

Weltweit haben Politiker und Unternehmer auf diese Zahl gewartet, am frühen Montagmorgen gab die Nationale Statistikbehörde in Peking nun die Wachstumsrate des vergangenen Quartals bekannt. Demnach legte Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) zwischen Juli und September um 6,9 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum zu.
Zum ersten Mal seit der Weltfinanzkrise 2009 ist das Wachstum auf unter sieben Prozent gefallen. Dennoch wurden damit die Erwartungen von Analysten übertroffen - sie hatten mit einer Wachstumsrate von 6,7 oder 6,8 Prozent gerechnet. Als Gründe für den Rückgang wurden unter anderem der Börsencrash im Sommer angegeben, aber auch eine Umstellung der Statistik (mehr über die "wichtigste Zahl des Jahres" lesen Sie hier).
Die Bekanntgabe war auch deshalb mit Spannung erwartet worden, weil das Wachstum von Chinas BIP ein zentraler Indikator für die Weltwirtschaft ist. Im ersten und im zweiten Quartal 2015 hatte es bei jeweils 7 Prozent gelegen. Im Gesamtjahr 2014 war das chinesische BIP mit 7,4 Prozent auf den niedrigsten Wert seit fast 25 Jahren gefallen. Im Jahr 2013 hatte die Volksrepublik immerhin noch ein Wachstum von 7,7 Prozent erzielt.
Auch für deutsche Unternehmen läuft es schlecht in China
Die erneut schwachen Wachstumszahlen hatten sich in den vergangenen Wochen abgezeichnet. Allein im September war der Außenhandel um 8,8 Prozent eingebrochen. Die Importe sanken sogar um 17,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat - ein Zeichen, dass die Geschäfte auch für deutsche Unternehmen in China nicht mehr so gut laufen.
Das Wachstum dürfte im dritten Quartal auch einen zusätzlichen Dämpfer erlitten haben, weil viele Fabriken wegen einer großen Militärparade in Peking und der Leichtathletik-Weltmeisterschaft für mehrere Wochen schließen oder den Betrieb herunterfahren mussten, um die Luftqualität zu verbessern.
Zunehmend schwierig wird es für Peking nun, bis Jahresende das angestrebte Wachstumsziel von "rund sieben Prozent" zu erreichen. Analysten rechnen damit, dass die Wirtschaft im letzten Quartal des Jahres wieder leicht anziehen könnte, weil die Regierung Konjunkturhilfen beschlossen hat. Im vergangenen Jahr war Chinas um 7,4 Prozent gewachsen - so langsam wie seit einem Vierteljahrhundert nicht mehr.
Wirtschaft im Umbau
Die Wirtschaft der Volksrepublik macht derzeit einen tiefgreifenden Wandel durch. Wegen steigender Lohnkosten, einer alternden Gesellschaft und günstigerer Konkurrenz aus Staaten in Südostasien und Afrika funktioniert das alte Geschäftsmodell "als Werkbank der Welt" nicht mehr so gut wie früher. Die Regierung will deshalb erreichen, dass die Unternehmen innovativer werden. Mit hochwertiger Technologie sollen sie den großen Konzernen in westlichen Industrieländern auf den Weltmärkten Konkurrenz machen. Zudem sollen der Dienstleistungssektor und der Binnenkonsum gestärkt werden.
Welche Ziele sich Peking genau setzt, dürfte bald klarer werden. Im Laufe des Monats werden führende Vertreter der Kommunistischen Partei in Peking zusammenkommen, um über den neuen Fünf-Jahres-Plan des Landes zu entschieden. Das neue Wachstumsmodell dürfte dabei ein Kernelement sein. Auch strengere Ziele für den Umweltschutz dürften nach Ansicht von Beobachtern beschlossen werden.
Zusammengefasst: Der tiefgreifende Wandel hinterlässt Spuren: Die Zeiten des stürmischen Wachstums in China sind offensichtlich vorüber. Zwischen Juli und September legte das BIP nur noch um 6,9 Prozent zu. Experten hatten allerdings noch schwächere Zahlen erwartet. Jetzt warten alle auf den Endspurt im vierten Quartal.
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Wie würde die Rate für Chinas Wirtschaftswachstum im dritten Quartal ausfallen? Für diesen Montag war die Veröffentlichung der Zahlen erwartet worden, und so kam es auch. Am frühen Morgen verkündete die Statistikbehörde: 6,9 Prozent. Das ist zwar etwas mehr als erwartet worden war, aber dennoch der tiefste Wert seit rund sechs Jahren. Hier ist ein Arbeiter in Peking zu sehen.
Peking, Platz des Himmlischen Friedens: Schon in den Prognosen hieß es, die Wachstumsrate werde wohl erstmals seit Jahren bei weniger als sieben Prozent liegen. Die Analysten hielten 6,7 oder 6,8 Prozent für wahrscheinlich.
Börsentafel in Peking im August: Nach dem turbulenten Sommer mit dem Börsencrash waren Politiker und Unternehmer dieses Mal besonders gespannt auf die Daten.
Baustelle in Peking: Das Wachstum von Chinas Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist ein zentraler Indikator für die Weltwirtschaft.
Arbeiter in Peking: Je größer Chinas Wirtschaft in den vergangenen Jahren wurde, desto wichtiger wurde auch die Wachstumszahl, und über die Jahre gewann sie eine fast mythische Bedeutung. China, so der Konsens vieler Ökonomen, dürfe seine hohe Wachstumsrate nicht unterschreiten, sonst könne das Land seine Menschen nicht beschäftigen.
Hochhäuser im chinesischen Rizhao: Lange galten acht Prozent Wirtschaftswachstum als die Marke, die China vom Chaos trennen.
Dann begann Peking, seine Export- und Investitionswirtschaft auf ein Konsum- und Dienstleistungsmodell umzustellen und kündigte an, dafür ein niedrigeres Wachstum zu akzeptieren. Allmählich setzte sich die Sieben als neuer Richtwert durch. Am Montag wird sich zeigen, ob diese nun unterschritten wird. Im Bild ein Supermarkt in Peking.
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