Flughafenpannen in Berlin Wann Wowereit für das Chaos haftet

Der Berliner Flughafengesellschaft drohen diverse Schadensersatzklagen. Müssen auch die Aufsichtsräte und ihr Noch-Chef Wowereit haften? Der Wirtschaftsanwalt und CSU-Politiker Peter Gauweiler macht Druck: Unabhängige Gutachter sollen prüfen, ob Pflichten verletzt wurden.
Regierender Bürgermeister Wowereit: Kanzlei soll Haftungsfragen klären

Regierender Bürgermeister Wowereit: Kanzlei soll Haftungsfragen klären

Foto: Patrick Pleul/ dpa

Hamburg - Es ist ein Satz, den Klaus Wowereit heute wohl nicht mehr wiederholen würde: "Ohne meine Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender wären wir nicht an dem Punkt, an den wir heute gekommen sind." So äußerte der SPD-Bürgermeister sich im Jahr 2005 über den neuen Berliner Flughafen. Damals war der Satz als Eigenlob gemeint. Mittlerweile wurde die Eröffnung mehrfach verschoben, zum Stand heute ist der Start völlig offen und die Kosten haben sich mehr als verdoppelt - auf 4,3 Milliarden Euro.

Die Luftfahrtbranche rechnet mit einem massiven Schaden durch die Verzögerung. Air Berlin hat bereits Schadensersatzklage eingereicht, weitere Firmen prüfen noch. Dabei stellt sich nun die Frage, ob auch auf Geschäftsführung und Aufsichtsrat Forderungen zukommen können. Denn prinzipiell gilt für alle Geschäftsführer und Aufsichtsräte von GmbHs, dass sie für von ihnen verursachte Schäden haften müssen. Im Klartext: Müssen die Kontrolleure um Wowereit persönlich für die Verzögerungen beim Flughafen haften?

Die kurze Antwort lautet: Haften vielleicht, zahlen auf keinen Fall. Die Flughafengesellschaft hat für Geschäftsführung und Aufsichtsrat eine Versicherung abgeschlossen, eine sogenannte D&O Managerhaftpflicht. Der Umfang ist nicht bekannt. Üblicherweise sind die Verantwortlichen damit gegen Schäden aus Fehlentscheidungen in Höhe eines niedrigen dreistelligen Millionenbetrags abgesichert - auch der bisherige Aufsichtsratsvorsitzende Wowereit.

Die ausführliche Antwort von Juristen fällt etwas komplizierter aus. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob der Aufsichtsrat seine Pflichten verletzt hat. Dies könnte der Fall gewesen sein, wenn...

  • ...der Aufsichtsrat mit seinem Verhalten einen Schaden direkt ausgelöst hat, also fahrlässig gehandelt hat. Beim Flughafen könnte dies zutreffen, wenn sich herausstellt, dass der Aufsichtsrat frühzeitig von dem erneut geplatzten Starttermin wusste, dies aber für sich behielt. Laut dem Verkehrsrechtsexperten Tobias Goldkamp müsste den Kontrolleuren aber ein kausaler Zusammenhang nachgewiesen werden, sprich: Es müsste bewiesen werden, dass die verzögerte Kommunikation für den Schaden verantwortlich war, der zum Beispiel einer Fluggesellschaft entstanden ist. Keine Gefahr droht den Aufsichtsräten dagegen durch das Planungschaos an sich. Dass sich die Eröffnung wegen der Brandschutzanlage immer wieder verzögert, dürfte bei der Beurteilung der Kontrolleure keine Rolle spielen.
  • ...der Aufsichtsrat nicht kritisch geprüft hat, ob die Geschäftsführung ihre Sorgfaltspflicht erfüllt hat. Gesellschaftsrechtlich sind "Geschäftsführungsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens verpflichtet". "Der Aufsichtsrat stand diesbezüglich von Anfang an in der Pflicht", sagte der CSU-Politiker und Wirtschaftsanwalt Peter Gauweiler SPIEGEL ONLINE. Mit einer Grundsatzentscheidung im Jahr 1997 habe der Bundesgerichtshof "Aufsichtsräten die Prüfung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen aufgegeben", so Gauweiler.

Der Aufsichtsrat hat bei einer Sitzung im September beschlossen, dass nun eine Anwaltskanzlei und eine Wirtschaftsprüfungs-Gesellschaft die Haftungsfragen klären sollen. Die Kontrolleure beauftragten die Geschäftsführung, die Anwälte und Wirtschaftsprüfer auszuwählen. Die Ergebnisse der Kanzlei sollen dem Aufsichtsrat im ersten Quartal vorgelegt werden, also spätestens Ende März. Nach SPIEGEL-ONLINE-Informationen läuft die Suche nach einer Anwaltskanzlei noch.

Gauweiler, der gerade mit Kollegen für die Kirch-Erben hohen Schadensersatz von der Deutschen Bank erstritten hat, sieht hier die "Gefahr von gefälligen Gutachten und Interessenskonflikten". "Solche Prüfer dürfen nicht von Geschäftsführung und Aufsichtsrat ausgesucht werden. Das ist Aufgabe der Gesellschafter. Sonst macht man den Bock zum Gärtner." Die Gesellschafter der Flughafen-GmbH sind die Länder Berlin und Brandenburg sowie der Bund.

Für den Nachweis einer möglichen eigenen Pflichtverletzung könnte entscheidend sein, wann Wowereit was gewusst hat. Das weiß offenbar auch der Regierende Bürgermeister. Entsprechend heftig ließ der Jurist Anfang der Woche von einer Anwaltskanzlei Berichte dementieren, er habe bereits seit Wochen gewusst, dass der Start des Flughafens erneut verschoben wird. "Diese Aussage ist falsch", heißt es in einer Mitteilung seines Anwalts.

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