Warnung vor zu harten CO2-Vorgaben Deutsche Industrie sieht sich durch EU-Klimaziele bedroht

Autoverladung in Emden: Anspruchsvolle Grenzwerte seien "das Ende des klassischen Verbrennungsmotors"
Foto: Jörg Sarbach/ DPAStrengere Vorgaben zum Klimaschutz sollen der Erde eine Zukunft geben - doch was bedeutet das für Wohlstand und Arbeitsplätze? Baden-Württembergs grüner Ministerpräsident Winfried Kretschmann warnte im Sommer im SWR: "Ich habe keine Lust, dass wir das Ruhrgebiet der Zukunft werden." In diesem Spannungsfeld zwischen Verzicht, Niedergang und grünem Wachstum im Autoland Deutschland hat sich die deutsche Industrie nun außergewöhnlich deutlich positioniert.
"Was wir können, ist Strukturwandel. Was wir nicht können, ist Strukturbruch", sagte Bosch-Chef Volkmar Denner der "Stuttgarter Zeitung " und den "Stuttgarter Nachrichten". Ein Veränderungsprozess brauche Zeit. "Wenn man ihn dagegen dogmatisch übers Knie bricht, wird die Industrie den Wandel nicht bewältigen können."
Die laute Warnung kommt in einem symbolträchtigen Moment. Die neue EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen will am Mittwoch ihren Plan für ein klimaneutrales Europa bis 2050 vorstellen, den sogenannten Green Deal. Das Ziel ist, dass von 2050 an keine neuen Treibhausgase aus Europa in die Atmosphäre gelangen, um die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen. Dafür muss der größte Teil der Klimagase, die bei Verbrennung von Kohle, Öl oder Gas und in der Landwirtschaft entstehen, vermieden und der Rest gespeichert werden.
Von der Leyen plant ein umfassendes Gesetzgebungsprogramm, das Energieversorgung, Industrieproduktion, Verkehr und Landwirtschaft in den nächsten 30 Jahren betrifft - und ein Zwischenziel für 2030: Bis dahin sollen die Emissionen um 50 bis 55 Prozent unter dem Wert von 1990 liegen. Bisher hat sich die EU ein Minus von 40 Prozent vorgenommen. Allerdings haben sich andere Länder bereits höhere Ziele gesteckt. Dänemark beispielsweise will im selben Zeitraum 70 Prozent einsparen.
"Zukunftsfähigkeit hängt nicht einzig an den ökologischen Zielen"
Dennoch droht der Politikerin der CDU, die sonst für wirtschaftsfreundliche Politik bekannt ist, mit ihren Plänen ein harter Konflikt mit der Industrie. BDI-Präsident Dieter Kempf warnte vor den schärferen Klimazielen auf EU-Ebene für das Jahr 2030. Dies würde zu einer weiteren Verunsicherung von Konsumenten und Unternehmen führen. "Ständige Erhöhungen des Zielniveaus sind Gift für langlebige Investitionen", sagte der Chef des mächtigsten deutschen Industrieverbands. "Sie führen zunehmend in Grenzbereiche der technischen, wirtschaftlichen und sozialen Machbarkeit."
Der Ansatz der Kommission sei zu einseitig. "Die Zukunftsfähigkeit Europas hängt nicht einzig an den ökologischen Zielen des 'Green Deals'", sagte Kempf. Internationale Wettbewerbsfähigkeit müsse ebenso wichtiges Ziel sein: "Die nötigen Billioneninvestitionen in Klima- und Umweltschutz muss eine wettbewerbsfähige und innovationsfreudige Industrie leisten." Eine umfassende Verfügbarkeit klimafreundlicher Energie in Form von Strom, Gasen und Kraftstoffen sei essenziell. "Einheimische Wind- und Solarenergie wird den künftigen Bedarf Europas an bezahlbarer Energie nicht alleine decken können. Europa muss sich dafür neue globale Märkte erschließen."
Bosch-Chef Denner sieht durch die geplanten, verschärften CO2-Vorgaben der EU-Kommission zudem noch mehr Jobs in der Autobranche bedroht als ohnehin schon. "Derartig anspruchsvolle Grenzwerte bedeuten das Ende des klassischen Verbrennungsmotors", sagte er "Stuttgarter Zeitung" und "Stuttgarter Nachrichten". "Mit den entsprechenden Auswirkungen auf die Beschäftigung der betroffenen Unternehmen."
Investitionen von einer Billion Euro geplant
Bosch hatte in den vergangenen Wochen immer wieder neue Stellenabbaupläne für einzelne Standorte aus dem Automobilbereich angekündigt. Mit der jüngsten Ankündigung geht es nun insgesamt bereits um rund 3500 Arbeitsplätze. Laut Denner sind diese Woche zwei Betriebsversammlungen angesetzt. Der Chef des Mischkonzerns forderte, die CO2-Bilanz der gesamten Prozesskette des Autos anzuschauen, also zum Beispiel auch der Herstellung. "Dann hätte auch der optimierte Verbrenner wieder eine Chance, genau wie die Brennstoffzelle und synthetische Kraftstoffe."
Damit der Wandel nicht zum Bruch wird, plant die EU-Kommission auch einen "Fonds für den gerechten Wandel". Profitieren sollen davon unter anderem die EU-Staaten Polen, Ungarn und Tschechien, die bei der Energieversorgung noch stark auf Kohle angewiesen sind, und sich bisher noch gegen die Kommissionspläne sträuben. 100 Milliarden Euro sollen für besonders betroffene Regionen mobilisiert werden. Die Gesamtkosten für den "Green Deal" sind noch viel höher: Von der Leyen setzt auf Investitionen in Höhe von einer Billion Euro.