Steigende Zinsen Spanien taumelt Richtung Pleite

Börse in Madrid: Spanien sucht vergeblich nach billigem Geld
Foto: ANDREA COMAS/ REUTERSHamburg - Die Auktion war ein Test. Ein Vertrauenstest für das bis zu 100 Milliarden Euro schwere Rettungspaket für Spanien. Am Vormittag versuchte die Regierung in Madrid das erste Mal am Markt Geld zu leihen, seit sie EU und Internationalen Währungsfonds (IWF) um Hilfen für ihre Banken gebeten hatte.
Spanien hat den Test nicht bestanden. Die Anleger sind nervös, die Zinsen für Staatsanleihen in bedenkliche Höhen gestiegen. Wenn die Regierung sich für ein Jahr Geld leihen will, muss sie Anlegern inzwischen mehr als fünf Prozent Rendite bieten; im Mai waren es noch unter drei Prozent. Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren wurden am Mittwoch gar mit einer Rendite von bis zu 7,24 Prozent gehandelt. Seit der Euro 1999 an den Finanzmärkten eingeführt wurde, war die Kreditaufnahme für die spanische Regierung nicht mehr so teuer.
Die Zinsen für spanische Anleihen liegen damit in einem Bereich, in dem sie das Haushaltsdefizit spürbar in die Höhe treiben und sich ein Staat kaum noch aus eigener Kraft finanzieren kann. Der spanische Ökonom Luis Garicano von der London School of Economics spricht von einer "alarmierenden Situation".
Die Anlegerskepsis erinnert an die Entwicklungen in Griechenland, Irland und Portugal. Auch in diesen Ländern stiegen die Renditen für zehnjährige Anleihen zunächst über sieben Prozent, dann mussten die Staaten Hilfen aus dem EU-Rettungsschirm beantragen - und verloren dadurch vollends ihre Unabhängigkeit. Die Märkte werteten die EU-Hilfen als Zeichen, dass sich die Länder nicht länger eigenständig finanzieren können. Die Renditen für ihre Anleihen stiegen weiter: bei Irland und Portugal auf weit mehr als zehn Prozent, bei Griechenland zu Spitzenzeiten auf fast 50 Prozent. In Bereiche, in denen es für Staaten fast unbezahlbar wäre, selbst Schulden aufzunehmen.
Vom Kapitalmarkt abgeschottet
Es ist fast wie ein Naturgesetz der Euro-Krise: Staaten, die unter den Rettungsschirm müssen, sind auf Jahre weitgehend vom Kapitalmarkt abgeschottet. Bei den kleinen Ländern Griechenland, Irland und Portugal war das noch ein beherrschbares Problem. Sie brauchen zwar regelmäßig frisches Geld, um alte Schulden durch neue abzulösen. Doch ihr Finanzbedarf liegt in einem Bereich, den die anderen Staaten der Währungsunion im Kollektiv decken können - über die europäischen Rettungsschirme EFSF und ESM.
Bei Spanien, der viertgrößten Volkswirtschaft der Euro-Zone, sieht das anders aus. Bis 2014 braucht das Land rund 288 Milliarden Euro. Würden die Zinsen für spanische Staatsanleihen weiter steigen, hätte die Euro-Zone ein gewaltiges Problem. Sie könnte das Land mit den bestehenden Mitteln nicht jahrelang durchfüttern. Die Rettungsschirme reichen dafür schlicht nicht aus.
Doch dieses Szenario ist durchaus realistisch. Spanien laufen schon jetzt die Kreditgeber davon. Wie der IWF kürzlich festgestellt hat, stoßen ausländische Anleger spanische Staatsanleihen inzwischen ab. Käufer sind jetzt vor allem nationale Banken. Und da die Nachfrage nach den Schuldpapieren sinkt und die Belastung der Regierung durch die Bankenkrise zunimmt, steigen die Zinsen immer weiter.
Die Euro-Retter wollen vermeiden, dass Spanien unter einem ähnlichen Zinsschub leidet wie Griechenland, Irland und Portugal. Ihr Kalkül ist, den Finanzsektor vom Rest des Landes zu trennen. Nach dem Motto: Spaniens Banken schlüpfen unter den Rettungsschirm; Spanien nicht. Es finanziert seine Schulden weiter aus eigener Kraft. Die Regierung in Madrid hat deshalb explizit um eine Finanzspritze für ihre Banken gebeten, und die Euro-Retter haben immer wieder betont, dass nur der spanische Finanzsektor Geld braucht, nicht das Land selbst. Besonders überzeugt wirken die Anleger nicht - und das aus gutem Grund.
Die Märkte machen die Trennung von Staats- und Bankenrettung nicht mit
Bisher ist angedacht, dass EU und IWF der Regierung in Madrid die Hilfen zahlen - und diese sie über ihren Bankenrettungsfonds Frob an die Institute weiterreicht. Aus Sicht der Euro-Retter ist dieses Procedere verständlich, schließlich können sie nur so dafür sorgen, dass die spanische Regierung im Gegenzug für die Hilfsgelder bestimmte Spar- und Restrukturierungsauflagen erfüllt. Direkte Zahlungen an die spanischen Banken könnten Kanzlerin Angela Merkel und andere Regierungschefs vor ihren Parlamenten und Wählern wohl nicht rechtfertigen: Die Verwendung der Gelder ließe sich kaum kontrollieren.
So aber besteht die Gefahr, dass der Markt nicht differenziert und Spanien komplett unter den Schirm gedrängt wird. "Die Zinsen sind gestiegen, weil sich durch die zugesagten Hilfen für Spanien die Schulden der Regierung erhöhen", sagt Dorothea Schäfer, Finanzmarktexpertin beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. "Die Märkte machen die von der Politik suggerierte Trennung von Staats- und Bankenrettung nicht mit", sagt Hans-Peter Burghof, Bankenprofessor an der Universität Hohenheim.
Eine Lösung ist nicht in Sicht. Die Probleme dürften sich in den kommenden Monaten eher verschärfen. Spaniens Unternehmen und Verbraucher sind hoch verschuldet und bauen diese Schulden nun ab, das lähmt den Konsum. Die Wirtschaft steckt in der Rezession, die Industrieproduktion lahmt, die Arbeitslosigkeit steigt. Durch den Abschwung bekommen immer mehr Schuldner Probleme, ihre Kredite zu zahlen - was die Löcher in den Bilanzen der Banken weiter vergrößert. Spanische Zeitungen berichten bereits, dass die angedachte 100-Milliarden-Hilfe womöglich nicht ausreicht. In einem Bericht zur Lage des Bankensektors, den die Unternehmensberatungen Oliver Wyman und Roland Berger in der laufenden Woche veröffentlichen wollen, sei von bis zu 150 Milliarden Euro die Rede.
Es wird somit nicht nur an den Märkten befürchtet, dass ein reines Hilfspaket für die Banken Spanien nicht retten wird. Vermutlich muss die Europäische Zentralbank erneut im großen Stil spanische Staatsanleihen kaufen, um deren Zinsen zu drücken. Oder sie wird die Märkte mit Geld fluten. Die Alternative ist, dass die spanische Regierung trotz aller Dementi selbst unter den Rettungsschirm schlüpft - und dieser deutlich aufgestockt wird.