Gerichtsentscheidung Hessisches Corona-Sondervermögen ist verfassungswidrig

Hessen wollte seine milliardenschweren Hilfsprogramme in der Coronakrise per Sondervermögen finanzieren – doch das ist verfassungswidrig, entschied der hessische Staatsgerichtshof. Nun muss die Politik eine neue Lösung finden.
Staatsgerichtshof in Wiesbaden: Folgenreiche Entscheidung

Staatsgerichtshof in Wiesbaden: Folgenreiche Entscheidung

Foto: Frank Rumpenhorst / dpa

Kritiker sahen in dem »Corona-Sondervermögen« des Landes Hessen schon länger einen Schattenhaushalt. Jetzt steht fest: Das Sondervermögen ist verfassungswidrig. Das hat der hessische Staatsgerichtshof in Wiesbaden entschieden.

Die haushaltsrechtlichen Kompetenzen des Landtags seien überschritten worden, begründete das Gericht seine Entscheidung. Es hätte andere Formen der Krisenbewältigung gegeben. Das Gesetz zum Sondervermögen sei mit der Landesverfassung unvereinbar. Nun muss die Regierung eine neue Lösung zur Finanzierung der Coronahilfen finden.

Das kreditfinanzierte Sondervermögen des Landes hat ein Volumen von insgesamt zwölf Milliarden Euro. Mit dem Sondervermögen sollen die Folgen der Coronakrise abgemildert werden. Bis Ende 2023 dürfen die Kredite aufgenommen werden, beispielsweise um Steuerverluste des Landes und der Kommunen auszugleichen.

Abgeordnete der Landtagsfraktionen von SPD und FDP hatten beim Staatsgerichtshof im November 2020 einen Normenkontrollantrag gegen das entsprechende Gesetz »Hessens gute Zukunft sichern« gestellt, die AfD-Fraktion im März dieses Jahres. Begründet wurde der Schritt damit, dass das Gesetz gegen haushaltsverfassungsrechtliche Grundsätze, gegen das Budgetrecht des Landtags und gegen das Verbot der Neuverschuldung verstoße. Damit sei es verfassungswidrig.

Der hessische Landtag hatte das Finanzierungsmodell im Sommer des vergangenen Jahres mit den Stimmen der Regierungsfraktionen von CDU und Grünen beschlossen. Vor der Verabschiedung im Parlament in Wiesbaden hatte es wochenlang sehr harte Debatten gegeben. Die Opposition lehnt das Sondervermögen vehement ab und spricht seitdem von einem Schattenhaushalt. Gefordert wird stattdessen auch weiterhin, zur Bewältigung der Coronakosten auf Nachtragshaushalte zu setzen.

Die Politik muss eine neue Lösung finden

Finanzminister Michael Boddenberg (CDU) hatte zuletzt bei der Präsentation des Haushaltsentwurfs für das kommende Jahr von einer zurückkehrenden wirtschaftlichen Stabilität in Hessen gesprochen. Dadurch fielen auch die Ausgaben aus dem Corona-Sondervermögen für die nächsten beiden Jahre deutlich geringer aus. Statt der möglichen zwölf Milliarden Euro werde das Land deswegen möglicherweise nur knapp neun Milliarden Euro benötigen.

Bislang wurden nach Angaben des Finanzministeriums 296 konkrete Hilfen für mehr als 5,9 Milliarden Euro aus dem kreditfinanzierten Sondervermögen auf den Weg gebracht. Mit der Rückzahlung der Mittel beginnt Hessen bereits im laufenden Jahr.

Das Gericht lässt der hessischen Regierung nun eine Gnadenfrist, um eine Regelung für die Finanzierung der Hilfen zu finden, die mit der Verfassung des Landes vereinbar ist. »Bis zu einer Neuregelung, längstens bis zum 31. März 2022, gelten die mit der Verfassung des Landes Hessen für unvereinbar erklärten Vorschriften fort«, heißt es in der Mitteilung des Gerichts.

mic/dpa-afx
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