiziente Kraftquelle nach wie vor bei der Mobilität eine große Rolle spielen müssen"
Mit dieser Aussage wehrt sich Dobrindt am 21. Dezember 2015 in der "Bild"-Zeitung gegen Forderungen, die Besteuerung von Dieselkraftstoff zu erhöhen. Auch mögliche Fahrverbote in Innenstädten weist er als "abwegig" zurück. Obwohl es zu diesem Zeitpunkt längst große Zweifel am Image des "sauberen Diesel" gibt, tritt der CSU-Politiker immer wieder wie ein Werbebotschafter für die Technologie auf.
"Die Pläne sind vollkommen unausgegoren und mobilitätsfeindlich"
Am 10. April 2016 stellt Dobrindt sich in der "Bild am Sonntag" erneut vor die Hersteller. Anlass ist diesmal ein Beschluss der Umweltminister von Bund und Ländern, wonach Städte für Bezirke mit besonders schlechter Luft Fahrverbote verhängen könnten. Unter den unterzeichnenden Ministern sind mehrere Unions-Politiker, auch Dobrindts bayerische Parteifreundin Ulrike Scharf. Der Verkehrsminister zeigt sich unbeeindruckt. "Das Ergebnis wäre ein faktisches Einfahrtverbot für Dieselfahrzeuge. Das werde ich nicht akzeptieren."
"Der Rückruf findet im Rahmen einer freiwilligen Serviceaktion statt"
So lapidar umschreibt Dobrindt am 22. April 2016 eine massive Ausweitung der Affäre: Von 53 getesteten Dieselmodellen ist bei Tests nahezu jedes zweite durchgefallen. Jetzt dürfen Audi, Mercedes, Opel, Porsche und VW rund 630.000 Autos "optimieren", wie Dobrindt es nennt. Zugleich macht sich der Minister einen Begriff der Autoindustrie zu eigen: Das "Thermofenster" umfasst einen Temperaturbereich, außerhalb dessen die Abgasreinigung deaktiviert wird - offiziell aus Gründen des Motorenschutzes. Dobrindt hält die Nutzung dieser Option durch die Konzerne für grundsätzlich mit EU-Recht vereinbar. Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages sieht das deutlich kritischer.
"Dieses unkooperative Verhalten von Fiat ist völlig unverständlich"
Während Dobrindt für einheimische Hersteller erstaunlich lange Verständnis aufbringt, kritisiert er Fiat bereits am 18. Mai 2016 scharf. Der Minister hatte die Italiener im Besitz des US-Konzerns Fiat Chrysler wegen verdächtiger Abgasmessungen ins Ministerium bestellt. Fiat sagt jedoch kurzfristig ab und begründet dies damit, die deutschen Behörden seien nicht zuständig.
"Der moderne Diesel leistet einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz und ist eine effiziente Kraftmaschine"
Im "Focus" vom 3. September 2016 setzt Dobrindt seinen Werbefeldzug für den Diesel fort. Das Bild von der "Kraftmaschine" gefällt ihm so gut, dass er es wenige Tage später in der "Wirtschaftswoche" wiederholt. Zwar konstatiert der Minister der Technologie mittlerweile eine "Vertrauenskrise", sie werde in den USA "aussterben" und habe "keine große Entwicklung" in Asien. In Europa aber sieht Dobrindt "den Diesel noch wenigstens 15, 20 Jahre im Einsatz".
"Das Land in Europa, das vollumfänglich aufklärt und umfassende Maßnahmen getroffen hat"
So beschreibt Dobrindt am 20. Oktober 2016 vor einem Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments die Rolle Deutschlands im Abgasskandal. Der Druck in den USA ist allerdings deutlich höher, dort stimmt VW wenige Tage später einer 16-Milliarden-Dollar-Entschädigung zu. Vor diesem Hintergrund wird auch Dobrindts Tonfall langsam kritischer: "VW hat betrogen, und deswegen ist VW dafür verantwortlich".
"Das ist im Sinne des Kunden die zielführende Lösung."
So lautet die Reaktion eines Dobrindt-Sprechers auf eine Ankündigung der EU-Kommission am 8. Dezember 2016: Die Brüsseler Beamten leiten gegen Deutschland und sechs weitere Länder ein Verfahren ein. Die von Dobrindt angekündigten Nachrüstungen reichen den Brüsseler Beamten nicht aus. Die nationalen Behörden in der EU müssten auch "darüber wachen, dass die Automobilhersteller die Rechtsvorschriften auch tatsächlich einhalten".
"Der schlechteste Ingenieur kann für sich die meisten Ausnahmen in Anspruch nehmen"
Am 16. Februar 2017 macht Dobrindt vor dem Abgasausschuss des Bundestags zum wiederholten Male EU-Vorschriften für den Skandal verantwortlich. Diese sorgten dafür, dass Hersteller ein zu großes Thermofenster definieren können. Dobrindts Ministerium forderte eine Ergänzung der Vorschriften, wonach Motorenschutz nur dann als Argument gelten soll, wenn "die beste verfügbare Technologie" im Wagen verbaut ist. Die Grünen vermuteten dahinter den Versuch, die Tricks der Autohersteller nachträglich zu legitimieren.
"Kartellrechtliche Absprachen wären eine zusätzliche Belastung für die Thematik, die wir gerade mit der Automobilindustrie haben"
So reagiert Dobrindt am 21. Juli 2017 auf den SPIEGEL-Bericht zu jahrelangen Absprachen unter Deutschlands Autoherstellern. Wie schon zu Beginn der VW-Affäre scheint Dobrindt von der Enthüllung überrascht zu werden - und fordert zunächst andere zum Handeln auf. Die Kartellbehörden müssten jetzt "die Vorwürfe detailliert untersuchen und gegebenenfalls notwendige Konsequenzen ziehen".
"Ich glaube nicht, dass meine Empfindungen maßgeblich sind"
Spätestens am 27. Juli 2017 könnte Dobrindt der Kragen platzen: Wegen weiterer Abschaltmechanismen muss er den Rückruf von 22.000 Porsche Cayenne sowie ein Zulassungsverbot verkünden. Den vom SPIEGEL aufgedeckten Trick hatte Porsche zunächst bestritten. Doch als Dobrindt nach seinen Gefühlen angesichts immer neuer Enthüllungen befragt wird, weicht er aus.
"Die Automobilindustrie hat hier eine verdammte Verantwortung, das Vertrauen wiederherzustellen und die begangenen Fehler zu beheben."
Kurz vor dem sogenannten Diesel-Gipfel verschärft Dobrindt so am 31. Juli 2017 in der "Bild am Sonntag" zumindest vorübergehend den Tonfall - freilich ohne einzelne Unternehmen beim Namen zu nennen.
"Ich bin ganz zuversichtlich, dass wir mit diesen Entscheidungen die Fahrverbote vermeiden"
Das scheint für Dobrindt die wichtigste Botschaft des Dieselgipfels am 2. August 2017 zu sein. Die deutschen Hersteller kommen dort mit einem einfachen Softwareupdate für betroffene Fahrzeuge davon, dessen Erfolg ungewiss ist. Das Ergebnis wird selbst von Unions-Vertretern wie dem Verkehrsexperten Thomas Jarzombek kritisiert. Der Verkehrsminister aber lässt sich einmal mehr schnell zufriedenstellen:
"Das ist in der Summe ein gutes Ergebnis".