Konzept gegen steigende Strompreise Altmaiers unsichere Sicherung

Alle sollen zahlen, und am Ende bleibt der Strompreis sicher: Peter Altmaiers neues Energiewende-Konzept nimmt Industrie und Ökos gleichermaßen in die Pflicht. Politisch ist das clever, doch fachlich ist das Konzept wenig fundiert.
Umweltminister Altmaier: So gut wie jeder wird sich über seine Vorschläge aufregen

Umweltminister Altmaier: So gut wie jeder wird sich über seine Vorschläge aufregen

Foto: dapd

Hamburg - Am Ende legte der Minister selbst Hand an. Peter Altmaier persönlich habe das Konzept einer Strompreis-Sicherung am Wochenende geschrieben, erzählt man im Umweltministerium (BMU). Der Vorstoß des CDU-Mannes habe viele überrumpelt, nicht nur Altmaiers Kabinettskollegen, Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP). Auch die meisten im BMU bekamen das Papier erst am Montagmorgen, kurz vor der Pressekonferenz, zu sehen.

Was taugen die Pläne? Auch wenn sie an den entscheidenden Stellen vage bleiben, sie werden Altmaier viele Sympathien einbringen. Denn die Schlüsselbotschaft lautet: Lasst uns die Kosten der Energiewende für Verbraucher begrenzen!

Dafür will Altmaier das zentrale Förderinstrument für den Ausbau der erneuerbaren Energien einfrieren: die sogenannte EEG-Umlage.

Wind-, Solar-, Wasser- und Biogasanlagen können am Markt noch nicht mit Kohle- und Atomkraftwerken konkurrieren. Damit sie trotzdem rentabel sind, wird ihnen der Strom zu einem fixen Preis abgenommen. Dieser liegt deutlich über dem Preis an der Strombörse. Die Differenz von Börsenpreis und fixem Abnahmepreis zahlen die Verbraucher über ihre Stromrechnung.

Die Umlage ist zuletzt stark gestiegen: Im Jahr 2006 zahlten Verbraucher pro Kilowattstunde Strom noch einen Aufschlag von 0,88 Cent, im laufenden Jahr sind es schon 5,28 Cent. Nun soll erst einmal Schluss sein mit dem Preisschub: Nach Altmaiers Willen soll die Umlage bis Ende 2014 gar nicht mehr steigen und danach nur noch um maximal 2,5 Prozent pro Jahr.

Cleveres Wahlkampfmanöver

Man muss den Vorschlag auf zwei Ebenen betrachten. Wahlkampftaktisch ist er durchaus clever, weil er viele Beteiligte der Energiewende in die Verantwortung nimmt - und gegeneinander ausspielt.

Bei aller Kritik von Seiten der Grünen dürften sie es doch begrüßen, dass Altmaier den Stromfresserindustrien die Privilegien stutzen will, indem er sie ein wenig mehr EEG-Umlage zahlen lässt, und Industrieunternehmen, die auf dem eigenen Gelände Strom für den Eigenverbrauch produzieren, nicht länger komplett von der Umlage befreit.

Industrievertreter dürften sich mit diesen Vorschlägen schwertun. Die Liberalen äußern sich ausweichend. Es sei "absolut richtig", die Kosten zu begrenzen, sagte Rösler. Die Vorschläge für die Industrie aber werde man sich "erst mal ansehen".

Der FDP gefällt dafür, dass künftig auch die Betreiber von Ökostromanlagen der Energiewende Tribut zollen sollen - zum Beispiel, indem die Investoren neuer Anlagen in den ersten Monaten auf die EEG-Umlage verzichten. Das wiederum halten Grüne und Umweltverbände für eine Katastrophe.

Die Finesse des Vorschlags ist, dass er jeder Interessengruppe etwas bietet - und gleichzeitig alle aufregt. Altmaier nimmt den Grünen die Industrieprivilegien als Wahlkampfthema weg - und dem Koalitionspartner FDP das Thema Verbrauchergerechtigkeit. Die Vorschläge sind vage genug, um keine Angriffsfläche zu bieten. Und sollte das Altmaier-Konzept am Ende scheitern, stünde der Minister wohl trotzdem als Schutzmann der Verbraucher da. Er kann dann sagen: "Ich hab's ja probiert. Nur die Verhinderer aus FDP und Grünen haben mich nicht gelassen."

Lahmt der Ausbau von Ökostrom?

So versiert der Vorschlag politisch ist, so wenig fundiert ist er fachlich. Auch wenn Altmaier noch wenig zur konkreten Umsetzung seiner Stromsicherungsmaßnahmen sagt, sind schon jetzt einige Grundprobleme erkennbar.

So sollen neue Ökostromanlagen in den ersten Monaten keine EEG-Umlage erhalten, falls die Kosten aus dem Ruder laufen. Die vorenthaltene Förderung soll später nicht erstattet werden. Der Vorschlag ist somit die Option auf eine zusätzliche Kürzung der Förderung. Das BMU stellt es anders da: Anlagenbetreiber sollen ermutigt werden, ihre Elektrizität selbst an der Strombörse zu verkaufen, sagt ein Sprecher.

Dann ist da noch der "Energie-Soli" für bestehende Ökostromanlagen. Hier soll die Förderung nach Altmaiers Willen für einen begrenzten, nicht näher definierten Zeitraum um ein bis zu anderthalb Prozentpunkte abgesenkt werden, falls das Fördergeld mal knapp wird. Juristisch gesehen kommt das einem Vertragsbruch gleich. Doch nach Altmaiers Ansicht wäre das zulässig, solange der Verlust gering genug ausfällt.

So oder so sind beide Maßnahmen ein Unsicherheitsfaktor: Wie werden Investoren reagieren, wenn man plötzlich ihre Business-Pläne durcheinanderwirbelt? Altmaiers Sondermaßnahmen könnten Geldgeber verschrecken, unken Ökostromverbände. Das werde den Ausbau der erneuerbaren Energien bremsen.

Das mag ein wenig sehr pessimistisch sein. Doch auf jeden Fall dürften bei Ökostromprojekten die Risikoaufschläge für Kredite wachsen. Das Geld, das Verbraucher sparen, müssen Investoren und Projektbetreiber also an anderer Stelle draufzahlen. Fragt sich, ob es nicht sauberer - und möglicherweise auch kostengünstiger - wäre, die Fördersätze für Solar-, Bio- und Windenergie gleich direkt zu kappen.

Wie sicher ist der Strompreis wirklich?

Ein anderes Problem ist, dass Altmaiers Vorschläge den Ausbau erneuerbarer Energien stark an die Börsenstrompreise koppeln. Die EEG-Umlage steigt paradoxerweise auch dadurch, dass die Preise an der Strombörse sinken. Wenn der Strompreis sinkt, dann steigt die Differenz zwischen dem tatsächlichen Strompreis und dem fixen Abnahmepreis, den Betreiber von Ökostromanlagen garantiert bekommen - und die Verbraucher per EEG-Umlage ausgleichen müssen.

Die erneuerbaren Energien erhöhen das Stromangebot nun gerade in Zeiten großer Nachfrage - und senken dadurch den Strompreis an der Börse. Derzeit liegt er oft bei 40 Euro pro Megawattstunde. Experten gehen davon aus, dass der Preis weiter sinken wird.

Sollte das passieren, müssten Altmaiers Sparmechanismen umso stärker greifen. Schließlich soll die EEG-Umlage erst 2015 wieder steigen - und auch dann nur um höchstens 2,5 Prozent pro Jahr. Gleichzeitig wird in den kommenden Jahren auch noch der Ausbau der Windenergie auf hoher See an Fahrt gewinnen - eine sehr förderintensive Art der Stromerzeugung, die die EEG-Kosten zusätzlich steigern wird.

Der Umweltminister betont, dass es bei seinem Vorschlag nicht darum geht, den Ausbau der erneuerbaren Energien zu begrenzen. Es könnte sich bald zeigen, dass die Strompreise trotz Sicherung gar nicht so sicher sind.

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