Beschluss in Hannover Gericht hält Solizuschlag für verfassungswidrig

Aufschwung Ost gefährdet: Karlsruhe soll über den Soli entscheiden
Foto: DDPHannover - Erstmals hat in Deutschland ein Gericht den Solidaritätszuschlag als verfassungswidrig eingestuft. Das niedersächsische Finanzgericht in Hannover setzte am Mittwoch die Klage eines leitenden Angestellten aus, der Einspruch gegen seinen Steuerbescheid erhoben hatte. Er klagt gegen die Rechtmäßigkeit des "Soli" im Jahr 2007. Damals musste er rund 1000 Euro Solidarzuschlag zahlen - nun will er eine Aufhebung seines Steuerbescheids erreichen.
Jetzt sind die Richter des Bundesverfassungsgerichts am Zug: Richterin Georgia Gascard sagte, das tragende Motiv für die Einführung des Soli seien die Kosten für die deutsche Einheit gewesen. "Dabei handelt es sich aber um einen langfristigen Bedarf, der nicht durch die Erhebung einer Ergänzungsabgabe gedeckt werden durfte." Eine Ergänzungsabgabe wie der Solidaritätszuschlag diene jedoch nach den Vorstellung des Verfassungsgesetzgebers aus dem Jahr 1954 nur der Deckung vorübergehender Bedarfsspitzen, betonte Gascard.
Bei der verfassungsrechtlichen Prüfung des Gesetzes über den Solidaritätszuschlag müsse man die Materialien aus dem Gesetzgebungsverfahren für die einschlägigen Grundgesetzartikel (105 und 106) heranziehen, betonte die Richterin. Daraus ergebe sich die Vorstellung des Gesetzgebers, dass eine Ergänzungsabgabe wie der Solidaritätszuschlag nur "zur vorübergehenden Deckung von Bedarfsspitzen" dienen dürfe.
Mehr als eine Billion für die Deutsche Einheit
Der Solidaritätszuschlag wurde kurz nach der deutschen Wiedervereinigung 1991 eingeführt, zunächst nur für ein Jahr. Damit sollte der wirtschaftliche Aufbau in den neuen Ländern finanziert werden. Allerdings führte die damalige schwarz-gelbe Koalition den Zuschlag 1995 erneut ein - diesmal unbefristet und mit einem Satz von 7,5 Prozent. Seit 1998 liegt der Soli bundesweit einheitlich bei 5,5 Prozent.
Die Leiterin des beklagten Finanzamtes Quakenbrück, Karin Mährlein, hatte den Einwänden des Klägers entgegengehalten, der Bund habe für die deutsche Einheit bislang mehr als eine Billion Euro aufgewendet. Jährlich kämen weiterhin rund 100 Milliarden Euro an Vereinigungslasten hinzu. Im Grundgesetz gebe es für Ergänzungsabgaben des Bundes keine zeitliche Begrenzung.
Sollten die Richter in Karlsruhe feststellen, dass die Sondersteuer verfassungswidrig ist, drohen dem Staat milliardenschwere Ausfälle. Der Zuschlag spülte bisher gut 185 Milliarden Euro in die Kassen des Finanzministers, 2008 waren es nach Angaben des Ministeriums 13,1 Milliarden. Für dieses Jahr gehen die Steuerschätzer von Einnahmen in Höhe von etwa 12 Milliarden Euro aus, die allein dem Bund zustehen.
Der Bund der Steuerzahler (BdSt), der die Klage unterstützt, sieht sich durch die Haltung der hannoverschen Finanzrichter in seiner Auffassung bestätigt. "Es ist für mich undenkbar, dass eine Ergänzungsabgabe zu einer Dauersteuer werden darf", sagte der Präsident des BdSt, Karl Heinz Däke, in Hannover. Eine Überprüfung des Soli durch das Bundesverfassungsgericht werde Rechtssicherheit schaffen. "Die heutige Entscheidung erschwert es der Politik, weitere Ergänzungsabgaben zu erheben", sagte Däke.