Besser als erwartet Regierung macht sich mit Konjunkturprognose Mut

Die Regierung erwartet 2009 eine kleinere Rezession als befürchtet: Minus 4,5 statt 6 Prozent stehen laut einem Zeitungsbericht in der neuen Konjunkturprognose. Deren Veröffentlichung soll vorgezogen werden, damit Schwarz-Gelb einen Kassensturz machen kann - denn die Steuereinnahmen brechen ein.
Maschinenbau in Erfurt: Koalitionsrunde will mit besseren Zahlen rechnen

Maschinenbau in Erfurt: Koalitionsrunde will mit besseren Zahlen rechnen

Foto: Z1020 Martin Schutt/ dpa

Berlin - Die Bundesregierung will offenbar ihre Konjunkturprognose früher vorlegen als bisher geplant. Wie die "Bild"-Zeitung unter Berufung auf Kreise der Koalitionsverhandlungen berichtet, soll die Prognose schon an diesem Freitag vorgelegt werden. Ursprünglich war die Veröffentlichung erst für den kommenden Mittwoch vorgesehen. Die Zahlen sollen als Grundlage für die am Wochenende anstehenden Koalitionsrunden genutzt werden.

Es gelte als sicher, dass die Prognose deutlich besser ausfalle als die Projektion vom Frühjahr 2009. Danach wird in der Regierung für 2009 mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) um rund 4,5 Prozent gerechnet. Offiziell geht Berlin bisher noch von sechs Prozent Minus aus.

Unterstützung für ihre Einschätzung bekommt die Bundesregierung vom Deutschen Industrie- und Handelskammertag (DIHK). DIHK-Chefvolkswirt Volker Treier sagte der "Bild"-Zeitung, die deutsche Wirtschaft sei im dritten Quartal deutlich gewachsen. "Wir halten ein Plus von bis zu ein Prozent zum Vorquartal für möglich", sagte er. Hauptgrund sei der anziehende Export. Treier zeigte sich überrascht über das starke Wachstum. "Die Konjunkturwende kommt erstaunlich schnell und ist erstaunlich robust", sagte der Chefvolkswirt zu "Bild".

Steuereinnahmen sinken deutlich

Trotzdem brechen die Steuereinnahmen weiter ein. Im September sanken sie nach einem Zeitungsbericht um 7,4 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Wie das "Handelsblatt" am Dienstag unter Berufung auf das Bundesfinanzministerium berichtete, fehlten nach neun Monaten bereits 22 Milliarden Euro in den öffentlichen Etats. Dazu kämen noch Milliardenausfälle aus Kommunalsteuern, insbesondere der Gewerbesteuer.

Vor allem gewinnabhängige Steuern der Unternehmen seien zurückgegangen, berichtete die Zeitung. So hätten Konzerne im dritten Quartal nur noch knapp 600 Millionen Euro Körperschaftssteuer gezahlt. Vor einem Jahr seien die Einnahmen noch siebenmal so hoch gewesen.

Die Steuereinnahmen sind ein großes Thema der laufenden Koalitionsverhandlungen von Union und FDP. Am Montag einigte sich die Arbeitsgruppe Finanzen auf eine schrittweise Steuerentlastung. Das Volumen der Reform soll aber erst am Ende der Koalitionsgespräche entschieden werden. Der Bundeshaushalt steht wegen Rezession und Finanzkrise unter erheblichem Druck.

Experte will Konjunkturpakete beschneiden

Um sinkende Steuereinnahmen und die hohen Kosten der Finanzkrise zu bewältigen, plädiert Finanzwissenschaftler Stefan Homburg für eine deutliche Beschneidung der Konjunkturpakete. Die Ausgaben seien zwar bereits im Haushalt eingestellt. "Aber beim Vollzug, beim tatsächlichen Ausgeben dieses Geldes, muss man vieles hinterfragen", sagte der Direktor des Instituts für Öffentliche Finanzen an der Leibniz Universität Hannover. Ein künftiger Finanzminister könne hier viele Milliarden Euro einsparen.

Die Entscheidungen für die Konjunkturpakete seien in einer Zeit entstanden, als "im Lande eine Art Weltuntergangsstimmung herrschte", sagte Homburg. Inzwischen habe sich die Lage deutlich verändert. "Wir hatten bereits im zweiten Quartal dieses Jahres wieder Wachstum, womit kaum jemand gerechnet hat. Und auch im dritten Quartal dürften die Zahlen positiv aussehen. Damit ist die Rezession beendet", erklärte der Finanzexperte.

Diese Entwicklung eröffne für den Haushalt eine große Chance. Die meisten Ausgaben der Konjunkturpakete seien erst für 2010 und 2011 geplant. "Da kann man jetzt noch rechtzeitig umsteuern und Kürzungen durchsetzen", sagte Homburg. Er schlug vor, unter anderem die Bad Bank, den Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung sowie den Wirtschaftsfonds Deutschland auf den Prüfstand zu stellen.

Die mehrere hundert Milliarden Euro teuren Ansätze für diese Bereiche seien laut Homburg in diesem Umfang nicht mehr nötig. Mit Kürzungen in den Konjunkturpaketen könne "sich die Politik finanzielle Handlungsspielräume eröffnen, von denen sie vor wenigen Monaten wohl kaum zu träumen gewagt hätte."

ore/ddp/AFP/dpa/Reuters
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