
Generali-Altersstudie: Freud und Leid des Alters
Generationenstudie Deutsche Senioren genießen das Alter
Hamburg - Der Mythos vom Jungbrunnen existiert seit Jahrtausenden, er steht für die Sehnsucht, dem Älterwerden zu entgehen. Genauer gesagt dem, was damit nach gängiger Ansicht einhergeht - der körperlichen Gebrechlichkeit, dem geistigen Verfall, der Einsamkeit.
Diese Vorstellung bedarf im Deutschland der Gegenwart offenbar einer Korrektur, wie eine ebenso umfassende wie detaillierte Altersstudie jetzt belegt: Die meisten 65- bis 85-Jährigen fühlen sich demnach weitaus jünger, als sie tatsächlich sind. Sie sind überraschend aktiv, mobil und engagiert, zudem außerordentlich zufrieden und materiell auf hohem Niveau abgesichert.
Kurz: Keiner Rentnergeneration ging es bislang so gut wie dieser - zumindest im Schnitt. Denn auch im Alter sind die sozialen Unterschiede zwischen den Schichten in den vergangenen Jahrzehnten erheblich größer geworden, wenn auch nicht in derart hohem Ausmaß wie bei den jüngeren Altersgruppen. Und es gibt durchaus auch Armut unter den 65- bis 85-Jährigen, wenngleich sie einen deutlich kleineren Anteil betrifft als unter den Jüngeren.
Das sind die Ergebnisse der ersten Altersstudie des Instituts für Demoskopie Allensbach im Auftrag des Zukunftsfonds der Generali-Versicherung, die in Umfang und Tiefe bislang beispiellos ist: Mehr als 4000 65- bis 85-Jährige wurden in der Regel bei sich zu Hause ausführlich befragt. Die Stichprobe repräsentiert insgesamt 15,24 Millionen Menschen. Berücksichtigt wurde ausschließlich die Bevölkerung in Privathaushalten. Pflegebedürftige, die in Heimen leben, dürften nicht eingeschlossen sein. Im Jahr 2009 betraf das rund 335.000 Menschen im Alter von 65 bis 85 Jahren.
Die Interviewer erfassten für die Studie nicht nur Daten und Fakten, sondern auch Einstellungen, Interessen und Lebensstil der älteren Generation. Verknüpft wurden zudem Daten aus älteren Studien des Instituts, um langfristige Entwicklungen aufzuzeigen. Zudem haben für die rund 600 Seiten umfassende Taschenbuch-Ausgabe der Studie mehrere Altersforscher die Ergebnisse kommentiert und wissenschaftlich eingeordnet. Künftig soll die Studie alle vier Jahre durchgeführt werden, analog zu der bereits etablierten Shell-Jugendstudie.

Grafiken zur Generali-Altersstudie: Das Glück, betagt zu sein
Details aus der Befragung finden Sie zudem in dieser Fotostrecke.
Im Resultat entsteht ein ebenso vielschichtiges wie positives Bild der 65- bis 85-Jährigen in Deutschland. Sie sind mit ihrem Leben hochzufrieden - auf einer Skala von eins (überhaupt nicht zufrieden) bis zehn (völlig zufrieden) geben sie sie im Schnitt mit 7,4 ab. Nicht nur für die Senioren ist das eine gute Nachricht, sondern auch für den Rest der Gesellschaft. Denn die oft beschworenen negativen Folgen des demografischen Wandels werden offenbar dadurch abgemildert, dass die Deutschen zwar im Schnitt immer älter werden, aber leben und denken wie Jüngere. Im Schnitt fühlen sich die Menschen über 65 um rund zehn Jahre jünger, als sie tatsächlich sind - und ihr Lebensstil und Empfinden bestätigen das.
Aktiv, mobil und sportlich
"Sehr eindrucksvoll ist das starke Unabhängigkeitsstreben dieser Generation", sagt Renate Köcher, Chefin des Instituts für Demoskopie Allensbach. Im Schnitt sind 65- bis 85-Jährige an fünf Tagen in der Woche außer Haus unterwegs, nur ein Prozent kann die eigenen vier Wände nicht mehr verlassen. Mehr als zwei Drittel besitzen und nutzen ein Auto, vor allem ältere Frauen setzen sich deutlich häufiger hinter das Steuer als noch Mitte der achtziger Jahre. Im Vergleich zu ihren Altersgenossen damals fühlen sich die 65- bis 85-Jährigen heute zudem deutlich gesünder.
Dementsprechend aktiv sind ältere Menschen. Rund zwei Drittel achten auf ausreichende Bewegung, 37 Prozent treiben regelmäßig Sport. Das im Vergleich zu früher wesentlich stärkere Körperbewusstsein lässt sich auch an Details festmachen. So verwendet jede zweite Frau von 65 bis 74 Jahren regelmäßig Lippenstift - vor rund 30 Jahren war es nur rund jede vierte. Damals interessierte sich die Rentnergeneration kaum für Informationen über Haut- und Körperpflege, heute ist ihr Interesse dafür ähnlich hoch wie bei jüngeren Menschen.
Interessiert, engagiert und vernetzt
Neun von zehn älteren Menschen informieren sich täglich in den Medien über das Zeitgeschehen - allerdings nutzen bislang nur sechs Prozent zu diesem Zweck das Internet. 57 Prozent sehen sich ebenso in der Verantwortung für die Gesellschaft wie die Jüngeren, 45 Prozent engagieren sich ehrenamtlich - und leisten dabei enorm viel: Hochgerechnet entspricht ihre Arbeitszeit der von 870.000 Vollzeitbeschäftigten. Dabei gehören mit elf Prozent noch überraschend viele Menschen im Rentenalter ohnehin selbst zu den Erwerbstätigen, und nur jeder zweite Rentner freut sich darüber, nicht mehr arbeiten zu müssen.
Zudem sind ältere Menschen relativ gut vernetzt: Nur vier Prozent aller 65- bis 85-Jährigen fühlen sich häufig einsam. Vier Fünftel pflegen nach eigener Aussage langjährige Freundschaften, die meisten haben engen Kontakt zu ihrer Familie, insbesondere zu den eigenen Kindern und den Enkelkindern.
Gut situiert und abgesichert
Die meisten Rentner befinden sich in einer finanziell komfortablen Situation: Im Schnitt beträgt ihre Nettohaushaltseinkommen 2200 Euro. Nach Abzug von laufenden Kosten wie Miete, Kleidung und Nahrung bleibt ihnen mehr Geld zur freien Verfügung als den unter 65-Jährigen - und zwar quer durch alle sozialen Schichten. Zu diesen frei verfügbaren hohen Einkommen trägt bei, dass die meisten Senioren keine Miete zahlen müssen - zwei Drittel der Rentner besitzen eine Immobilie. Und sie sind sich ihres Wohlstands voll bewusst: Nur ein Prozent bewertet die eigene wirtschaftliche Situation als schlecht, 63 Prozent als gut oder sehr gut.
Allerdings belegt die Studie auch eine stark anwachsende soziale Ungleichheit - sowohl unter den Älteren als auch im Vergleich zu nachfolgenden Generationen: Das verfügbare Einkommen der Rentner stieg in den vergangenen 20 Jahren für das obere Seniorendrittel um 65 Prozent, für das untere lediglich um 28 Prozent.
Für die nächste Generation wird es schwerer
Fazit: Nie ging es deutschen Rentnern so gut wie heute - und wahrscheinlich wird es ihnen auch nie mehr so gut gehen. Das legen die Vergleichszahlen nahe, die in der Allensbach-Studie für die jüngere Generation aufgeführt werden: Ein großer Teil der unter 65-Jährigen kann aller Voraussicht nach keine Rente erwarten, die über dem Existenzminimum liegt. Und das untere Drittel der Jüngeren hat zudem kaum frei verfügbares Einkommen, das sie für das Alter ansparen könnte.
Es scheint also so, als würde die jetzige Rentnergeneration als die goldene in Erinnerung bleiben. Doch für die Jüngeren gibt es einen Trost: Glück im Alter hängt nur bedingt vom Wohlstand ab. Vor 30 Jahren war die materielle Situation der Rentner bei weitem nicht so gefestigt wie heute, stellt die Studie fest. 1983 waren jedoch 68 Prozent mit ihrem Leben zufrieden. Heute sind es 65 Prozent.