Anlegen in Krisenzeiten Goldjünger der Apokalypse

Südafrikanische Krüger-Rand-Münzen: Goldanlagen sind derzeit gefragt wie nie
Foto: © Siphiwe Sibeko / Reuters/ REUTERSSo sieht also ein Untergangsprophet aus: Mitte 40, Föhnfrisur, Dreitagebart. Jürgen Fröhlich sitzt in einem Biergarten in der Nürnberger Altstadt. Seine Stimme klingt ruhig. Ganz anders, als man es von einem erwartet, der fest mit dem Kollaps des Wirtschaftssystems rechnet.
"Wir sind in der Endphase", sagt Fröhlich und klingt dabei so gefasst, als würde er über die jährliche Autoinspektion reden. Das heutige Papiergeld, ob Euro oder Dollar, werde vermutlich bald wertlos sein. "Damit ein neues System entsteht, muss die Weltwirtschaft aber wohl erst komplett zusammenbrechen, ähnlich wie im Zweiten Weltkrieg," Und dann? Dann kommt die Stunde des Goldes.
Fröhlich verdient seinen Lebensunterhalt mit der Angst anderer Leute. Er betreibt die Internetseite goldreporter.de, die Anlegern Tipps gibt, wie sie ihr Vermögen am sichersten aufbewahren: natürlich in Gold. "Klar will ich damit auch Geld verdienen", sagt Fröhlich. Sein Unternehmen finanziere sich im Wesentlichen durch die Werbeanzeigen von Goldhändlern. "Aber ich stehe hinter allem, was auf der Seite zu lesen ist."
Seit Beginn der jüngsten Finanzkrise im Jahr 2008 ist der Goldpreis dramatisch gestiegen. Eine 31 Gramm schwere Feinunze kostete damals knapp 900 Dollar - schon das war ein Rekord. Bis heute hat sich der Preis etwa verdoppelt. Anfang dieser Woche kletterte er erstmals über die Marke von 1900 Dollar - danach folgte die erste größere Korrektur des rasanten Aufwärtstrends. Doch schon am Freitag ging es wieder nach oben.
Die Angst vor der Währungsreform
Internetangebote wie das von Fröhlich erhalten durch den Goldrausch riesigen Zulauf. "Die Reichweite der Seite hat sich seit dem vergangenen Jahr verdoppelt", schwärmt Fröhlich. Richtig groß sei der Andrang seit Anfang Juli, als die Zweifel an der Kreditwürdigkeit Spaniens und Italiens die Euro-Krise noch einmal verschärften - und auch die Schuldenkrise der USA in den Fokus der Öffentlichkeit rückte.
"Weite Teile der Bevölkerung haben erkannt, dass etwas schief läuft", sagt Fröhlich. Das Argument, der Goldpreis sei in den vergangenen Monaten zu schnell und zu steil gestiegen und könnte deshalb bald wieder tief fallen, lässt er nicht gelten. Natürlich könne es Korrekturen geben. Aber den meisten Goldkäufern gehe es weniger um ein Investment, mit dem sie Geld verdienen wollten, sondern vielmehr um eine Absicherung, um ihr Vermögen über die Krise zu retten.
Dass diese Krise kommt, davon sind offenbar immer mehr Menschen überzeugt. Bei Google haben in den vergangenen zwölf Monaten ebenso viele Nutzer die Suchwortkombinationen "Währungsreform 2011" oder "Währungsreform 2010" eingegeben wie "Währungsreform 1948" - dabei hat es letztgenanntes Ereignis tatsächlich gegeben. Einer Umfrage der Zeitschrift "Stern" zufolge denkt zudem jeder dritte Deutsche darüber nach, Gold zu kaufen.
"In den vergangenen Monaten ist einiges passiert, was viele sich nicht hatten vorstellen können", sagt der studierte Betriebswirt Fröhlich. Und damit liegt er wohl richtig: Wer hätte gedacht, dass die Europäische Zentralbank die Schulden von Ländern wie Spanien, Italien oder Griechenland durch Anleihekäufe finanziert? Oder dass die größte Rating-Agentur Standard & Poor's die Kreditwürdigkeit der USA in Frage stellt. "Was vor zwei Jahren noch als Verschwörungstheorie galt, ist heute Fakt", sagt Fröhlich.
Seine Goldreporter-Seite ist nur eine von vielen im Netz, die um die Themen Gold und Währungskollaps kreisen - und sie gehört zu den seriöseren. Wesentlich verschwörerischer geht es da zum Beispiel auf hartgeld.com zu, einer Seite, die vom selbsternannten Währungsexperten Walter K. Eichelburg aus Wien gesteuert wird. Hier suhlen sich die Untergangsfans in immer neuen Horrorszenarien - auch wenn die manchmal haarscharf an der Realität vorbeigehen.
Im vergangenen Jahr zum Beispiel konnte man auf hartgeld.com Details über eine unmittelbar bevorstehende Währungsreform in Deutschland lesen. Der Termin für die Ansprache der Kanzlerin wurde bereits verkündet - und mehrere Geldtransporter mit mutmaßlichen D-Mark-Scheinen gesichtet. Die Indizien schienen so klar, dass Eichelburg seine Leser auf die "überfallartige Einführung einer neuen Währung" vorbereitete.
Es kam bekanntlich anders. Doch Eichelburg ließ sich nicht entmutigen. "Jetzt wird es wirklich ernst", schrieb er vor wenigen Wochen in einem Einladungsschreiben zu einem "Crash-Seminar". Nun könne es "jederzeit losgehen". Mittlerweile ist Eichelburg vollständig in Deckung gegangen. Auf der Internetseite, die seine Seminare anpreist, steht nur noch ein kurzer Hinweis: "Das war es. Neue Seminare erst nach dem Crash."
Die staatliche Geldschöpfung als Wurzel allen Übels
Man muss weder verrückt noch kriminell sein, um das aktuelle Geldsystem zu kritisieren. Die Zweifel ziehen sich bis hinein in die feine Frankfurter Bankenwelt. Thorsten Polleit trägt Anzug, Krawatte und Manschettenknöpfe.
Seine Haare hat er guttenbergisch streng nach hinten gekämmt. Er sitzt vor einem italienischen Lokal mit Blick auf die Frankfurter Oper, auf dem Tisch ein Glas mit schwerem Rotwein. Polleit ist Volkswirt bei der britischen Investmentbank Barclays Capital. Wenige hundert Meter von hier, im vornehmen Westend, liegt sein Büro. Jetzt hat er Feierabend. Und Zeit, über die Geldreform zu reden.
"Es mag eine unangenehme Einsicht sein, aber das gegenwärtige Geld- und Kreditsystem verursacht zwangsläufig Finanz- und Wirtschaftskrisen", sagt Polleit. "Das haben die Ökonomen der Österreichischen Schule der Nationalökonomie gezeigt."

Schuldenkrise: Die Tücken des Goldpreises
Polleit ist so etwas wie die intellektuelle Speerspitze der Geldzweifler. Seine Augen blitzen, wenn er über Immanuel Kants "synthetisches Urteil a priori" und Ludwig von Mises' "Axiom des menschlichen Handelns" redet. Mises ist einer der Begründer der Österreichischen Schule, auf deren Theorien sich Polleit und seine Mitstreiter stützen.
Die Wurzel allen Übels ist demnach die Geldschöpfung durch Kredit. Sie ist dafür verantwortlich, dass es zu Konjunkturzyklen und damit auch zu Krisen kommt. "Die Geldproduktion ist de facto verstaatlicht", sagt Polleit. "Die Notenbanken bestimmen, wie viel Geld umläuft, und zu welchem Zins es angeboten wird. Geschäftsbanken können durch Kreditgewährung Geld produzieren, weil sie gewissermaßen eine staatliche Lizenz zur Geldproduktion haben."
Fiat-Geld nennen die Anhänger der Österreichischen Schule das, was dabei entsteht. Der Begriff ist vom lateinischen fiat ("Es werde") abgeleitet. Er soll deutlich machen, dass das Geld nur aufgrund eines hoheitlichen Beschlusses als Tauschwährung akzeptiert wird.
"Im heutigen Fiat-Geldstandard schaffen Geschäftsbanken und Notenbanken Geld per Kreditvergabe, ohne dass eine echte Ersparnis vorliegt", sagt Polleit. Ökonomisch betrachtet könne man das als "Geldschaffen aus dem Nichts" bezeichnen.
Selbst der Weltbank-Chef will zurück zum Goldstandard
Das Problem dabei: Die ungezügelte Kreditvergabe senkt die Zinsen künstlich ab und heizt die Investitionen an. Diese können aber nur dann erfolgreich sein, wenn die Zinsen immer weiter gesenkt werden - ein Kreislauf, der zwangsläufig zur Ausweitung der Geldmenge und damit zur Entwertung der Währung führt.
Irgendwann wird das System nach dieser Theorie kollabieren. Wann, weiß auch Polleit nicht. Er ist sich seiner Außenseiterrolle bewusst. Das aktuelle Geldsystem werde allgemein anerkannt. "Die Politik der niedrigen Zinsen ist in."
Trotzdem erfahren die Ansichten der Österreichischen Schule laut Polleit in der Finanzwelt immer mehr Zuspruch. "In den Jahren vor der Krise gab es häufig Erstaunen, wenn ich die Erkenntnisse dieser Theorie vorgebracht habe", berichtet der Banker. "Jetzt in der Krise ist das Interesse umso größer, weil Investoren nach Erklärungen suchen für Entwicklungen, die von der Mainstream-Ökonomik weder prognostiziert wurden noch erklärt werden können."
Der Stimmungswandel hat offenbar auch wichtige internationale Institutionen erfasst. Wie sonst ist es zu erklären, dass der Chef der Weltbank, Robert Zoellick, kürzlich ein neues System internationaler Wechselkurse forderte - inklusive eines neuen Goldstandards.
Der letzte Goldstandard wurde vor ziemlich genau 40 Jahren abgeschafft. Am 15. August 1971 hob der damalige US-Präsident Richard Nixon die Goldbindung des Dollars auf. Bis dahin konnte jeder für seine Dollarnoten Gold einfordern - eine Feinunze gab es für 35 Dollar. Die anderen Währungen der Welt waren wiederum an den Dollar gekoppelt. Alles Papiergeld stand also in Relation zum Gold - und konnte von den Notenbanken nicht beliebig nachgedruckt werden.
Die Rückkehr zu einem solchen System ist so etwas wie die Minimalforderung der Währungsskeptiker. Doch schon die dürfte heute nur schwer zu realisieren sein - zu groß sind die Schulden im Vergleich zu den begrenzten Goldvorräten. Webseiten-Betreiber Fröhlich ist sich jedenfalls sicher: "Vor der Rückkehr zum Goldstandard müsste es einen Währungsschnitt geben." Und den wollen die meisten Menschen dann doch lieber vermeiden.