Bruttoinlandsprodukt Konjunktur in Deutschland kühlt merklich ab

Stahlarbeiter (bei ThyssenKrupp): Der Export schwächelt
Foto: Oliver Berg/ dpaWiesbaden - Das Wachstum der deutschen Wirtschaft ist im zweiten Quartal fast zum Erliegen gekommen. Das Bruttoinlandsprodukt sei von April bis Juni nur noch um 0,1 Prozent im Vergleich zum ersten Vierteljahr gewachsen, teilte das Statistische Bundesamt am Dienstag in einer ersten Schätzung mit. "Das ist das langsamste Wachstum seit Jahresbeginn 2009, als die Finanzkrise ihren Höhepunkt erreichte", sagte ein Statistiker.
"Die privaten Konsumausgaben und die Bauinvestitionen bremsten die deutsche Wirtschaft im zweiten Vierteljahr 2011", hieß es. Weil die Importe schneller stiegen als die Exporte, kamen auch vom Außenhandel negative Impulse. Dagegen zogen Investitionen der Unternehmen an und hielten die Wirtschaft damit auf Wachstumskurs. Details will das Statistische Bundesamt am 1. September nennen.
Die Statistiker korrigierten auch das sehr starke Quartalswachstum zu Jahresbeginn etwas herunter. Demnach ist die deutsche Wirtschaft von Januar bis März nicht um 1,5 Prozent, sondern um 1,3 Prozent gewachsen.
Ökonomen reagierten ernüchtert auf die Zahlen. "Das ist eine herbe Enttäuschung", sagte Jörg Lüschow von der WestLB. Überraschend sei der Rückgang des privaten Konsums. Insgesamt könne sich auch Deutschland den globalen Abschwächungstendenzen nicht entziehen. "Das lässt für das Euro-Zonen-BIP nicht viel Positives erwarten. Viel mehr als eine Stagnation ist da nun nicht mehr zu erwarten."
Auch Jörg Krämer von der Commerzbank sagte, Deutschland könne sich "nicht völlig abkoppeln vom Rest der Weltwirtschaft. Die Frühindikatoren zeigen mittlerweile auch bei uns nach unten. Dennoch erwarte ich, dass wir ein im historischen Vergleich immer noch kräftiges Wachstum erreichen werden. 2012 ist ein Plus von rund zwei Prozent möglich".
Auch in anderen Ländern stockt das Wachstum
Andreas Scheuerle von der DekaBank wies darauf hin, dass die Exporte erneut gestiegen seien. "Wesentliche Impulse kamen wohl von außerhalb Europas." Der rückläufige Konsum passe "zwar zu den Einzelhandelsumsätzen, nicht aber zu den Rahmenbedingungen: Arbeitsmarkt im Plus, höhere Lohnabschlüsse. Einziger Belastungsfaktor waren Inflation und gefühlte Inflation."
Nach dem tiefen Einbruch um 4,7 Prozent im Krisenjahr 2009 war die deutsche Wirtschaft im vergangenen Jahr um 3,6 Prozent gewachsen. Dank des fulminanten Jahresauftakts hat die Wirtschaftsleistung das Vorkrisenniveau von Anfang 2008 bereits wieder überschritten.
Auch in anderen Industrieländern kühlte die Konjunktur im Frühjahr merklich ab. Die USA schafften ein Plus von rund 0,3 Prozent, während die japanische Wirtschaft sogar um 0,3 Prozent schrumpfte. In Frankreich stagnierte die Wirtschaft.
Der Euro in Dollar reagierte mit leichten Kurseinbußen auf die Zahlen: Er sank auf bis zu 1,4390 US-Dollar und kostete damit etwa einen halben Cent weniger als in der Nacht zum Dienstag. Ein Dollar in Euro war zuletzt 0,6949 Euro wert. Deutsche Staatsanleihen gingen dagegen mit deutlichen Gewinnen in den Handel. Der richtungsweisende Euro-Bund-Future stieg am Morgen um 0,25 Prozent auf 133,26 Punkte. Die Rendite der zehnjährigen Bundesanleihe sank um 0,03 Prozentpunkte auf 2,294 Prozent. Händler sagten, die enttäuschenden Wachstumsdaten hätten sicheren Anlagen wie Staatsanleihen Auftrieb verliehen.