
Treckerdemo in Hamburg Die Bauern spielen das "Lied vom Tod"
- • Kilometerlange Traktordemos: Darum gehen die Bauern auf die Straße
- • Insekten-Studie in Deutschland: Das große Sterben
Rund 4000 Bauern demonstrieren zur Stunde in der Hamburger Innenstadt. Auf der Bühne, die für die Kundgebung auf dem Gänsemarkt errichtet wurde, läuft "Spiel mir das Lied vom Tod". Der bedrohliche Anlass: Die Konferenz der Umweltminister , die in Hamburg stattfindet - die Landwirte protestieren gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung. Die Bauern waren am Morgen mit ihren Treckern in die Stadt gekommen, wurden teilweise über alternative Routen geleitet, um das Verkehrschaos in Grenzen zu halten.
Bereits Ende Oktober waren Zehntausende Landwirte in 17 Städten gegen das "Bauernbashing" und zu strenge Umweltrichtlinien auf die Straße gegangen. Anders als in den Niederlanden, wo Bauern Absperrungen niederwalzten und Autobahnen blockierten, blieben die Proteste in Deutschland allerdings friedlich.
Was die Proteste auslöst, wer dahinter steht - die wichtigsten Fakten:
Das Agrarpaket, das die Bundesregierung im September vorgestellt hat, sorgt für heftigen Frust bei vielen Bauern. Das Gesetzespaket verpflichtet die Bauern, neue Umweltauflagen zu erfüllen, weil die Landwirtschaft als ein wesentlicher Verursacher des Artensterbens gilt sowie von Umweltproblemen wie zu hohen Nitratwerten im Grundwasser.
So soll etwa ein Teil der EU-Direktzahlungen als Prämie für besseren Umweltschutz eingesetzt werden. Vorgesehen sind auch eine strengere Düngeverordnung, Klimaschutzmaßnahmen und ein Insektenschutzprogramm. In Schutzgebieten soll in Zukunft kein Glyphosat mehr eingesetzt werden dürfen. Was für Großstädter eher harmlos und nachvollziehbar wirken mag, brachte viele Landwirte auf die Straße.
Die zentrale Kundgebung in Hamburg hat der Deutsche Bauernverband zusammen mit dem Aktionsbündnis Forum Natur organisiert, einem Zusammenschluss verschiedener Verbände, die etwa Wald- und Landeigentümer und Jäger vertreten. Unter den Organisatoren ist auch die mit der jüngsten Protestwelle entstandene Bewegung "Land schafft Verbindung".
Bisher ist diese Bewegung ein loser Zusammenschluss Tausender Landwirte, der noch keine rechtliche Struktur hat, aber den Protest in den kommenden Wochen fortführen will. Obwohl Sprecher der Bewegung teils langjährige Mitglieder und Fachleute des Bauernverbands sind, ist man auf Sicherheitsabstand zu dem alteingesessenen Lobbyverband bedacht und betont, eine eigenständige Graswurzelbewegung zu sein.
Die Bauern behaupten, sie würden von einer Welle der Sympathie in der Bevölkerung getragen. Aber das scheint fragwürdig. Bestimmte Forderungen wie die, nicht Opfer des freien Welthandels zu werden und mit Agrarprodukten überschwemmt zu werden, die kaum Menschenrechts- oder Naturschutzstandards entsprechen - so etwas scheinen viele Verbraucher zu teilen. Mit ihren Vorbehalten gegen mehr Naturschutz ist die Bewegung dagegen politisch isoliert. Zuletzt war die AfD die einzige Partei, die Verständnis für sämtliche Forderungen zeigte und betonte, "fest an der Seite der deutschen Bauern" zu stehen.
Sehr streitanfällig ist das Thema Insektensterben. Obwohl diverse Studien die industrielle Landwirtschaft als entscheidenden Verursacher sehen , äußert Thomas Andresen, Sprecher von "Land schafft Verbindung" Zweifel: Die Studien, die leicht nachzulesen sind (zum Beispiel hier und hier), solle man "erst mal offenlegen", fordert er. Zudem könne das Artensterben doch ganz andere Gründe haben, "etwa den Ausbau des Mobilfunknetzes".
Auch bei den Nitrateinträgen ins Grundwasser durch Überdüngung sieht er die Landwirtschaft lange nicht als alleinigen Verursacher: "Wenn ich mir angucke, wie einige Kläranlagen arbeiten, habe ich da meine Zweifel."
Martin Hofstetter von Greenpeace äußert zwar Verständnis für die Landwirte, die von der Politik zu spät auf Veränderungen vorbereitet worden seien. "Mit solch kruden Verschwörungstheorien allerdings können sie kaum auf das Verständnis der Bevölkerung hoffen."
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Landwirte fahren während einer Sternfahrt mit Treckern durch die Hamburger Innenstadt. Im Hintergrund ist die Hauptkirche St. Michaelis (Michel) zu sehen. Die Bauern wollen bei der Umweltministerkonferenz gegen Umweltauflagen für die Landwirtschaft demonstrieren.
Ade, Sohn einer Bauernfamilie aus Schleswig-Holstein, demonstriert mit einem Spielzeugtraktor auf dem Hamburger Gänsemarkt. Auf seiner Weste steht: "Wir sind dabei! Damit ich auch noch Bauer werden darf". Bei der Kundgebung auf dem Gänsemarkt dürfen nicht die echten Trecker anrücken.
Bei den Protesten der Bauern geht es unter anderem um den Schutz des Grundwassers sowie um den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln wie Glyphosat. Laut Polizeiangaben sind 4000 Traktoren beteiligt.
Zähfließender Verkehr: Seit den frühen Morgenstunden sind die Trecker unterwegs in die Hamburger City.
Nicht alle Strecken wurden für die Bauern freigegeben, um größere Verkehrsprobleme zu vermeiden.
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