Benin Tausende Afrikaner fallen auf Schneeballsystem herein

Er versprach seinen Kunden 200 Prozent Rendite, viele verloren alles: In Benin hat ein Finanzjongleur mehr als 100.000 Landsleute um ihre Ersparnisse gebracht - mit demselben Trick, den auch Wall-Street-Betrüger Bernard Madoff anwendete. Nun gerät der Staatspräsident in den Strudel der Affäre.
Benins Präsident Boni Yayi: Opposition fordert Rücktritt nach Finanz-Skandal

Benins Präsident Boni Yayi: Opposition fordert Rücktritt nach Finanz-Skandal

Foto: EMILE KOUTON/ AFP

Madoff

Berlin - Es ist immer wieder erstaunlich, wie leicht sich Menschen betrügen lassen, wenn ihnen nur Lügen aufgetischt werden, die sie gerne glauben wollen. So erging es Hollywood-Größen und vornehmen New Yorkern mit den Renditeversprechen des Milliardenbetrügers Bernhard - und so erging es vielen tausend Bürgern im westafrikanischen Kleinstaat Benin. Sie haben ihr Erspartes verloren und Geld, das sie sich eigens geliehen hatten, weil sie den Anlageberatern eines Unternehmens namens ICC Service glaubten.

In einem groß angelegten Werbefeldzug hatte die Gesellschaft Zinsen von bis zu fünfzig Prozent in nur drei Monaten in Aussicht gestellt. Gleichzeitig festigte ICC seinen Ruf als Wohltäter. Kranken- und Waisenhäuser, christliche Gruppen - viele karitative Einrichtungen profitierten von Spenden. Die ICC-Manager genossen so hohes Renommee, dass die Regierenden ihre Nähe suchten. Präsident Thomas Boni Yayi trat sogar in einer Fernsehshow mit ihnen auf. Kaum einer der Angesprochenen hegte deshalb Argwohn, als Finanzberater ihnen das Angebot unterbreiteten.

Was sie nicht wussten: ICC betrieb nichts anderes als ein groß angelegtes Schneeballsystem, mit dem schon der Wall-Street-Finanzhai Madoff seine Kunden um Milliarden betrogen hatte. Der Italiener Charles Ponzi gilt als sein Erfinder. Dieser hatte Anfang der 1920er-Jahre eine Investment-Gesellschaft gegründet, die ihren Kunden 50 Prozent Rendite in 45 Tagen versprach.

Lehrer, kleine Beamte und Ladenbesitzer betroffen

Ponzi war offenbar sehr überzeugend bei der Vorstellung seiner "Methode", vielleicht waren seine Kunden aber auch einfach nur gierig: Insgesamt soll er innerhalb weniger Monate 15 Millionen Dollar eingenommen haben. Zehntausende Anleger vertrauten Ponzi ihr Geld an.

Als der Betrug schließlich aufflog, war nur noch ein Zehntel des Geldes wiederzufinden. Nach Verbüßung einer Haftstrafe gelang es Ponzi sogar, den Trick noch einmal zu wiederholen. Und erneut fielen viele Anleger auf seine abenteuerlichen Renditeversprechen herein.

In Benin sind es Lehrer, kleine Beamte oder Ladenbesitzer, die ihrem Glück ein wenig nachhelfen wollten. Lambert Saizonou etwa, 40 Jahre alt, Besitzer eines Handwerksbetriebs. Von dem in Aussicht gestellten Gewinn wollte er ein Haus kaufen. "Sie hatten mir eine Rendite von 200 Prozent versprochen", erzählt der Elektriker. "Jetzt muss ich wieder komplett von vorn anfangen."

Regierungsmitglieder beteiligt?

Auch der 32-jährige Manager Herman Menton verlor alles Ersparte. Umgerechnet rund 1500 Dollar hatte er den Anlageberatern vor einem Jahr anvertraut. Er hatte sich durch Erzählungen von Freunden und Bekannten anstecken lassen, die allesamt von üppigen Zinsen schwärmten. Die Frage, wie so etwas funktioniert, zumal die Finanzkrise weltweit wütete, stellte sich keiner.

Als der Schwindel in der vergangenen Woche aufflog, wurde erst sein ganzes Ausmaß sichtbar: Mehr als 130.000 Betrugsopfer haben sich inzwischen bei den Behörden gemeldet - und das in einem Land, das nur knapp neun Millionen Einwohner zählt. Doch die Betroffenen wissen, dass die Chancen auf eine ordentliche Entschädigung schlecht stehen. Denn das Schadensvolumen beträgt 106 Millionen Euro. In Relation hat das Desaster für die Beniner damit mindestens die gleiche Größenordnung wie der Fall Madoff an der Wall Street. Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf liegt in Benin bei rund 550 Euro im Jahr.

Dass der Betrug so lange unentdeckt bleiben konnte, hängt wahrscheinlich auch mit der Protektion durch hochrangige Vertreter von Regierung, Verwaltung und Justiz zusammen. Präsident Yayi Boni hat nun bereits den Innenminister entlassen und eine Untersuchungskommission eingesetzt. Der Generalstaatsanwalt des Landes wurde gar verhaftet.

Oppositionsführer Adrien Hounbédji fordert jedoch auch Yayi Bonis Rücktritt: Er wirft ihm vor, ICC durch den gemeinsamen öffentlichen Auftritt erst das nötige Ansehen verschafft zu haben. "Unser Präsident war doch selbst Bankier, da mussten die armen Sparer doch annehmen, dass das seriöse Leute sind!"

mik/AP
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