Neue Finanzmarktregeln Die leeren Versprechen der Bankenretter

Frankfurter Finanzviertel: Banken als Mittel der Industriepolitik
Foto: Arne Dedert/ picture alliance / dpaAllzu große Euphorie ist in der Politik oft verdächtig. Und so sollten auch die Jubelarien skeptisch machen, die die Beteiligten am Donnerstag auf den erreichten Kompromiss zur europäischen Bankenunion anstimmten. "Großartige Nachrichten", twitterte EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso. Die Einigung sei der "Schlüssel zu Stabilität und Vertrauen". Da wollte Wolfgang Schäuble wohl nicht zurückstehen: Der deutsche Finanzminister feierte per Pressemitteilung gar das "größte europäische Projekt seit der Einführung des Euro".
Zugegeben: Der Kompromiss, den Europaparlament, Rat und EU-Kommission geschlossen haben, ist besser, als man noch vor einigen Wochen erwarten durfte. Aber er wird nicht ausreichen, um das große Versprechen der Bankenunion einzulösen: die unheilige Allianz von Nationalstaaten und Banken zu brechen.
Finanzindustrie und Politik haben sich in den vergangenen Jahrzehnten in eine ungesunde gegenseitige Abhängigkeit begeben. Die Regierungen brauchen Banken, die ihnen die Anleihen abkaufen, mit denen die Staaten ihre Schulden finanzieren. Und die Geldinstitute brauchen die Staaten im Notfall als Retter, falls sie es mal wieder zu weit getrieben haben mit der Zockerei.
Das Gleichgewicht des Schreckens ist labil
Seit Beginn der Finanzkrise im Jahr 2007 sind diese Abhängigkeiten so deutlich geworden wie nie zuvor: Zuerst wurden reihenweise Banken mit Milliarden Euro an Steuergeldern gerettet. Als dann die Staaten in die Krise gerieten, sprangen die heimischen Banken ein und kauften fleißig deren Anleihen. Vor allem in Südeuropa strotzen die Bilanzen der Banken mittlerweile nur so vor Staatspapieren.
Dieses Gleichgewicht des Schreckens ist ziemlich labil. Sobald ein Land nicht mehr für seine Banken zahlen kann, stehen beide vor dem Ruin. Ein Chaos an den Finanzmärkten ist die Folge.
Genau dieses Szenario soll die Bankenunion eigentlich verhindern. Sie soll die Steuerzahler aus der Haftung für die Finanzindustrie ihres Heimatlandes entlassen. Nie wieder sollen die Bürger für die Banken zahlen.
Doch das ist zu viel versprochen. Denn die vorliegenden Pläne sind zu halbherzig, um die Verbindung zwischen Banken und Staaten wirklich zu trennen. Im Ernstfall, so steht zu befürchten, werden die Steuerzahler doch wieder für ihre Heimatbanken einspringen müssen:
- Da ist zum einen die Größe des Abwicklungsfonds: 55 Milliarden Euro sollen bis 2024 von den Banken eingezahlt werden. Das mag ausreichen, um eine einzelne Bank oder ein paar kleinere Institute zu retten. Im Falle einer wirklichen Krise dürfte der Topf allerdings sehr schnell aufgebraucht sein. Zum Vergleich: Seit 2007 brauchten die Banken bisher 1,6 Billionen Euro frisches Kapital.
- Auch die immer noch komplexen Strukturen des neuen Abwicklungsmechanismus sprechen nicht dafür, dass künftig entschlossen abgewickelt wird. Jede Entscheidung, ob eine Bank gerettet, schrittweise abgewickelt oder gleich ganz geschlossen werden soll, wird ein politisches Ringen bleiben. Die Nationalstaaten haben sich ihren Einfluss in den Gremien bewahrt. So müssen alle wichtigen Entscheidungen ab fünf Milliarden Euro in einem größeren Plenum beschlossen werden, in dem auch die Regierungen vertreten sind.
- Und dann ist da die Frage, ob man eine große Bank überhaupt so einfach abwickeln kann. Zwar müssen die Finanzkonzerne mittlerweile sogenannte Testamente vorlegen, in denen sie selbst darlegen, wie man sie in ihre Einzelteile zerlegen kann. Die Testamente sind für die Öffentlichkeit nicht einsehbar. Man darf aber bezweifeln, dass eine Abwicklung im Ernstfall so einfach und ohne größere Verwerfungen an den Finanzmärkten möglich ist.
Das größte Hindernis für eine funktionierende Bankenunion ist ein politisches. Die Nationalstaaten haben kein Interesse daran, die Kontrolle über ihre Finanzinstitute abzugeben. Im Gegenteil: Sie klammern sich daran. Die Regierungen in Südeuropa brauchen die Banken, um ihre Schulden zu finanzieren, die in Deutschland, Frankreich und anderswo betreiben über ihre Geldhäuser Industriepolitik.
Wenn die Politik gewollt hätte, hätte sie auch bisher schon Banken abwickeln können, doch sie hat es nicht getan. Beispiel Deutschland: Egal ob IKB , Hypo Real Estate , Commerzbank oder BayernLB - alle früheren Pleitebanken sind noch am Markt, weil die Politik es so wollte. Die einzige, die verschwunden ist, ist die WestLB - nicht, weil die deutsche Politik Vernunft angenommen hätte, sondern weil sie von der EU-Kommission dazu gezwungen wurde.
Kann man sich ernsthaft vorstellen, dass die Bundesregierung eine Abwicklung der Deutschen Bank zulassen würde, falls diese mal in Schwierigkeiten geraten sollte?
In der europäischen Abwicklungsrichtlinie, die als Ergänzung zur Bankenunion beschlossen werden soll, haben die EU-Staaten eine Klausel versteckt, die ihnen in bestimmten Fällen eine "präventive Rekapitalisierung" erlaubt. Es kann also weiter gerettet werden - auf Kosten der Steuerzahler.