
Armin Laschet und die Wirtschaft Da lacht der Chinese nur


Armin Laschet: »Marktwirtschaftliche Anreize, keine bürokratische Planwirtschaft«
Foto: Michael Kappeler / DPAEs geht in dieser Kolumne gerade öfter um Friedrich Merz und so. Man muss sich ja damit beschäftigen, was Leute inhaltlich vorhaben, die bald Angela Merkel werden könnten. Zumal sich in ein paar Wochen entscheidet, wer den Vorsitz der Partei übernimmt.
Gerade hat einer der Kandidaten in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung« ausführlich dargelegt , wofür er und sein Teampartner Jens Spahn stehen. Armin Laschet beschrieb darin ziemlich eindrucksvoll, was im Land alles »neu gedacht« werden muss. Klingt super. Nur dass das, was dann kommt, nicht ganz so brandneu wirkt.
In der Coronakrise werde schonungslos offengelegt, wie groß die Herausforderungen seien, schreibt Laschet. Ja. Ob der »Aufstieg Chinas« und die »damit verbundenen tektonischen geopolitischen Verschiebungen« – wow. Oder der »Klimawandel« und die Notwendigkeit einer »fundamentalen Transformation unserer wirtschaftlichen Lebensadern« – etwas schräg, aber das kracht. Bis hin dazu, dass Globalisierung und Digitalisierung nicht nur toll sind, sondern »uns das Prinzip Disruption umfassender nahebringen« (ein bisschen lebensnäher hätte er es schon formulieren können). Dazu komme, dass Deutschland in den vergangenen Jahren viel zu wenig investiert habe.
Das wiederum führe zur großen Aufgabe der CDU, »wieder einmal« eine »Zukunft ohne gesellschaftliche Verwerfungen zu ermöglichen«, so Laschet. Jahrhundertprogramm. Damit nicht das passiert, was im sogenannten amerikanischen Rust Belt oder in den nordenglischen Städten passiert sei, die vor vier Jahren Trump beziehungsweise den Brexit gewählt haben – als Reaktion darauf, dass dort der industrielle Niedergang nicht menschlicher begleitet wurde.
Kurz Luft holen. Dafür brauche es »neue Ideen«, so Laschet. Ja. Und all das werde nicht gelingen »mit abgestandenen Ritualen« und den »immer gleichen Satzbausteinen aus der parteipolitischen Phrasendreschmaschine«; oder mit »einem verklärt-nostalgischen Blick auf die Welt von gestern«.
Da lacht der Chinese nur
Klingt prima. Und kommt ja in der Tat dem nahe, was heute in Fachkreisen erörtert wird. Würde in Laschets Bewerbungsschreiben dann nicht das eine oder andere folgen, was – vorsichtig ausgedrückt – mit dem Anspruch nicht so ganz mitzuhalten scheint.
Da müssen für Start-ups mal wieder »bürokratische Hürden abgebaut« werden. Da brauchen »unsere Familienunternehmen« mehr denn je »bessere Rahmenbedingungen«. Und Firmen »Freiraum«, aber »keine staatlichen Kümmerer«. Damit mehr in Zukunftstechnologien investiert wird, braucht es, natürlich, »schnellere Planungen und weniger Auflagen«. Und der Klimawandel? Braucht »marktwirtschaftliche Anreize, keine bürokratische Planwirtschaft«. Das gehe nicht »per Verordnung oder Gesetz«. Ach, und wer über höhere Steuern nur nachdenkt, offenbart dagegen schon »wirtschaftsfeindliche Haltung«.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, mir ist, als hätte ich das irgendwann schon mal gehört. Muss aber eine Weile her sein. Wenn das kein Phrasengedresche aus der langen Epoche zwischen Thatcherismus und deutscher Agenda 2010 ist, was dann? Das las man über mindestens drei Jahrzehnte in jedem handelsüblichen konservativ-liberalen Organ, zwischendurch sogar bei Rot-Grün.
Klar, ist immer gut, übermäßige Bürokratie abzubauen und Planungsverfahren zu beschleunigen. Was das gegen chinesische Staatskonkurrenz oder den Klimawandel helfen soll, ist nur ebenso rätselhaft, wie die anti-etatistischen Reflexe aus den Neunzigerjahren. Da lacht der Chinese nur. Wenn die vergangenen Jahre irgendetwas gezeigt haben, dann eher, dass es eben fatal ist, bei allen Problemen immer nur auf Unternehmer zu setzen.
Gegen den Klimawandel anzugehen, geht nach aller Erfahrung eben nur sehr bedingt über marktwirtschaftliche Anreize. Weil Märkte mit solchen langen Transformationen und großen Umbrüchen in der Regel überfordert sind. Was etliche Studien ja dargelegt haben. Da braucht es zuerst öffentliche Richtungsentscheidungen – und viel staatliche Investitionen etwa in Ladenetze.
Und wie sollen besagte »Disruptionen« bitte schön »ohne staatliche Kümmerer« aufgefangen werden? Wenn gerade die von Laschet zitierten Beispiele des Rust Belt und der nordenglischen Städte zeigen, was passiert, wenn man das Dogma vom angeblich selbstregulierenden Markt wie in den USA und Großbritannien ab den Achtzigerjahren zum Exzess treibt. Es ist ja kein Zufall, dass gerade dort in den vergangenen Jahren der Populismus am eindrucksvollsten wütete.
Sparen, damit es der »jungen Generation« gut geht?
Das passt ebenso wenig zusammen, wie die Diagnose, dass wir über Jahre zu wenig investiert haben, mit der Lobrede darauf, wie gut es war, in Deutschland über Jahre ausgeglichene Staatshaushalte eingefahren zu haben – und die jetzt auch ganz schnell wieder anzusteuern. Wenn das eine ja ziemlich offenbar mit dem anderen zu tun hat. Die »schwarze Null« war ja nur möglich, weil über Jahre viel zu wenig Geld öffentlich investiert wurde – in Schulen, Straßen, Schienen, aktiveren Ausbau von Lade- und Digitalnetzen. Das Problem ist nicht weg, sondern durchs Sparen größer geworden.
Da kann man im Nachhinein nicht das eine beklagen – und das andere loben. Es ist geradezu fahrlässig, als Dogma auszugeben, dass bald wieder »konsolidiert« werden müsse – wo die Pandemie noch nicht einmal vorbei ist und die genannten Probleme nicht gelöst sind, wie sich an unterversorgten Schulen gerade in der Pandemie zeigt.
Da hilft dann auch das ebenfalls nicht so ganz neue Romantisieren darüber nicht, dass wir für die »junge Generation« sparen müssen – und es sonst auf Kosten eben dieser gehe. Vielleicht wäre es für die junge Generation jetzt viel besser, mal ordentlich Geld in Klimaschutz und Digitalausstattung zu investieren, statt schwäbisch Haushaltspläne auszugleichen. Weil wir sonst auf Kosten ihrer Zukunft sparen.
All das wirkt eher alt als neu. Dabei sind die Herausforderungen heute durchaus andere als zu den Zeiten, als Bürokratieabbau, Privatisierung und Deregulierung noch als Allheilmittel galten – und auch die Erfahrungen, die in der Zwischenzeit mit eben solcher Phrasenpolitik gemacht wurden.
Genau hier liegt auch die große Aufgabe: einen neuen und besseren Mix zu finden, was gemeinschaftlich-staatlich entschieden und demokratisch mitgetragen werden muss, etwa wenn es um die künftige Infrastruktur für Elektro- und andere Mobilität geht, und was private Investoren besser können, nämlich wenn es um die Umsetzung im Detail geht. Es ist ja kein Zufall, dass seit Kurzem endlich Dynamik aufkommt, was die Wende hin zur Elektromobilität angeht. Das wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit nach wie vor nicht so, wenn die Regierung nicht mit Investitionen und ordentlichen Anreizen anschieben würde. Sonst würden sich die lieben Autobosse noch Jahre womöglich im Kreis drehen – oder von Chinesen, Elon Musk und anderen abgehängt werden.
Was es auszuloten gilt, ist nicht, ob es per se um mehr oder weniger Bürokratie geht; und mehr oder weniger Staat. Es geht um einen besseren, wie die amerikanisch-italienische Wissenschaftlerin Mariana Mazzucato darlegt.
Es braucht mehr als Bürokratie-Bashing
Wer künftige Umbrüche durch Globalisierungs- oder Technologieschocks abfangen will, braucht mehr als Bürokratie-Bashing. Da wird es etwa in den bisherigen Regionen der alten Autoindustrie auch darum gehen, wie Politiker, Gewerkschaften, Unternehmer, Arbeitsagenturen und andere Beteiligte zusammen dafür sorgen, neue Perspektiven aufzubauen und aktiv neue Industrien anzuwerben. Damit eben nicht das passiert, was im Rust Belt passiert ist, als einfach ganze Industrien wegen der plötzlichen chinesischen Konkurrenz zugrunde und Städte wie Detroit dadurch pleitegingen.
Und wer möglichst bald den Ausstoß von CO₂ herunterbringen will, muss einfach auch sehr viel mehr öffentliches Geld etwa in besagte Ladenetze investieren – damit mehr Verbraucher saubere Autos auch kaufen – und die Konzerne dann auch besser kalkulieren und günstiger produzieren können.
All das wird nicht mit alten Sprüchen aus der marktliberalen Trickkiste gehen. Sonst hätte es manches dieser Probleme auch gar nicht gegeben. Wenn Armin Laschet und Partner die CDU tatsächlich zur Partei machen wollen, bei der es eine »Zukunft ohne gesellschaftliche Verwerfungen« gibt, braucht es wirklich neue Antworten. Und da hilft es dann auch nicht, in Aussicht zu stellen, dass der Staat bald keine neuen Kredite mehr aufnimmt. Dann wäre besser, erst die Aufgaben zu lösen, ohne die es bald schon die nächsten Krisen gibt – und dann zu sehen, wie viel Geld man dafür aufnehmen muss.
In seiner Bewerbung hat Laschet geschrieben, dass er dafürstehen will, »Raum für neue Ideen und offene Debatten« zu geben. Los geht's.