Soziale Milieus Wie Gehalt, Beruf und Wohnort die Wahlentscheidung prägen

Sag mir, was du verdienst, und ich sage dir, was du wählst. Laut einer Studie unterscheiden sich die Parteienmilieus noch immer erheblich. FDP-Anhänger haben die höchsten Einkommen - AFD- und Nichtwähler kommen schlechter weg.
Arbeiter vor Frankfurter Bankenskyline

Arbeiter vor Frankfurter Bankenskyline

Foto: Frank Rumpenhorst/ dpa

Die Wähler der Grünen sind rasant gealtert, jene von SPD und Union unterscheidet nur noch der Wohnort und Anhänger von AfD und Linke haben besonders viele Sorgen. Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)  hat die Wählerschaften jetzt auf ihre sozioökonomische Zusammensetzung untersucht - und kommt zu teilweise überraschenden Erkenntnissen.

Die DIW-Forscher haben dafür zwei Quellen ausgewertet: Die Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaft (Allbus) aus den Jahren 2000 und 2016 und Daten des Sozio-oekonomischen Panels aus dem Jahr 2015. Der Schwerpunkt liegt auf den Daten zu Wohnort, beruflicher Stellung, Alter, Einkommen sowie Ängsten und Sorgen der Wähler.

Das Hauptergebnis der Untersuchung: Die alten Bilder passen kaum noch (außer bei der FDP), die Wählerschaft von SPD und Union ist weitgehend identisch, auch die Grünen-Anhänger werden älter und die AfD ist die neue Heimat der Arbeiter - und der Besorgten. Hier die Ergebnisse der Studie im Überblick.

Arbeiter, Beamte oder Selbstständige?

Die Arbeiterschaft hat überall an Bedeutung verloren, die neue Arbeiterpartei ist aber eindeutig die AfD. Der Anteil von 34 Prozent an der Wählerschaft ist doppelt so groß wie bei der SPD. Mit 9 Prozent stellen die Arbeiter vor allem bei den Grünen die kleinste Gruppe. Auch der Anteil der Selbstständigen ist bei der AfD-Anhängerschaft mit 14 Prozent hoch und liegt nur knapp hinter der FDP (15 Prozent). Zudem hat die AfD so viele Vollzeitbeschäftigte (50 Prozent) unter ihrer Wählerschaft wie keine andere Partei.

Die Wählerschaft der Grünen arbeitet übrigens mit durchschnittlich 41,8 Stunden pro Woche am wenigsten, die der FDP mit 46 Stunden am meisten. Während keine Partei so viele Gewerkschaftsmitglieder unter ihren Anhängern hat wie die Linke (27 Prozent), liegt die AfD mit 24 Prozent immerhin knapp dahinter.

Die Parteien der Besserverdienenden - und die anderen

Die monatlichen Haushaltsnettoeinkommen unterscheiden sich je nach Parteienpräferenz erheblich: An der Spitze steht die Wählerschaft der FDP, am Ende die der Linken. Der Median ist das Einkommen, das genau in der Mitte liegt - die eine Hälfte verdient mehr, die andere weniger. Der Mittelwert ist aus allen Gehältern errechnet: Extrem hohe oder niedrige Löhne verzerren das Ergebnis. Dieses Durchschnittseinkommen liegt bei allen Parteien über dem Median - ein Zeichen dafür, dass einige Anhänger mit hohen Einkommen den Wert nach oben ziehen.

Das Medianeinkommen bei potenziellen FDP-Wählern liegt bei 3400 Euro, dahinter kommen Union und Grüne mit je 3000 Euro, es folgen SPD (2700 Euro), AfD (2600 Euro) und Linke (knapp 2400 Euro). Als Vergleichsgruppe haben Nichtwähler nur ein Einkommen von gut 2000 Euro - ein Anzeichen dafür, dass eine gesellschaftliche Gruppe, die besonders wenig verdient und sich womöglich abgehängt fühlt, gar nicht mehr wählen geht. Im Vergleich zu 2000 hat diese Gruppe zudem mit vier Prozent die mit Abstand geringsten Einkommenssteigerungen erlebt.

Ein etwas anderes Bild zeigt sich, wenn die Einkommen nach dem Bedarf gewichtet werden, also in Beziehung gesetzt werden zu der Anzahl und dem Alter der Personen in einem Haushalt. Zwar liegen die Nichtwähler auch dann auf dem letzten Platz, mit 1533 Euro Medianeinkommen ist das Geld aber bei den AfD-Anhängern besonders knapp. Zum Vergleich: Die FDP-Wählerschaft kommt auf 2125 Euro. AfD-Anhänger haben also entweder weniger Haushaltsmitglieder mit Einkommen oder größere Haushalte zu versorgen.

Ängste und Sorgen

Geringe Einkommen können Unzufriedenheit erzeugen: Tatsächlich zeigt die Untersuchung, dass die Zufriedenheit mit der persönlichen wirtschaftlichen Lage ziemlich genau den bedarfsgewichteten Nettoeinkommen entspricht: Am glücklichsten ist die Wählerschaft der FDP, am wenigsten zufrieden sind die AfD-Anhänger und die Nichtwähler. Letztere Gruppen sind auch überwiegend der Meinung, dass sie nicht ihren gerechten Anteil am Lebensstandard bekommen - im Gegensatz zu den Anhängern aller anderen Parteien.

Wirkliche Unterschiede zeigen sich bei den Sorgen, die sich die Wahlberechtigten machen. So ist die AfD-Wählerschaft besonders ängstlich: Sie fürchten Zuwanderung nach Deutschland (82 Prozent), mehr Kriminalität (71 Prozent), das Ende des Friedens (55 Prozent), das Auseinanderbrechen der Gesellschaft (48 Prozent), und sie sorgen sich um ihre Alterssicherung (40 Prozent). In dieser Ängstlichkeit kommen den AfD-Anhängern nur die der Linken nahe, die sich aber mehr um den Frieden und die Ausländerfeindlichkeit sorgen.

Stadt oder Land, Ost oder West?

Die Daten weisen aus, ob die Wähler eher in Großstädten oder in kleineren Gemeinden wohnen und ob sie im Westen, also den alten Bundesländern oder in Ostdeutschland wohnen. Die früheren West-Parteien haben ihre Anhängerschaft weiterhin vor allem in den alten Bundesländern: 90 Prozent sind es bei der FDP, 89 Prozent bei den Grünen und je 85 Prozent bei Union und SPD. Die AfD findet ihre Wähler zu immerhin 29 Prozent in Ostdeutschland, und nur bei der Linken ist es mit 59 Prozent die Mehrheit.

Während sich die Wählerschaft von CDU/CSU und SPD immer ähnlicher wird, gibt es vor allem einen Unterschied: SPD-Wähler sind eher in den Großstädten zu finden, ebenso wie Grünen-Wähler. Auf dem Land sind dagegen Union und vor allem die AfD stark, deren Anhänger zu 75 Prozent in Gemeinden mit weniger als 50.000 Einwohner leben. Die Linke wird sowohl auf dem Land als auch in den Städten gewählt.

Alter und Geschlecht

Gemeinsam mit der gesamten Bevölkerung sind auch die Wähler in der Zeit von 2000 bis 2016 gealtert. Während sich das Durchschnittsalter aller Wahlberechtigten um drei Jahre auf 51,2 erhöhte, fällt besonders der Trend bei den Grünen auf: Zwar hat die Partei mit 48,1 Jahren die jüngsten Anhänger, im Jahr 2000 lag der Durchschnitt bei der Ökopartei aber noch bei 40 Jahren. Union und SPD liegen mit je 52,8 Jahren über dem Gesamtschnitt, bei der SPD ist der Anteil der Rentner am höchsten.

Das Geschlechterverhältnis entspricht am ehesten den Erwartungen: Die potenzielle Grünen-Wählerschaft ist zu 60 Prozent weiblich, bei der FDP ist es umgekehrt, die AfD-Anhängerschaft ist zu 69 Prozent männlich. Bei Union, SPD und Linke ist das Verhältnis fast ausgewogen.

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