Abkehr vom EuGH Nobelpreisträger Stiglitz kritisiert Mays Brexit-Plan

Großbritannien will mit dem Brexit auch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs verlassen. Nobelpreisträger Stiglitz findet das bedenklich. Donald Trump kritisiert er scharf - und warnt vor ähnlichen Entwicklungen in Europa.
Stiglitz in Davos

Stiglitz in Davos

Foto: Gian Ehrenzeller/ AP

Der US-Ökonom und Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz hat die Ankündigung der britischen Premierministerin Theresa May kritisiert, sich im Zuge des Brexit auch aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu verabschieden. "Sich vom Europäischen Gerichtshof zurückzuziehen, ist eine große Sache", sagte Stiglitz SPIEGEL ONLINE auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos. Solche politischen Fragen seien wichtiger als die ökonomischen Aspekte des Brexit.

Zugleich bewertetet Stiglitz den geplanten Austritt der Briten als Weckruf für die restliche EU. "Europa hat Probleme mit übermäßiger Bürokratie oder zumindest dieses Image", sagte er. Der Staatenbund habe auch "keinen überzeugenden Beweis dafür geliefert, dass ein Binnenmarkt wichtig ist". Stiglitz bekräftigte zudem seine Kritik an der europäischen Gemeinschaftswährung, deren Einführung er für gescheitert hält. "Möglicherweise muss man den Euro aufgeben, um nicht die EU aufzugeben."

Europäischen Politikern riet Stiglitz auch mit Blick auf seine Heimat, auf unzufriedene Bürger zuzugehen. "Es ist besser, mit den unzufriedenen Leuten zu reden - auch wenn sie eine Partei wie die AfD unterstützen - bevor man am Ende jemanden wie Trump hat."

Neue Dimension der Heuchelei?

Die wirtschaftspolitischen Pläne des künftigen US-Präsidenten kritisierte Stiglitz scharf. "Donald Trump ist ein Protektionist, daran gibt es keinen Zweifel." Die Welt habe sich aus guten Gründen strenge Handelsregeln auferlegt, um Rechtssicherheit in den globalen Wirtschaftsbeziehungen zu schaffen. "Es ist bestürzend zu sehen, dass nun ein amerikanischer Präsident diese Rechtsstaatlichkeit zu unterlaufen versucht." Noch bizarrer sei es, dass der chinesische Ministerpräsident in Davos als Verteidiger des freien Welthandels auftrete.

Trump hatte Anfang der Woche auch deutschen Autoherstellern mit hohen Importzöllen gedroht, sollten sie von Mexiko aus den US-Markt beliefern wollen. Aber auch amerikanische Unternehmen müssten fürchten, dass Trump in ihre Geschäfte hineinregiere. Deswegen gehe auch unter US-Firmen Angst um, obwohl viele den Steuer- und Ausgabenplänen des künftigen Präsidenten positiv gegenüberstünden.

Stiglitz erwartet, dass Trump sich auch von kritischen Reaktionen großer Handelspartner nicht von seinem Kurs abbringen lässt. Eher werde er vom Kongress eingefangen. "Es wäre schon eine neue Dimension der Heuchelei, wenn die Republikaner sich als Freihandelsbefürworter gäben, solange die Demokraten regierten - und unter einem konservativen Präsidenten zu Protektionisten mutierten."

Mit der Wahl Trumps sei das geschehen, so Stiglitz, wovor er lange gewarnt habe: Wenn die Globalisierung nicht richtig gesteuert und die wachsende Ungleichheit bekämpft werde, dann werde es eine heftige politische Reaktion geben. Nicht die Globalisierung an sich sei falsch. Der Fehler internationaler Handelsabkommen bestehe vielmehr darin, dass sie einseitig die Interessen der großen Unternehmen bedienten. "Aber Trump versteht gar nicht, was das Problem ist. Er versucht die Globalisierung zu zerstören."

Stiglitz kritisierte auch die Art und Weise, wie Trump die Wirtschaft ankurbeln will. Zwar brauche Amerika höhere Investitionen in die Infrastruktur. Aber die Idee, diese Investitionen mit Steuervergünstigungen zu finanzieren, sei schlecht. "Privatisierungen und Steuergeschenke sind kein effizienter Weg für diese Art von Projekten. Sie helfen vor allem, Hedgefonds kurzfristig Gewinne zu bescheren."

All das könne in Amerika zu stärkerem gesellschaftlichen Engagement führen, aber auch zu wachsenden sozialen Spannungen, so Stiglitz. "Es ist nicht undenkbar, dass es zu Gewalt kommt, auch wenn ich das nicht hoffe."

Die Wiedergabe wurde unterbrochen.
Merkliste
Speichern Sie Ihre Lieblingsartikel in der persönlichen Merkliste, um sie später zu lesen und einfach wiederzufinden.
Jetzt anmelden
Sie haben noch kein SPIEGEL-Konto? Jetzt registrieren