Kryptogeld Warum der Bitcoin-Hype Vorbote eines großen Crashs sein könnte

Bitcoin-Kurs in Seoul (8. Dezember)
Foto: Lee Jin-Man/ dpaWas ist Geld? Klingt nach einer simplen Frage. Aber ganz so leicht ist sie nicht zu beantworten.
In der bevorstehenden Woche wird das Geld im Mittelpunkt stehen. Mittwoch wird die US-Notenbank Fed ihren weiteren Kurs bekanntgeben, Donnerstag die Europäische Zentralbank (EZB). Donnerstag und Freitag soll es beim EU-Gipfel nicht nur um den Brexit gehen, sondern auch um die Zukunft der Eurozone. Währenddessen bläht sich beim Kryptogeld Bitcoin eine Blase sondergleichen auf; die Kurssprünge der vergangenen Woche waren atemberaubend.
All das hat etwas miteinander zu tun.
Geld hat ein paar magische Eigenschaften. Sein Wert beruht auf einem komplexen Glaubensgebäude, auf Dogmen und kollektiven Überzeugungen. Geld ist letztlich soviel wert, wie wir ihm alle miteinander zubilligen. Wenn der Glaube daran schwindet, geraten Gesellschaften in ernste Schwierigkeiten, weil dann der Maßstab verlorengeht, an dem wir uns ausrichten und mittels dessen wir aushandeln, wer wem was schuldet.
Das mag reichlich esoterisch klingen; schließlich ist der Umgang mit Geld so alltäglich und so technisch geworden, dass von Magie nicht viel zu spüren ist.
Oder vielleicht doch? Bitcoin ist eine rein virtuelle Währung, die von einem anonymen System aus Geboten und Regeln gesteuert wird, das den Gläubigen einiges abverlangt. So fordert der Geist des Bitcoin - der Algorithmus - enorme Anstrengungen. Das Schöpfen neuer Einheiten ist mit immer aufwändigeren Rechenoperationen verbunden - der Weg zur Gnade ist mühe- und qualvoll. Man könnte das als ziemlich protestantische Vorstellung bezeichnen. Außerdem gibt es eine festgelegte Obergrenze für die maximale Menge an Bitcoins. Sie sind deshalb verlässlich knapp, was einen Teil des Reizes ausmacht.
Und damit sind wir bei den Notenbanken.
Bitcoin und die Hoffnung auf segensreichen Wettbewerb
Denn traditionelles Geld ist nicht knapp, zumindest nicht mehr. Die Finanzkrise von 2008 hatte ihre Ursache letztlich in einer allzu üppigen Geldversorgung. In den Jahren des Booms, die dem großen Knall vorausgingen, wurden weltweit viel mehr Zahlungsmittel in Umlauf gebracht, als für den Tausch von Waren und Dienstleistungen nötig gewesen wären.
Analysten starrten auf diese "globale Überschussliquidität", die in den Nullerjahren immer weiter zunahm. Doch jahrelang passierte nichts. Die Verbraucherpreise stiegen kaum. Notenbanken hielten die Leitzinsen niedrig. Banken wurden so schwach reguliert, dass sie kaum gehindert Kredite vergeben (und damit selbst Geld schöpfen) konnten. Währenddessen stiegen die Preise von Vermögensgütern aller Art, aber das schien kein Problem zu sein. Die Magie wirkte - noch.
Doch irgendwann schwand der Glaube. Misstrauen zog ein. Der Crash kam. Und er löste die größte Wirtschaftskrise seit Generationen aus.
Dies war die Zeit, als Bitcoin erfunden wurde. Ein Zahlungsmittel, das knapp war und das nicht von (fehlbaren) Notenbankern garantiert, sondern von (objektiven) Algorithmen gesteuert wurde.
Im Video: Marcel Rosenbach über den Hype um Kryptowährungen
Liberale Ökonomen konnten sich damals mit dem Prinzip der neuen privatwirtschaftlichen Währungen anfreunden. Das Versagen der staatlichen Notenbanken und der Finanzmarktregulierer in den Jahren des Booms erschien allzu offensichtlich.
Ihre Modelle und Dogmen waren offenkundig von den Realitäten der globalisierten Wirtschaft widerlegt worden. Dass die Verbraucherpreise und die Löhne trotz der Geldschwemme vergleichsweise stabil geblieben waren, hatte wohl eher mit dem verstärkten Konkurrenzdruck auf grenzenlosen Märkten zu tun als mit dem Vertrauen in die Weisheit der staatlichen Geldbehörden. Vielleicht waren die Notenbanker auch zu eng verzahnt mit den Interessen der Politik und der Finanzbranche, um dauerhaft stabile monetäre Verhältnisse gewährleisten zu können.
Die Hoffnung damals: Bitcoin und andere Kryptowährungen, die folgten, würden das Geldmonopol des Staates einem gesunden Wettbewerb aussetzen. Die Bitcoin-Blase zeigt nun, dass das digitale Privatgeld keineswegs stabil ist. Ganz im Gegenteil (mehr zum Bitcoin lesen Sie hier).
Eigentlich sollte das keine Überraschung sein. Dass es überhaupt staatliche Notenbanken gibt, die über ein Geldmonopol gebieten, ist auch eine Folge der Erfahrungen mit privaten Geldsystemen, die in der Wirtschaftsgeschichte eine Reihe von Hypes und Crashs hervorbrachten. Bitcoin ist, so gesehen, nichts Besonderes.
EZB und Fed sind immer noch im Krisenmodus
Letztlich kommt es darauf an, wie das Geld gemanagt wird. Eine Aufarbeitung der Ursachen der Finanzkrise und der Beitrag der Notenbanken dazu hat bis heute kaum stattgefunden. Seit Ausbruch der Krise hatten Fed, EZB und Co. alle Hände voll damit zu tun, den Komplettzusammenbruch des Systems zu verhindern.
Aus dem Krisenmodus sind sie immer noch nicht herausgekommen. Nun sieht es so aus, als hätten sie den richtigen Zeitpunkt für einen Ausstieg verpasst. Gerade hat die OECD vorgerechnet, dass praktisch alle großen westlichen Wirtschaftsräume 2018 den Zustand der konjunkturellen Überhitzung erreichen werden.
Dennoch hält die EZB die Leitzinsen bei Null und den Einlagezins für Banken negativ, während sie Monat für Monat für zig Milliarden Euro Wertpapiere aufkauft, wenn auch ab Januar mit verminderter Intensität.
Am Donnerstag wird EZB-Chef Mario Draghi wohl verlautbaren, diesen Kurs vorerst weiterzuverfolgen. Beim etwa zeitgleich beginnenden EU-Gipfel könnten die Staats- und Regierungschefs Signale senden, den Euroraum dauerhaft zu stabilisieren - wir haben an dieser Stelle mehrfach darüber diskutiert. Damit könnten sie die EZB in ihrer Rolle als alleiniger Euro-Stabilisator entlasten. Aber das wird wohl eine vorweihnachtliche Hoffnung bleiben.
Die amerikanische Fed ist einen Schritt weiter, baut ihren Bestand an Wertpapieren allmählich ab und setzt den Leitzins ganz langsam nach oben. Am Mittwoch wird Fed-Chefin Janet Yellen wohl eine Anhebung um einen Viertel Prozentpunkt verkünden (auf einen Korridor von 1,25 bis 1,5 Prozent). Aber auch in den USA wirkt die Notenbank nach wie vor expansiv.
Es wäre längst an der Zeit, endlich die Zügel zu straffen. Aber das geschieht nicht. Warum bloß nicht?
Zurück in die Zukunft - vom Boom zum Crash
Die Notenbanken starren auf Verbraucherpreise und Löhne, die nach wie vor kaum steigen. Daraus schließen sie, dass sie weiterhin problemlos Geld in die Märkte pumpen können - ja pumpen müssen, um ein erneutes Abgleiten in eine Krise zu verhindern.
Die Argumentation verläuft ganz ähnlich wie in den Nullerjahren. Damals halfen die Notenbanken, den großen Boom aufzublähen, der dann in die Krise von 2008 führte. Wie damals, so auch heute: Die überschüssigen flüssigen Mittel ergießen sich in die Kapitalmärkte. Dort verursachen sie eine Inflation bei Vermögensgütern, die die Notenbanken aber nicht recht ernst nehmen. Aktien, Anleihen, Immobilien, Kunst, alte Autos - egal, die Bewertungen gehen durch die Decke. Spekulationsblasen wohin man schaut.
Und sind erst alle halbwegs vernünftigen Anlagemöglichkeiten abgegrast, kommt es zu exzentrischen Verrücktheiten wie der gegenwärtigen Bitcoin-Manie.
Ein abenteuerliches Geschäft: Für eine virtuelle Recheneinheit, die durch nichts und niemanden gedeckt ist, die auch nicht als allgemeines Zahlungsmittel anerkannt ist, wurden Ende dieser Woche rund 15.000 Dollar bezahlt.
Das ist schlicht und einfach absurd. Aber solange der Preis steigt und Bitcoin-Besitzer daran glauben, noch irgendjemanden zu finden, der ihnen einen noch höheren Betrag zahlt, solange kann der Hype weitergehen. Die Blase treibt die Blase - bis sie platzt.
So gesehen könnte Bitcoin der Vorbote eines viel größeren Crashs sein. Wie auch immer die nächste Krise aussehen und was auch immer sie auslösen wird, eines ist sicher: Wenn die Magie des Geldes verschwindet, steht mancher Hohepriester nackt da.
Die wichtigsten Wirtschaftsereignisse der kommenden Woche
MONTAG
Paris - Das Klima der anderen - Konferenz zur Finanzierung von Klimaschutzprojekten vor dem Pariser Klimagipfel (Dienstag), mit Bankern, Investoren und Aufsichtsbehörden.
DIENSTAG
Paris - Macron climatisé - Frankreichs Präsident hat zum Klimagipfel geladen. Es geht darum, eine erste Zwischenbilanz zu ziehen, zwei Jahre nach dem Pariser Abkommen.
London - Brexit, the home front - Nachdem Britanniens Premier May einen ersten Last-Minute-Deal mit Brüssel hinbekommen hat, muss sie im Unterhaus um das umstrittene Austrittsgesetz ringen. Das Parlament will mehr Mitsprache - was den Brexit nach Lage der Dinge noch weiter verkomplizieren würde.
MITTWOCH
Washington - Yellens letzter Akt - Wohl zum letzten Mal vor dem Ende ihrer Amtszeit wird Fed-Chefin Janet Yellen eine Zinserhöhung bekanntgeben und bei einer Pressekonferenz ihre Analyse der Lage der US- und der Weltwirtschaft erklären.
DONNERSTAG
Frankfurt - Antwort von Draghi - Der EZB-Rat entscheidet über die weitere Geldpolitik und stellt seine aktuelle Einschätzung der näheren Zukunft vor. Erwartet wird ein Festhalten am angekündigten Kurs: Zinsen bei Null, monatliche Wertpapierkäufe fortsetzen, aber ab Jahresanfang halbieren.
Brüssel - Brexit, Euro, Flüchtlinge I - Europäischer Rat: Beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs (bis Freitag) stehen große Fragen auf der Agenda. Gerade das Thema Reform der Eurozone, bei dem Frankreichs Macron, Kommissionspräsident Juncker und Ratspräsident Tusk zurecht aufs Gas treten, wird in Deutschland dramatisch unterschätzt.
Ludwigsburg - Geld her! - Zweite Runde der Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektroindustrie in Baden-Württemberg. Es ist Zeit für ein kräftiges Plus - wann, wenn nicht jetzt? Wir haben vorige Woche an dieser Stelle darüber diskutiert.
FREITAG
Brüssel - Brexit, Euro, Flüchtlinge II - Ergebnisse des EU-Gipfels - oder was die Teilnehmer so dafür halten. In getrennten Pressekonferenzen werden die Regierungschefs berichten. Manchmal scheint es, als seien sie auf komplett unterschiedlichen Veranstaltungen gewesen.
Nürnberg - Ausstiegsplan für Seehofer - CSU-Parteitag (bis Samstag), mit Neuwahl des Parteivorstands.
Berlin - Ein Witz? - Bekanntgabe eines Eröffnungstermins für den still und starr ruhenden Hauptstadtflughafen.
Prag - Kein Witz! - Internationale der Nationalisten: Europäische Rechtspopulisten treffen sich in Prag.