Arbeitgeber kritisieren höheren gesetzlichen Mindestlohn »Schwächung der Sozialpartnerschaft«

Die Ampelkoalition will den gesetzlichen Mindestlohn auf zwölf Euro erhöhen. Arbeitgeberchef Kampeter sieht dadurch die Arbeit der Mindestlohnkommission ausgehöhlt – und kritisiert die Gewerkschaften.
Beschäftigter bei Amazon – der Onlinehändler zahlt bereits mindestens zwölf Euro pro Stunde

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Foto: Jens Büttner / dpa

Es gibt europäische Wohlfahrtsstaaten, die lehnen flächendeckende Mindestlöhne ab, zum Beispiel Dänemark. Dank Tarifbindung für mehr als 80 Prozent aller Beschäftigten in dem Land fällt das nicht weiter ins Gewicht, die Macht von Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden ist ungebrochen.

In Deutschland dagegen profitieren nur noch deutlich weniger als die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von Tarifverträgen. Dennoch verweist die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) angesichts der geplanten Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns auf zwölf Euro auf ihre Rolle in der Partnerschaft mit den Gewerkschaften.

BDA-Hauptgeschäftsführer Steffen Kampeter wirft den Gewerkschaften vor, der Tarifbindung mit einem höheren Mindestlohn zu schaden und die Sozialpartnerschaft zu schwächen. »Wir haben alle Entscheidungen in der Mindestlohnkommission in der Vergangenheit einstimmig getroffen. Gewerkschaften und Arbeitgeber standen gemeinsam für Maß und Mitte«, sagte Kampeter der »Neuen Osnabrücker Zeitung«. Hintergrund ist, dass sich unter anderem auch der Deutsche Gewerkschaftsbund seit Längerem für einen gesetzlichen Mindestlohn von zwölf Euro einsetzt.

Arbeit der Mindestlohnkommission ausgehöhlt?

Wer jetzt nach dem Staat rufe, stelle seine eigenen Beschlüsse infrage – »nicht nur in der Mindestlohnkommission, sondern auch bei über hundert Tarifverträgen, die unter zwölf Euro liegen und von Mitgliedsgewerkschaften unterzeichnet wurden«, so Kampeter. Politik und Gewerkschaften »zerfledderten« die Arbeit der Kommission. Die künftige Bundesregierung aus SPD, Grünen und FDP will den Mindestlohn bundesweit rasch für alle Branchen auf zwölf Euro anheben.

Kampeter versicherte, die Arbeitgeber wollten weiter konstruktiv daran mitarbeiten, die Tariflohnentwicklung als Mindestlohnmaßstab zu erhalten. Zugleich kritisierte er: »Wenn die Gewerkschaften das nicht mehr wollen, dann ist das ein Beitrag zur Verringerung von Tarifbindung und Schwächung der Sozialpartnerschaft. Es sind nicht die Arbeitgeber, die das gemeinsame Handlungsfeld verlassen.«

Kampeter warf den Gewerkschaften zudem Irreführung vor: »Sie belasten das Vertrauen, das in der Mindestlohnkommission gewachsen ist, indem sie allein die Mindestlohnhöhe in den Mittelpunkt der Debatte stellen. Das ist eine kaum akzeptable Irreführung der Öffentlichkeit, denn keiner schließt einen zukünftigen Anstieg des Mindestlohns aus.«

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EU-Länder erwägen europaweit Mindestlöhne

Unterdessen werden sich auch Dänemark und andere Länder künftig womöglich an eine stärkere gesetzliche Regulierung der Mindestlöhne – und eine Einmischung Brüssels in die eigene Sozialpolitik gewöhnen müssen: Die EU-Staaten haben sich gegen die Stimmen von Dänemark und Ungarn diese Woche auf eine gemeinsame Position für Verhandlungen über einen europäischen Mindestlohn geeinigt.

Künftig sollen gesetzliche Mindestlöhne demnach anhand »stabiler und klarer« Kriterien festgelegt werden. Dazu zählen etwa die Kaufkraft der gesetzlichen Mindestlöhne, das allgemeine Lohnniveau und das Lohnwachstum.

Allerdings wollen die EU-Länder sich künftig auch dafür einsetzen, dass nationale Aktionspläne entwickelt werden, wenn in einem Land weniger als 70 Prozent der Löhne durch Tarifverhandlungen zustande kommen.

apr/dpa
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