Bildungspaket für arme Familien Lieber Mittagessen als Nachhilfe

Das Bildungspaket für Kinder aus armen Familien wird immer besser angenommen: Rund die Hälfte aller Berechtigten beziehen die Hilfe inzwischen. Allerdings bekommen die meisten eher Geld für Mittagessen als für Nachhilfe.
Kind bei Hausaufgaben: Konkrete Lernangebote rangieren am Ende

Kind bei Hausaufgaben: Konkrete Lernangebote rangieren am Ende

Foto: DPA

Hamburg - Das sogenannte Bildungspaket der Bundesregierung findet immer größeren Anklang. Inzwischen sind es laut Umfragen des Deutschen Städtetags und des Deutschen Landkreistages rund 45 Prozent der bedürftigen Kinder, für die Anträge auf Zuschüsse gestellt werden.

Seit Ende März können rund 2,5 Millionen Kinder von Hartz-IV-Empfängern, Niedrigverdienern und Wohngeldempfängern Zuschüsse für Nachhilfeunterricht oder Mittagessen in der Schule, aber auch für Beiträge zu Sportvereinen oder Musikschulen bekommen.

Damit hat sich der Anteil der Eltern, die das Bildungspaket in Anspruch nehmen, deutlich erhöht. Kurz nach Einführung des Bildungspakets hatte eine SPIEGEL-ONLINE-Umfrage in zahlreichen Städten ergeben, dass nur sehr wenige Eltern Anträge für die neuen Leistungen gestellt hatten - im Durchschnitt zwei Prozent, in Städten wie Köln lag die Quote gar nur bei etwa einem halben Prozent.

Daraufhin richtete die zuständige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen einen Runden Tisch mit Kommunen und Ländern ein, die betroffenen Eltern wurden besser informiert und Antragsfristen verlängert. Bis zum Juni hatte sich die Quote bereits auf 27 Prozent gesteigert.

Beim Treffen mit der Arbeitsministerin am Mittwoch können die Kommunen also einen deutlichen Erfolg vermelden. Ihr Paket kommt immer besser bei den Leuten an. Allerdings könnten sich die Zuständigen einmal fragen, ob "Bildungspaket" der geeignete Name für ihr Bündel an Leistungen ist.

Exakte Zahlen wurden zwar nicht veröffentlicht. Doch nach Angaben der Kommunalverbände gibt es bei den beantragten Leistungen eine klare Rangfolge: An der Spitze stehen die Zuschüsse für Mittagessen, gefolgt von denen für Schulausflüge, Klassenfahrten und Vereinsbeiträge. Konkrete Nachhilfe-Angebote und Lernförderung werden dagegen sowohl in den Städten als in den Landkreisen weit weniger nachgefragt.

Quote von 100 Prozent kaum zu erreichen

Inwieweit sich die Quote weiter steigern lässt, ist noch nicht ausgemacht. Der Städtetag weist darauf hin, es sei "auch bei größtem Engagement unwahrscheinlich, dass in absehbarer Zeit alle Eltern die Leistungen für ihre Kinder beantragen". Denn in vielen Fällen kommen die vorgesehenen Zuschüsse für die betroffenen Familien gar nicht in Frage:

  • So bieten etwa bei weitem nicht alle Schulen und Kindergärten überhaupt ein Mittagessen an. In Bayern und Baden-Württemberg etwa ist das unüblich - dann kann auch kein Zuschuss dafür beantragt werden.
  • Nur wenige Kinder haben überhaupt Anspruch auf konkrete Lernförderung. Nur wer so schlecht ist, dass etwa die Versetzung gefährdet ist, kann Nachhilfe beantragen. Zahlen darüber, auf wie viele Kinder in armen Familien das zutrifft, gibt es nicht - nur so kann aber bewertet werden, wie stark Eltern diese Leistungen annehmen.
  • Zudem können bei der Nachhilfe nur bestimmte Angebote genutzt werden, hier macht der Gesetzgeber strenge Vorgaben - und in jedem Bundesland gelten andere Anforderungen an die Anbieter. Immerhin werden die Nachhilfe-Angebote inzwischen "vielfach stärker in Anspruch genommen als noch im Juni", teilt der Städtetag mit.
  • Einige Kommunen und Länder fördern bedürftige Kinder unabhängig vom Bildungspaket, das der Bund finanziert. Sie ermöglichen beispielsweise die kostenlose Mitgliedschaft in Sportvereinen oder fördern schwache Schüler speziell. Wer ohnehin umsonst mitmachen darf, für den werden die Eltern auch keinen Zuschuss beantragen. Paradoxerweise würden also solche Gemeinden in der Statistik besonders schlecht dastehen, die arme Kinder bereits aus eigenen Mitteln fördern.

Anmerkung der Redaktion: In einer ersten Version dieses Artikels wurde Ursula von der Leyen als Familienministerin bezeichnet. Sie ist jedoch seit November 2009 Bundesarbeitsministerin. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

fdi
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