Wirtschaftskrise Argentinier räumen ihre Konten leer

Lange Schlangen vor den Banken, die Landeswährung im Keller: Die Wirtschaftskrise in Argentinien spitzt sich zu. Präsident Macri muss um sein Amt fürchten.
Wartende vor einer Bank in Buenos Aires: "Zeichen der Verzweiflung"

Wartende vor einer Bank in Buenos Aires: "Zeichen der Verzweiflung"

Foto: RONALDO SCHEMIDT / AFP

"All die Leute heben ab, was sie haben - oder zumindest einen Teil davon", sagte Julio Nuova. Sie wollten ihr Geld derzeit lieber zu Hause haben, sagte der 61-jährige Bankkunde. Die von der Regierung eingeführten Kapitalkontrollen haben die Menschen in Argentinien verunsichert. In der Hauptstadt Buenos Aires standen viele Menschen vor den Filialen der Geldhäuser an, um ihre Einlagen abzuheben.

Inmitten der Wirtschaftskrise hatte Argentinien eine Einschränkung des Devisenhandels beschlossen, um die Landeswährung Peso zu stützen. Die Regierung des wirtschaftsliberalen Staatschefs Mauricio Macri veröffentlichte ein Dekret, wonach große Exporteure künftig eine Erlaubnis der Notenbank für den Kauf von Fremdwährungen und zur Überweisung von Devisen ins Ausland einholen müssen. Die Maßnahmen gelten zunächst bis zum 31. Dezember.

Für Privatpersonen, die die US-Währung erwerben wollen, gilt künftig eine monatliche Obergrenze von 10.000 Dollar. Mit dem Schritt will die Regierung die anhaltende Wirtschaftskrise im Land bekämpfen. In dem Dekret heißt es, die Maßnahmen seien nötig, um "den Devisenhandel intensiver zu regulieren und das normale Funktionieren der Wirtschaft zu stärken".

IWF-Kredite in Höhe von 100 Milliarden Dollar

Argentinien befindet sich seit 2018 in der Rezession. Die Arbeitslosenrate in dem südamerikanischen Land war zuletzt angestiegen. Mit mehr als 55 Prozent hat Argentinien eine der höchsten Inflationsraten weltweit. Seit dem 11. August verlor der Peso zum Dollar annähernd ein Viertel an Wert. Zu dem Zeitpunkt hatte Macri eine Vorwahl gegen seinen linksgerichteten Herausforderer Alberto Fernandez verloren. Dieser gilt nun als Favorit für die Präsidentenwahl im Oktober. Nach der historischen Vorwahlschlappe geriet Macri in Panik - und überschüttet das Volk mit Geld. Er versprach unter anderem Steuererleichterungen und einen höheren Mindestlohn.

Dennoch verschärfte sich vergangene Woche die Krise, als es Finanzminister Lacunza nicht gelang, auslaufende Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit neu zu finanzieren - und er deswegen längere Laufzeiten ins Spiel brachte. Das hoch verschuldete Land will sich damit finanziell Luft verschaffen. Es geht um Bonds sowie um Kredite des Internationalen Währungsfonds im Gesamtwert von rund 100 Milliarden Dollar.

Zweifelhafte Stabilisierung

Auch die Einschränkung des Devisenhandels konnte die Wirtschaftslage nun nur nach offizieller Lesart stabilisieren. Zwar wertete der offizielle Kurs um 0,88 Prozent zum Dollar auf. Auf dem Schwarzmarkt fiel er hingegen um 0,8 Prozent auf einen Kurs von 63,5 je Dollar. Die Kurse für argentinische Staatsanleihen fielen auf Rekordtiefs.

Mit den Kapitalkontrollen vollzog Präsident Macri aber erneut einen Kurswechsel. Er hatte die Präsidentschaftswahl 2015 mit dem Versprechen gewonnen, die drittgrößte Volkswirtschaft Lateinamerikas zu normalisieren, die von der Vorgängerregierung bevorzugten Kontrollen aufzugeben. "All diese Maßnahmen haben Stabilität als zentrales Ziel", verteidigte Finanzminister Hernan Lacunza den Schritt.

Zentralbankpräsident Guido Sandleris bezeichnete das heimische Finanzsystem als stark. Die Notenbank werde ihre strenge Geldpolitik trotz der Währungsrestriktionen beibehalten. Finanzexperten wie Michael Bolliger von UBS Wealth Management interpretieren die Kapitalkontrollen dagegen eher als ein als "Zeichen der Verzweiflung".

apr/Reuters
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