Unternehmen und Selbstständige im Shutdown Wer die neuen Hilfen vom Staat bekommt - und wer nicht

Wer in den Shutdown muss, soll diesmal noch größere Hilfen vom Staat bekommen als im Frühjahr. Doch die Regeln haben ihre Tücken - und könnten am Ende zum Bürokratie-Monster werden.
Eine Analyse von Christian Reiermann
Foto: Sebastian Gollnow / DPA

Der neue Shutdown trifft die deutsche Wirtschaft. Doch die Bundesregierung verspricht Hilfen. Sie will allen vom Shutdown im November betroffenen Unternehmen und Selbstständigen Teile ihrer Umsätze oder Einkünfte erstatten. Der Schritt stellt eine Kehrtwende dar: Bislang kaprizierte sich die Politik bei ihren Rettungsmaßnahmen vor allem darauf, existenzbedrohten Firmen einen Kostenzuschuss zu gewähren. Das half, aber nicht allen.

Ein Vortragskünstler zum Beispiel produziert kaum Kosten, wohl aber fallen ihm bei Auftrittsverboten sämtliche Einkünfte weg. Mit dem bisherigen Instrumentarium war ihm nicht zu helfen. Insofern ist die Neuregelung eine echte Verbesserung.

Dennoch birgt sie etliche Fallstricke, Risiken und Nebenwirkungen. Unter Hochdruck versuchten Fachleute aus den beteiligten Ministerien für Wirtschaft und für Finanzen, Komplikationen zu vermeiden. Bis zum Auftritt von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) und Finanzminister Olaf Scholz (SPD) am Donnerstagmittag vor der Bundespressekonferenz wurden sie jedoch noch nicht fertig. Der Teufel stecke im Detail, bekannte ein beteiligter Beamter.

Wer bekommt das Geld - und wer nicht?

Schwierig wird zum Beispiel die Abgrenzung, wer entschädigt werden soll und wer nicht. Direkt Betroffene zu identifizieren, dürfte noch relativ einfach sein. Ein auf Touristen spezialisiertes Hotel, das im November schließen muss, sollte keine Schwierigkeiten haben, die Hilfen zu beantragen. Nach dem Willen der Bundesregierung sollen jedoch auch indirekt Betroffene bedacht werden.

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Doch wo verläuft die Grenze? So kann es sein, dass die Wäscherei des Hotels ebenfalls Umsatzausfall geltend machen darf, weil sie von dessen Aufträgen abhängig ist. Der Metzger aber, der Aufschnitt und Schmierwurst fürs Frühstücksbuffet liefert, kommt nicht zum Zuge, weil er weitere Kunden hat. Es bedarf keiner prophetischen Gaben, um vorauszusagen, dass etliche Entscheidungen über die Hilfen vor Gericht landen werden.

Wie werden die Hilfen berechnet?

Grundsätzlich sollen Unternehmen bis 50 Mitarbeiter 75 Prozent ihrer Umsatzausfälle erstattet bekommen, Firmen mit mehr Mitarbeitern 58 Prozent, maximal aber drei Millionen Euro. Komplikationen birgt aber die Vorgabe des Hilfspakets, wonach Vergleichsgröße für die Erstattungen die Umsätze oder Einkünfte des Novembers 2019 sein sollen. Was aber ist mit jenen, die damals keine Umsätze verzeichneten? Auch für sie hat die Politik vorgesorgt. Wer in jenen Wochen keine Einnahmen hatte, zum Beispiel als selbstständiger Alleinunterhalter, dessen Engagement auf einem Kreuzfahrtschiff im Vormonat ausgelaufen war, darf die durchschnittlichen Erträge des Vorjahres ansetzen.

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Pro Woche Lockdown kann er ein Zweiundfünfzigstel seiner Vorjahresumsätze ansetzen. Auch für Neuselbstständige ist gesorgt. Ein freischaffender Konzertpianist, der erst zu Jahresanfang seine Solokarriere begonnen hat, kann als Berechnungsgrundlage für seine Entschädigungszahlungen die Umsätze aus dem Oktober dieses Jahres anführen.

Etwas unübersichtlich wird es, wenn ein Unternehmen neben der Umsatzerstattung weitere Unterstützung bekommt. Dann werden die Hilfen miteinander verrechnet. Hat das Touristikhotel aus unserem Beispiel schon Kurzarbeitergeld für seine Belegschaft beantragt, wird die Umsatzerstattung um diesen Betrag gekürzt. Es ist kaum zu erwarten, dass die Hilfen, selbst wenn sie schnell gewährt werden, unbürokratisch fließen.

Genehmigt die EU die Hilfen?

Bei ihren Plänen haben Altmaier und Scholz eine traditionelle Hürde zu überwinden: das europäische Beihilferecht. Die EU-Kommission gibt sich regelmäßig sehr empfindsam, wenn sich die Mitgliedstaaten anschicken, ihre Wirtschaft zu stützen. Sie argwöhnt, dass viele Regierungen während der Krise die Gelegenheit nutzen, ihren Unternehmen ungebührlich Vorteile gegenüber jenen aus anderen Mitgliedstaaten zuzuschanzen. Altmaier und Scholz sind zuversichtlich, dass sie die Vorgaben aus Brüssel erfüllen.

Was kostet das alles?

Unkalkulierbar erscheinen die Kosten des Vorhabens. Die Spanne von sieben bis zehn Milliarden Euro, die Finanzminister Scholz in den Verhandlungen mit den Ländern am Mittwoch nannte, deuten auf erhebliche Unsicherheiten hin. Als Grundlage für die Berechnungen verwendeten Scholz´ Experten die Umsätze der von Schließung betroffenen Branchen aus dem Jahr 2018. Aktuellere Zahlen konnte das Statistische Bundesamt, das die Beamten für ihre Kalkulationen um Hilfe baten, nicht liefern. Insofern sind die Angaben über die Kosten Resultat einer Näherungsrechnung.

Auch wenn das Vorhaben den Bund noch teurer zu stehen kommen sollte, beteuert man im Ministerium, dass es nicht den Finanzrahmen dieses Jahres sprengen würde. Die 218 Milliarden Euro, die Scholz 2020 an neuen Schulden aufnehmen darf, hat er längst noch nicht ausgeschöpft. Ein weiterer Nachtragshaushalt scheint deshalb unnötig.

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