BMW zum Kartellverdacht "Wir wissen nichts von Ermittlungen gegen uns"

Der Dieselskandal hängt nach SPIEGEL-Recherchen mit geheimen Absprachen in der Autoindustrie zusammen. BMW wiegelt ab, SPD-Chef Martin Schulz fordert rasche Aufklärung.
Fahne mit BMW-Logo

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Foto: Alexander Heinl/ dpa

BMW hat zum Vorwurf, bei der Abgasreinigung von Dieselfahrzeugen möglicherweise wettbewerbswidrige Absprachen getroffen zu haben, Stellung genommen. "Diskussionen mit anderen Herstellern über AdBlue-Behälter zielten aus Sicht der BMW Group auf den notwendigen Aufbau einer Betankungsinfrastruktur in Europa ab", erklärte der Münchner Autokonzern am Sonntag. "Wir suchen auch in der Abgasreinigung den Wettbewerb."

Zu anderen Vorwürfen wollte sich der Dax-Konzern nicht äußern. "Wir wissen nichts von Ermittlungen gegen uns", sagte ein BMW-Sprecher lediglich.

Der SPIEGEL hatte am Freitag enthüllt, dass BMW, Volkswagen, Audi, Porsche und Daimler sich über die Größe der Tanks für das Harnstoffgemisch AdBlue abgesprochen haben. (Lesen Sie hier die ganze Titelgeschichte im aktuellen SPIEGEL.) Das Gemisch wird gebraucht, um Stickoxide zu neutralisieren. Aus Kostengründen verständigten sich die Hersteller auf kleine Tanks. Die darin enthaltene Menge AdBlue reichte allerdings irgendwann nicht mehr für strengere Abgaswerte aus, deshalb halfen den Unternehmen nur noch Tricks.

BMW will Euro-6-Fahrzeuge nicht nachrüsten

Anders als Konkurrenten will BMW Fahrzeuge mit der aktuellen Abgasnorm Euro 6 nicht nachrüsten. Die von BMW eingesetzte Technologie unterscheide sich deutlich von anderen im Markt, erklärten die Münchner.

Den Vorwurf, dass aufgrund zu kleiner AdBlue-Behälter eine nicht ausreichende Abgasreinigung in Dieselfahrzeugen der aktuellen Norm Euro 6 erfolge, wies BMW zurück. Diese Fahrzeuge wiesen auch auf der Straße ein sehr gutes Emissionsverhalten auf. Deshalb erübrige sich für Euro-6-Diesel-Pkw ein Rückruf oder eine Nachrüstung. Bei den älteren Dieseln der Norm Euro 5 sei BMW bereit, ein freiwilliges und kostenloses Software-Upgrade durchzuführen, bekräftigte der Konzern.

Daimler hatte unter dem Druck der Diskussion über Fahrverbote für Dieselautos und Abgas-Betrugsermittlungen angekündigt, insgesamt drei Millionen Mercedes-Benz-Wagen mit Dieselmotoren in Europa nachzurüsten. Mercedes will bei nahezu allen Fahrzeugen mit Euro 5 und Euro 6 per Software-Update den Stickoxid-Ausstoß senken. Die VW-Tochter Audi will bis zu 850.000 Wagen mit Sechs- und Achtzylinder-Dieselmotoren der Abgasnormen EU 5 und EU 6 mit neuer Software ausstatten.

Martin Schulz fordert Aufklärung

Der SPD-Vorsitzende und Kanzlerkandidat Martin Schulz hat derweil eine rasche Aufklärung der Kartellvorwürfe gegen die Autobauer gefordert. Wenn sich die Vorwürfe bestätigen sollten, "wäre das ein ungeheuerlicher Vorgang", erklärte Schulz. "Es wäre ein gigantischer Betrug zu Lasten der Kunden und der oftmals mittelständischen Zulieferunternehmen. In diesem Fall müssen die verantwortlichen Manager die Konsequenzen tragen."

Schulz fügte hinzu, keinesfalls dürften die Konsequenzen aus dem möglichen Autokartell zu Lasten der Arbeitnehmer gehen. "Sie haben weder Kartellabsprachen getroffen noch den Dieselbetrug zu verantworten."

Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) die Zuständigkeit für den Dieselskandal zu entziehen. "Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, ist das der größte Kartellfall und der größte Skandal der deutschen Wirtschaftsgeschichte", sagte Hofreiter der Online-Ausgabe des "Handelsblatts".

Absprachen seit den Neunzigerjahren

"Wenn das schon so lange läuft, ist es allerdings schwer vorstellbar, dass das Kraftfahrt-Bundesamt, das so eng mit den Herstellern zusammenarbeitet, nichts mitbekommen hat", betonte Hofreiter. Dobrindt habe "seit zwei Jahren alle Probleme vertuscht".

Geheime Arbeitskreise, in denen sich die deutsche Autoindustrie auch über die Technik, Kosten und Zulieferer abgesprochen hat, gibt es seit den Neunzigerjahren. Das belegt eine Art Selbstanzeige, die der VW-Konzern nach Informationen des SPIEGEL bei den Wettbewerbsbehörden eingereicht hat. Es bestehe "der Verdacht", erklärt Volkswagen in seinem Schriftsatz auch für die Töchter Audi und Porsche, dass es zu "kartellrechtswidrigem Verhalten" gekommen sei. Auch Daimler hat eine Art Selbstanzeige eingereicht.

mbö/AFP/Reuters/dpa
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