Arbeitsmarkt in Deutschland 3,4 Millionen Menschen haben mehrere Jobs

Statt Feierabend wartet der zweite Job: Immer mehr Menschen üben mehr als eine Beschäftigung aus. Das geschieht wahrscheinlich oft aus Geldnot.
Pizzalieferant (Archivbild)

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Foto: A3923 Angelika Warmuth / picture alliance / dpa

Die Zahl der Mehrfachbeschäftigten ist in den vergangenen 15 Jahren kontinuierlich gestiegen. Rund 3,4 Millionen Menschen in Deutschland üben aktuell mehr als einen Job aus, das sind 150.000 mehr als noch Mitte 2017. Das geht aus der Antwort der Bundesagentur für Arbeit (BA) auf eine Anfrage der Linken im Bundestag hervor.

  • Die häufigste Kombination: eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung mit mindestens einem Minijob. So machen es rund 2,9 Millionen Menschen in Deutschland.
  • In knapp 330.000 Fällen wurden dagegen mindestens zwei sozialversicherungspflichtige Jobs kombiniert.
  • Rund 270.000 Menschen haben mindestens zwei Minijobs.

"Einkommen aus einem Job reicht nicht"

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Sabine Zimmermann, die die Anfrage gestellt hatte, sagte der dpa: "Für immer mehr Beschäftigte reicht das Einkommen aus einem Job nicht mehr aus."

Das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), die Forschungseinrichtung der BA, wies darauf hin, dass Nebenjobber im Schnitt in ihrem Hauptjob deutlich weniger verdienten als Menschen ohne Nebenjob. IAB-Forschungsbereichsleiter Enzo Weber: "Das deutet darauf hin, dass relativ viele Nebenjobber auf das zusätzliche Geld angewiesen sind."

Das treffe aber nicht auf alle zu. Zweitjobs kämen nicht nur in bestimmten Branchen, bei bestimmten Personen oder im Fall bestimmter Motive vor, sagte Weber.

Nebenjob, der Spaß bringt

Laut einem Bericht des IAB  gibt es neben finanziellen Motiven auch andere Gründe für einen Zweitjob, etwa den Hauptjob um Tätigkeiten zu ergänzen, die Spaß machen oder Prestige einbringen. "Beispiele sind der Universitätsprofessor, der als Berater in Wirtschaft oder Politik tätig ist, oder aber der Fließbandarbeiter, der abends gegen Entgelt Konzerte mit der Band gibt."

Vor allem machte Weber darauf aufmerksam, dass der erste Minijob im Nebenjob für den Arbeitnehmer komplett steuer- und abgabenfrei ist. "So eine starke Subvention möchten dann natürlich ganz verschiedene Personen nutzen."

Angesichts der schwachen Lohnentwicklung bis Mitte/Ende der Nullerjahre habe für diesen Zeitraum wohl die Zahl derer zugenommen, deren Einkommen ohne Nebenjob nicht ausreiche. Nachdem die Löhne seit Jahren aber wieder deutlich stärker gestiegen seien, sei die extreme Begünstigung von Nebenjobs die wohl wichtigste Ursache für deren Zunahme, so Weber.

Minijobs tragen nicht zur Alterssicherung bei

Politikerin Zimmermann forderte: "Minijobs müssen in sozialversicherungspflichtige existenzsichernde Beschäftigung überführt werden." IAB-Forscher Weber wies auf Nachteile der Begünstigung von Nebenjobs hin. Für diese Jobs werde meist nicht in die Rentenkasse eingezahlt, sie trügen also nicht zur Alterssicherung bei.

"Und die meisten Nebenjobs dürften auch nicht zu nachhaltiger beruflicher Entwicklung und Arbeitsmarktintegration führen." Bei Geringverdienern könne die Kopplung einer Unterstützung an einen Nebenjob auf ein falsches Gleis führen. Arbeitsmarktintegration gelinge eher im Hauptjob.

wbr/dpa
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