Autobahnen Gabriels späte Abkehr vom Privatisierungswahn

Autobahn A12 in Brandenburg
Foto: Patrick Pleul/ dpaSPD-Chef Sigmar Gabriel hat seine Meinung geändert. Wieder einmal. Als Bundeswirtschaftsminister legt Gabriel nun sein Veto gegen eine Grundgesetzänderung ein, die eine Beteiligung von privaten Investoren am Betrieb des deutschen Autobahnnetzes ermöglichen soll. Der SPD-Chef weiß, solche Privatisierungspläne sind derzeit nicht gerade populär, weder in seiner Partei noch in der Bevölkerung. Laut einer Infratest-Umfrage lehnen 74 Prozent der Bundesbürger eine Autobahnprivatisierung ab.
Noch vor wenigen Jahren wollte auch Gabriel die Verkehrsinfrastruktur der Finanzbranche zur Profitmaximierung andienen - wie sein CDU-Kabinettskollege Finanzminister Wolfgang Schäuble. Ist es also nur blanker Populismus, wenn der SPD-Chef nun Schäubles Pläne durchkreuzt?
Nein, es ist die dringend notwendige und längst überfällige Korrektur einer verfehlten und vor allem von Sozialdemokraten verantworteten Politik - an einem Beispiel, wo es Gabriel besonders leichtfällt. Beim Thema Autobahnen hört für den deutschen Freie-Fahrt-Bürger der Privatisierungsspaß auf, zumal wenn er ihn über eine Maut bezahlen soll.
Wie ernst es der SPD-Chef mit dieser Kurskorrektur meint, weiß derzeit wohl nur Gabriel selbst. Vertrauensvorschuss jedenfalls hat die SPD nicht verdient. Denn es war die rot-grüne Bundesregierung unter Gerhard Schröder, die alle Weichen auf privat vor Staat gestellt hat. Ob bei Strom und Gas, Trinkwasser, Straßen oder Wohnungen - stets galt die Maxime, dass Privatunternehmen effizienter und letztlich kostengünstiger seien.
Unkalkulierbare Risiken für den Steuerzahler
Wer trotzdem Infrastruktur und Energie in Staatshand halten wollte, galt als Relikt aus dem sozialliberalen Vorgestern. Und so wagte es kaum noch ein Sozialdemokrat, den Vorrang des Gemeinwohls vor Profitinteressen hörbar zu verteidigen.
Der Selbstbedienungsladen war eröffnet - rund um die Uhr, und für jeden war etwas dabei. Für die Versicherungskonzerne gab es die staatlich subventionierte private Zusatzrente. Hedgefonds und andere Heuschrecken durften über den staatlichen und kommunalen Wohnungsbesitz herfallen. Beratungsfirmen und Banken konnten ungehindert Kommunalpolitiker in immer verrücktere Investments treiben und sich dabei kräftig die Taschen füllen.
Mit der globalen Finanzkrise im Herbst 2008 kam der große Katzenjammer. Jetzt trat ein, wovor Privatisierungskritiker immer gewarnt hatten. Die vermeintlich höhere Effizienz der Privaten bei der Bewältigung staatlicher Aufgaben entpuppte sich vor allem als unkalkulierbares Risiko für den Steuerzahler. Denn die Gewinne aus solchen Geschäften waren längst privatisiert, die entstandenen Verluste wurden anschließend sozialisiert.
Nun gewann auch bei den Sozialdemokraten die Renationalisierung wieder mehr Anhänger. Kommunen gründeten zur Stromversorgung eigene Stadtwerke, Wasserprivatisierungen wurden rückabgewickelt, Wohnungen zurückgekauft.
Gabriel war dabei keine große Unterstützung. So hat es sein Bundeswirtschaftsministerium zwar nach Jahren immerhin geschafft, das konzernfreundliche Energiewirtschaftsgesetz ein wenig zu reformieren. Doch Rechtssicherheit für die Rekommunalisierung von Energieerzeugung und Netzen verweigerte Gabriel bis heute.
Wenn er es ernst meint mit dem Ende des Privatisierungswahns, müsste Gabriel schon eine 180-Grad-Wende hinlegen - wie bei der Autobahnprivatisierung.